Roeg Sutherland fehlte das Talent, um wie sein weltbekannter Vater Schauspieler zu werden. Stattdessen koordiniert er nun die Finanzierung eines Grossteils der unabhängig produzierten Hollywoodfilme.
Sie bringen einen zum Lachen, zum Weinen oder zum Fürchten. Filme dürfen alles sein, ausser langweilig.
Dabei geht gern vergessen: Grosses Kino ist auch ein grosses Geschäft. Und dieses funktioniert nach den genau gleichen betriebswirtschaftlichen Regeln wie alle anderen Geschäfte auch.
Weltweit hat die Filmindustrie vergangenes Jahr fast 34 Milliarden Dollar Umsatz erzielt. Und anders als in Europa, wo es eine Vielzahl von Fördermethoden für Filmemacher gibt, gibt es für Hollywoodfilme kaum Unterstützung vom Staat oder von öffentlichrechtlichen Sendern.
Hinter jedem Film steht ein Businessplan
Schätzungsweise vier Fünftel dieses Umsatzes gehen auf grosse Filmstudios wie Universal, Disney oder Warner Brothers zurück. Doch während viele dieser Studios in den vergangenen Jahren mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, konnten sogenannte Independent-Filme ihre Marktanteile ausbauen. Dieser etwas unscharfe Begriff meint Produktionen, deren Budget unabhängig von den grossen Studios zustande gekommen ist. Dabei kann es sich um kleine Arthouse-Filme handeln, aber auch um Blockbuster wie die «Herr der Ringe»-Trilogie, die von dem damals unabhängigen Studio New Line Cinema produziert wurde.
Kleine Produktionsfirmen sind bei solchen Filmprojekten auf Investoren angewiesen – also auf Leute, die ihr Erspartes statt in Aktien oder einen Fonds lieber in einen Film investieren möchten. Man muss nur das richtige Projekt finden.
Dabei kann Roeg Sutherland weiterhelfen. Er ist der Sohn von Donald und der jüngere Halbbruder von Kiefer Sutherland, beides weltberühmte Schauspieler. Die Leidenschaft fürs Kino wurde ihm in die Wiege gelegt, doch sein Vater sprach ihm das Schauspieltalent ab.
So landete Roeg Sutherland auf der weitaus weniger glamourösen Seite der Filmbranche: der Finanzierung von Hollywoodfilmen. Heute leitet er die Finanzierungsabteilung der in Los Angeles beheimateten Creative Artists Agency (CAA).
«Es ist eine traurige Art, einen Film zu betrachten. Aber im Grunde steht für mich hinter jedem Film ein Businessplan. Ich muss in der Lage sein, ihn finanziell zu rechtfertigen», sagt Sutherland. Er ist für den Zurich Summit angereist, eine Branchenveranstaltung für die Filmindustrie. Es ist eine Veranstaltung im Rahmen des Zurich Film Festival (ZFF), an der Produzenten, Financiers und Filmschaffende aufeinandertreffen.
Sutherland hat dieses Jahr den «Game Changer Award» des ZFF erhalten. 60 bis 70 Prozent aller unabhängig finanzierten Filme kommen durch sein Team zustande. Er ist quasi das Scharnier zwischen Menschen, die einen Film machen möchten, und solchen, die in einen investieren wollen.
Sutherland drückt es so aus: «Ich mache ein Paket aus Skript, Regisseur und Schauspielern. Dann suche ich Leute, die das finanzieren wollen.» Erst dann kann ein Film überhaupt zustande kommen. Zu Sutherlands grössten Erfolgen gehört der Film «Black Swan» mit Natalie Portman in der Rolle der zunehmend paranoiden Balletttänzerin aus dem Jahr 2010. Gekostet hat er 13 Millionen Dollar, eingespielt wurden rund 330 Millionen Dollar. Hinzu kamen ein Oscar und mehrere Nominierungen.
Ein berühmter Filmstar ist kein Garant
Ein Film sollte ein klares Budget haben. Feste Kennzahlen gibt es nicht, dafür aber Faustregeln: So sollten die Kosten für den Cast nicht mehr als 35 Prozent des Gesamtbudgets ausmachen. Zwar gibt es immer wieder Budgets, die von dieser Aufteilung abweichen – das sollte dann aber gut begründet sein, etwa weil besonders gefeierte Schauspieler oder Regisseure daran mitwirken.
