Lange Zeit waren die Kosten für die Absicherung gegen das Risiko eines Zahlungsausfalls bei keiner anderen Grossbank in Europa und Nordamerika höher als bei Deutschlands grösstem Kreditinstitut. Das hat sich nun geändert. Unterdessen scheint Unicredit langsam das Interesse an der zweitgrössten deutschen Bank zu verlieren.
Mit den gestiegenen Zinsen, die das geplante milliardenschwere Sondervermögen der designierten deutschen Bundesregierung ausgelöst hat, und der Hoffnung nach einer Konjunkturbelebung, rücken Finanzaktien noch stärker in den Fokus der Anleger.
Ein Profiteur der Entwicklung ist die von der Unicredit umworbene Commerzbank 📈 (Coba). Die italienische Grossbank hat zwar gerade die Erlaubnis von der Europäischen Zentralbank erhalten, ihren Anteil auf 29,9% aufstocken zu dürfen. Eile, ein Übernahmeangebot zu unterbreiten, gibt es aber offenbar nicht. Dabei wird es durch den seit Monaten steigenden Aktienkurs der Commerzbank immer teurer für Unicredit. Am Markt munkelt man, dass Kurse von 25 € und mehr so gar nicht nach dem Geschmack der Italiener sein dürften. Dieses Niveau haben die Valoren gestern erreicht.
Spiel auf Zeit
Unicredit beruft sich bei seinem Zeitspiel unter anderem darauf, erst einmal in den Dialog mit der neuen Bundesregierung treten zu wollen. Dazu erfordere die Umwandlung der teils in Derivaten gehaltenen Coba-Aktien in physische Aktien noch Genehmigungen, etwa vom Bundeskartellamt.
Als Aktionär freut sich die italienische Grossbank, dass ihr Einstieg zu positiven Veränderungen bei der Commerzbank geführt habe. Diese und die zuletzt optimistischere Einschätzung der deutschen Wirtschaftslage hätten den Aktienkurs letztlich nach oben katapultiert. Die Zeit werde zeigen, «ob der Plan umsetzbar ist und ob eine solche Kurssteigerung gerechtfertigt und nachhaltig ist», heisst es in einer Pressemitteilung.
Und weiter: «Infolgedessen wird sich unser ursprünglicher Zeitplan für die Entscheidung, ob wir mit einer möglichen Fusion fortfahren oder nicht, nun wahrscheinlich deutlich über das Ende des Jahres 2025 hinaus erstrecken.» Das klingt ein wenig danach, als würde man hoffen, dass der Aktienkurs der Coba inzwischen wieder sinkt, mutmasst ein Banker.
Deutsche Bank gibt letzten Platz ab
Am gestiegenen Aktienkurs liegt es zum Teil auch, dass die Deutsche Bank 📈 nicht mehr das Schlusslicht in Sachen Risikoabsicherung ist. Die in der Fachsprache Credit Default Swaps (CDS) genannten Derivate fungieren als eine Art Versicherung gegen Zahlungsausfall eines Schuldners und korrelieren negativ mit der Aktienkursentwicklung. Schliesslich steigen Aktien vereinfacht gesagt, wenn es einem Unternehmen gut geht – und umgekehrt. Gemäss der Markttheorie müssen sich Aktien, Anleihen und CDS-Kontrakte auch im Einklang bewegen.
Wenn Marktteilnehmer erwarten, dass die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls steigt, verlangen sie höhere Prämien für den Schutz gegen dieses Ereignis. So liegt die Prämie für einen CDS mit fünfjähriger Laufzeit für die Schweiz nur bei knapp sechs Basispunkten, für die Bundesrepublik Deutschland sind es rund 13 Basispunkte, für die USA 37, für Griechenland 54 und für Brasilien 174 sowie die Türkei 256.
Ein Basispunkt entspricht 0,01%. Ein CDS-Spread von 100 Basispunkten bedeutet also, dass der Käufer 1% des versicherten Nominalbetrags pro Jahr zahlt. Ab einer Prämie von 100 schauen viele Marktteilnehmer genauer hin. Werte von 200 und mehr gelten als eindeutiges Warnsignal.
Anders als etwa der türkische Staat, sind die europäischen und nordamerikanischen Banken davon derzeit weit entfernt. Dennoch sticht ins Auge, dass die Deutsche Bank, die seit mehreren Jahren den schlechtesten Wert innehatte, nun von der Barclays Bank aus Grossbritannien und den US-Banken Goldman Sachs, Morgan Stanley und Citigroup überholt wurde. Deren Aktienkurse sind seit Mitte Februar unter Druck geraten. Bei Deutschlands grösstem Finanzhaus sind es nun 56,7 Basispunkte, während Barclays auf 66,5 kommt (Commerzbank: 46,6).
Neuer Spitzenreiter Barclays gilt als anfällig im Investmentbanking, heisst es. Je höher der Anteil dieser Sparte am Gesamtgeschäft, desto volatiler ist nicht nur der Aktienkurs, sondern sind es eben auch die Ausfallprämien, so eine Faustregel. Dagegen hat sich die Deutsche Bank im Investmentbanking mittlerweile vom Eigen- und Aktienhandel verabschiedet. Mit der erfolgreichen Transformation der Deutschen Bank, die in der Vergangenheit Risiken abgebaut und Kosten gesenkt hat, lässt sich die verbesserte CDS-Prämie durchaus erklären. Wenngleich der Markt für CDS deutlich enger als der Aktienmarkt ist, was zu grösseren Ausschlägen in beide Richtungen führen kann.
Dazu hat sich auch das Rating der Bank verbessert. Früher war das Kreditinstitut im Investmentgrade-Bereich am unten Ende, heute ist es dort im Mittelfeld angesiedelt, was in etwa dem Branchenstandard entspricht. «Die europäischen Banken sind zurück und eine gute Alternative», sagt ein Banker. Noch zum Jahresende waren sie besonders günstig, mittlerweile ist ihr Bewertungsabschlag zu den US-Banken gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis auf 19% geschrumpft und liegt damit wieder so hoch wie im Mittel der vergangenen 15 Jahre. Oder wie es ein Family Office ausdrückt: «Trump making U. S. bank credit risk greater again.» Schlechte Nachrichten also für die US-Titel.
Gute Nachrichten gibt es indes auch für die Deutsche-Bank-Tochter DWS 📈. Die Fondsgesellschaft steigt am nächsten Montag vom SDax in den MDax auf. Das könnte den Aktien des Vermögensverwalters wie das Sondervermögen den beiden deutschen Banken mittelfristig weiteren Auftrieb geben.
Der Autor hält Aktien von Commerzbank und DWS.