Jahrelang schmuggelte der «König der Kaktus-Piraten» seltene Kakteen aus Chile nach Europa – und verkaufte sie für Tausende Euro das Stück. Nun endet sein Geschäft im Gefängnis.
Als Andrea Piombetti am Flughafen von Santiago de Chile landet, klicken die Handschellen. Sein Ruf als «König der Kaktus-Piraten» hat ihn eingeholt: Jahrelang hatte er seltene Copiapoa-Kakteen im Wert von über einer Million Dollar aus einer chilenischen Wüste nach Europa geschmuggelt.
Im Februar wurde Piombetti in Italien zu einer Haftstrafe von 18 Monaten und einer Geldstrafe verurteilt. Die Kakteen, teilweise jahrhundertealt, waren unter anderem über Griechenland und Rumänien nach Italien gelangt. Dort konnte Piombetti die Pflanzen für Zehntausende Euro pro Stück veräussern.
Doch Piombettis Geschäftsmodell ist kein Einzelfall. Der illegale Handel mit seltenen Pflanzen boomt – angetrieben von Sammlern und Online-Marktplätzen, auf denen geschützte Arten für hohe Summen verkauft werden. Kakteen, Orchideen oder fleischfressende Pflanzen: Was in der Natur über Jahrhunderte wächst, wird oft in Minuten ausgerissen und in Paketen um die halbe Welt verschickt.
Besonders begehrt sind Pflanzen, die nur in extremen Lebensräumen gedeihen – wie die Copiapoa-Kakteen aus der Wüste Chiles.
Die Atacama-Wüste zählt zu den trockensten Regionen der Erde. Felsige, goldgelbe Ebenen und steile Hügel dominieren das Landschaftsbild. Feuchtigkeit gibt es kaum – nur einen Nebel, der «Camanchaca» genannt wird. Er versorgt die kargen Gewächse mit lebenswichtigem Wasser. Unter diesen Bedingungen gedeihen Copiapoa-Kakteen. Die Pflanzen wachsen extrem langsam, einige Arten nur wenige Millimeter im Jahr. Sie existieren nirgendwo sonst.
Piombetti wusste um den Wert der Pflanzen – und um ihre Beliebtheit bei internationalen Sammlern. Bei seinen Raubzügen grub er Hunderte Kakteen aus, schmuggelte sie über den Paketversand nach Italien und schliesslich in die Hände finanzkräftiger Käufer in den USA und Japan. Der Handel blühte.
«König der Kaktus-Piraten»
Im Jahr 2020 deckten Ermittler im Zuge der «Operation Atacama» Piombettis Schmugglernetzwerk auf. Eine Kooperation zwischen italienischen und chilenischen Behörden stellte mehr als tausend Pflanzen in einem improvisierten Gewächshaus in Piombettis Wohnung in Italien sicher. Ihr Wert soll sich auf über eine Million Euro belaufen haben, wie Botaniker gegenüber den italienischen Carabinieri schätzten.
Andrea Piombetti war ein bekanntes Gesicht in der italienischen Sammlerszene. Er sammelte und verkaufte über Jahrzehnte hinweg Kakteen, war stolz auf seine Expertise auf dem Gebiet. Wie die BBC berichtet, prahlte er mit seinem Ruhm. Er soll regelmässig in Jacken gesehen worden sein, die den Aufdruck «König von Chile» trugen, und sein Whatsapp-Status lautete «Re dei pirati del cactus», zu Deutsch: «König der Kaktus-Piraten».
Die Ermittlungen dauerten fünf Jahre und kamen im Februar 2025 zum Abschluss mit einem Präzedenz-Urteil: Piombetti muss für 18 Monate ins Gefängnis und eine Geldstrafe von 25 000 Euro zahlen.
Erstmals wurde in einem Urteil anerkannt, dass der Raub und Schmuggel von Kakteen nicht nur einen Rechtsbruch darstellt, sondern auch einen direkten Schaden an der Natur selbst. Die Pflanzen wurden als eigenständige Rechtsträger betrachtet – ein Präzedenzfall im Umweltrecht.
Gefährdete Pflanzen, lukrativer Markt
Trotz dem juristischen Erfolg bleibt der Schaden gross: Der illegale Handel hat bereits viele Kakteen-Populationen stark dezimiert. Die langsame Regeneration der Pflanzen erschwert die Erholung zusätzlich. Zwar wurden die Kakteen in einer beispiellosen Aktion nach Chile zurückgebracht, doch sie dürfen nicht mehr ausgewildert werden. Die meisten Pflanzen verbleiben in einem staatlichen Gewächshaus, da ihr genauer Ursprungsort nicht mehr bekannt ist. Und würde man die Kakteen an zufälligen Orten einpflanzen, bestünde das Risiko, dass sie sterben würden.
Piombetti sitzt im Gefängnis, doch der illegale Pflanzenhandel geht weiter. Freiwillige entdecken in Chile regelmässig verwüstete Landschaften. Einer von ihnen, Mauricio Gonzalez, sagt gegenüber der BBC, die Schmuggler würden Trends auf Social Media folgen. «Jedes Jahr ist eine andere Art besonders beliebt», sagt er. «Dann sind ganze Täler leer geräumt.»
Das kann für seltene Pflanzen lebensbedrohlich sein. Eine Orchideenart aus Vietnam wurde in den späten 1990er Jahren fast gänzlich durch illegales Sammeln ausgerottet. Den Copiapoa-Kakteen droht ein vergleichbares Schicksal. Laut der Weltnaturschutzunion (IUCN) gelten die Kakteen als in alarmierendem Masse gefährdet und vom Aussterben bedroht.