Längst machen es nicht mehr nur die Frauen: ihre grauen Haare färben, um jünger auszusehen. Ist damit ein Gesundheitsrisiko verbunden? Ein Beitrag aus der Rubrik «Hauptsache, gesund».
Lange ist es her, dass ein amerikanischer Präsident schon mit 69 Jahren am Tag seiner Vereidigung als «alt» galt. Im nächsten Jahr dürfte nach gegenwärtigem Stand der Dinge entweder ein 78-jähriger (Donald Trump) oder ein 82-jähriger Politiker (Joe Biden) den Amtseid ablegen.
Ronald Reagan, der von 1981 bis 1989 regierte, tat auch sein Möglichstes, um für sein Alter noch jung und dynamisch zu wirken. Sein volles, dunkles Haar sei natürlich – dass er es je gefärbt habe, stritt der 40. Präsident stets energisch ab.
Allerdings: «Ronnie» war nach einer langen Hollywoodkarriere auch ein begnadeter Trickser. So sah niemand den Präsidenten je mit einer Lesebrille, wie sie für die meisten Menschen im Alter zwischen 40 und 50 Jahren unentbehrlich wird. Reagans Trick: Er war seit seiner Jugend kurzsichtig und trug Kontaktlinsen – eine für die Ferne auf einem Auge, eine für den Nahbereich auf dem anderen.
Der einzige Präsident der USA, mit dem ich den Vornamen teile, kommt mir manchmal beim Coiffeurtermin in den Sinn. Denn gelegentlich treibt mich ein Hauch von Eitelkeit dazu, mir eine Ladung «Chemie» auf das schüttere und in Teilen graue Haupt auftragen zu lassen.
Meine Coiffeuse Kathy rührt dann eine Mischung an, die intensiv nach Ammoniak riecht. Nachdem sie ihre Wirkung getan hat, sieht mein Haar fast so aus wie das des anderen Ronald – und ich ein paar Jahre jünger.
Natürlich frage ich mich gelegentlich, welchen Preis diese Eitelkeit fordert. Denn vor wenigen Jahren hat eine grosse Studie mit über 46 000 Frauen festgestellt, dass jene, die ihre Haare färbten, ein um neun Prozent höheres Risiko haben, an Brustkrebs zu erkranken.
Sich ein Gesamtbild über eine mögliche Gesundheitsgefährdung zu machen, ist bei der Haarfärbung allerdings schwierig. Kompetente Organisationen wie die American Cancer Society benützen bei der Beurteilung der vorhandenen Studiendaten üblicherweise Formulierungen wie «gemischte Resultate», was alle Möglichkeiten offenhält.
Relativ sicher dürfte aber sein, dass das Gefahrenpotenzial bei vorübergehenden Färbungen (diese sind nach ein- oder zweimal Haare waschen verschwunden) und bei semipermanenten Färbungen (fünf- bis zehnmal Haare waschen) geringer ist als bei permanenten Färbungen. Neben dem erwähnten Brustkrebs stehen dabei vor allem Tumore der Blase im Vordergrund.
Bei Menschen mit beruflicher Exposition wie den Coiffeuren war das Risiko für diese Krebsart in mehreren Untersuchungen leicht erhöht. Für die Kunden, die sich die Haare färben lassen, fehlt dagegen ein eindeutiger Beleg für die Schädlichkeit. Etwas deutlicher scheinen die Indizien für ein erhöhtes Risiko für eine bösartige Lymphknoten-Erkrankung zu sein – allerdings primär für Frauen, die schon vor 1980 ihre Haare färben liessen.
Für andere Krebsarten gibt es laut der amerikanischen Krebsgesellschaft «zu wenige Studien, um konkrete Schlüsse ziehen zu können». Die «New York Times» formulierte es jüngst etwas hilfreicher und beruhigender: Es gebe keine Studien, die nachgewiesen hätten, dass die Haarfärbung Krebs verursache.
Von Ronald Reagan stammt die berühmte Formulierung: «Trust, but verify.» Solange die Wissenschaft also eine Gefahr nicht verifiziert hat, gilt das Vertrauen darauf, dass der kleine Tribut an die menschliche Schwäche, jung bleiben zu wollen, keine gesundheitlichen Konsequenzen nach sich zieht.
In der wöchentlichen Rubrik «Hauptsache, gesund» werfen die Autorinnen und Autoren einen persönlichen Blick auf Themen aus Medizin, Gesundheit, Ernährung und Fitness. Bereits erschienene Texte finden sich hier.
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