Doch so etwas wie eine Erfolgsgarantie für einen Film gibt es nicht. «Was auf den ersten Blick am meisten Sinn ergibt, ergibt am Ende am wenigsten Sinn», sagt Sutherland. Es sei zum Beispiel enorm schwierig gewesen, «Black Swan» zu finanzieren. «Die Leute haben das Skript als Drama gelesen, aber eigentlich war es ein Thriller.» Auch bei «Everything Everywhere All at Once», dem Oscar-Gewinner im vergangenen Jahr, habe auf dem Papier nichts darauf hingedeutet, dass der Film ein Kassenschlager werden würde.
Zwar sei es bei der Finanzierung eines Films äusserst hilfreich, einen oder zwei bekannte Filmstars an Bord zu haben, erklärt Sutherland. Doch man dürfe sich seiner Sache nie zu sicher sein. «Im Film ‹Surfer, Dude› aus dem Jahr 2008 läuft Matthew McConaughey quasi die ganze Zeit mit nacktem Oberkörper herum. Ein todsicheres Konzept, sollte man meinen.» Sutherland brachte einen Investor dazu, 3 Millionen Dollar in den Film zu investieren. Am Ende habe der Investor sein ganzes Geld verloren, der Film floppte. «Von allen 400 Filmen, die ich bisher betreut habe, war das mein grösster Misserfolg.»
Auch Gigi Oeri investiert in Filme
Das Beispiel zeigt: Als Filminvestor geht man auch bei vermeintlich sicheren Projekten ein grosses Risiko ein. Dennoch sei es in jüngster Zeit kein Problem gewesen, Investoren zu finden, so Sutherland: «Es ist mehr Geld im Markt als je zuvor. Jeder, der Geld investiert, will irgendwie sein Portfolio diversifizieren.»
Die Investoren bildeten ein breites Spektrum ab, so Sutherland: von wohlhabenden Individuen, die als Mäzenen aufträten, über Family-Offices bis hin zu Pensionskassen und Private-Equity-Fonds. Auch Schweizer Wirtschaftsprominenz hat sich bereits in der Filmbranche versucht. Die Basler Roche-Erbin Gigi Oeri («Das Parfum», «Cloud Atlas») zum Beispiel oder der Breitling-Chef Georges Kern («Mon chien stupide»).
Gegenüber Anlagen in Immobilien oder Aktien wirken solche in Filme deutlich risikoreicher – doch das sei falsch, findet Sutherland. Wohl nicht ohne Eigeninteressen sagt er: «Auch im Aktienmarkt gibt es ein Risiko. So etwas wie eine sichere Anlage gibt es heutzutage doch gar nicht.»
Doch klar ist auch: Die Filmbranche hatte in den vergangenen Jahren mit grossen Herausforderungen zu kämpfen. Erst sorgte die Corona-Pandemie für leere Kinosäle und hohe Zusatzkosten. Produzenten mussten ihre Budgets laut Sutherland um mindestens 10 Prozent nach oben anpassen, allein um die Vorschriften zum Gesundheitsschutz einzuhalten. In dieser Zeit waren es die Streaming-Anbieter, die das Geschäft der Filmemacher retteten.
Hohe Zinsen zwingen die Produzenten zum Sparen
Im vergangenen Jahr wurde Hollywood durch Streiks von Drehbuchautoren und Schauspielern vorübergehend ausser Gefecht gesetzt. Das erschwerte nicht nur die Produktion neuer Filme, sondern hinderte Schauspieler auch daran, auf Pressetour für ihre erscheinenden Projekte zu gehen. Erst langsam sehe man einen Erholungseffekt, so Sutherland.
Dieser wird jedoch durch einen weiteren Faktor erschwert: die nach wie vor hohen Zinsen. Zwar hat die amerikanische Notenbank im September die Zinswende eingeleitet, doch die Kosten für frisches Geld sind nach wie vor hoch. So komme es vor, erzählt Sutherland, dass er Produzenten darum bitten müsse, ihr Budget um bis zu 25 Prozent zu kürzen. In einem solchen Fall müssen dann alle zurückstecken: Schauspieler, Angestellte am Set und die Beteiligten in der Produktion.
Trotz all den Schwierigkeiten lässt Roeg Sutherland sich seinen Optimismus nicht nehmen. «In den 25 Jahren, in denen ich im Filmgeschäft tätig bin, gab es immer irgendeine Form der Disruption. Und es ist immer irgendwie weitergegangen.» Die nächste grosse Veränderung steht bereits vor der Tür, und zwar durch künstliche Intelligenz. Sie kann für die Branche eine Verheissung, aber auch eine Gefahr darstellen – je nachdem, wie sie genutzt wird.
Eines ist also sicher: Wer sein Geld in den Film steckt, kann etwas erleben.
Das Zurich Film Festival (ZFF) ist Teil der NZZ-Gruppe.