Sie sprechen anderen Parteien das Existenzrecht ab und demonstrieren mit Linksextremen. Dennoch müssen sich linke Jungparteien wie die Juso wenig rechtfertigen. Sie profitieren von einer medialen Doppelmoral.
Cédric Wermuth will nicht mit dem SRF-Team reden. «Ich habe keine Zeit, ich muss mich jetzt auf diese Demo konzentrieren», sagt er. Als der Reporter insistiert, hebt der Co-Präsident der SP Schweiz die Hände und wendet dem Team nach einem gereizten «Isch guet?» den Rücken zu.
Die Szenen sind an der 1.-Mai-Demonstration in St. Gallen aufgenommen worden, wo Wermuth im blauen Anzug und mit einer gelben Rose mitmarschierte. Nachzusehen sind sie in der SRF-Sendung «Rundschau» vom 8. Mai. «Linksextrem und gewaltbereit: Recherche von der Demo-Front», so lautet der Titel. Die Reporter wollten ergründen, wie es um die Radikalität der Juso und «das Verhältnis der politischen Linken zu den Radikalen» steht. Es bleibe, so lautet ihr Fazit nach Cédric Wermuths Gesprächsverweigerung, «ein schwieriges Thema».
Gemeinsamer Aufmarsch mit Demokratiefeinden
Tatsächlich ist die mangelnde Abgrenzung von etablierten Linken und linken Jungparteien zu Extremisten und demokratiefeindlichem Gedankengut ein schwieriges Thema. Dies jedoch auch, weil es die Medien den linken Politikern allzu einfach machen: Statt kritisch nachzufragen und Distanzierungen einzufordern, wie sie das im Fall der SVP gerne tun, sehen sie oft lieber nicht so genau hin.
Deutlich wird das an fast jeder linken Demonstration. Dort ist es normal, dass an vorderster Front linke Demokratiefeinde, Geschichtsklitterer und Diktatorenbewunderer mitmarschieren. Im letzten November und am letzten Wochenende etwa demonstrierten Politiker der SP, der Grünen, der Alternativen und der Juso in Zürich für «fairen Wohnraum». Mit von der Partie waren Vertreter des Revolutionären Aufbaus und der Revolutionären Jugend (RJZ) – beides Organisationen, die Gewalt befürworten, in Schriften den Massenmörder Mao Zedong zitieren und mit der antisemitischen Gruppe Samidoun zusammenarbeiten.
Cédric Wermuth und der «provokative» Joint
In den Tamedia-Zeitungen erfuhr man nichts über die Beteiligung und den ideologischen Hintergrund dieser Gruppen. Dafür berichteten die Journalisten von «ganz unterschiedlichen Organisationen», die präsent gewesen seien. Sie schwärmten von den «witzigen Videos», den «kreativen Plakaten» und zitierten Slogans wie: «Eusi Strasse, eusi Quartier, weg mit de Yuppies, weg mit de Schmier!» SRF schrieb von einer Kundgebung «für mehr bezahlbaren Wohnraum» – und zeigte ein Bild, auf dem Demonstranten ein Transparent mit der Botschaft «Wohnungsnot hat System Kapitalismus zerschlagen» hochhalten.
Ähnlich naiv und oberflächlich handeln Medien die Frage ab, wie weit es extremistische Tendenzen in linken Jungparteien wie den Juso gibt. Die «Angst vor den Juso», so behaupteten die Tamedia-Zeitungen vor der Bundesratswahl im letzten Dezember, hänge vor allem mit ihrem Stil zusammen. Sie hätten «freche Fotomontagen» verbreitet oder, wie der einstige Juso-Präsident Cédric Wermuth, leere Hotels besetzt und 2008 «provokativ» einen Joint am Rednerpult angezündet.
Ein Joint dürfte im Jahr 2008 allerdings nicht einmal mehr in Wermuths Heimatdörfern Bünzen und Boswil für Entsetzen gesorgt haben. Problematisch an dem Ex-Juso Wermuth ist eher seine wiederholt zum Ausdruck gebrachte Bewunderung für Linkspopulisten wie den Antisemitenförderer und Hamas-Versteher Jeremy Corbyn oder den Putin-Freund Hugo Chávez, dem er als junger Nationalrat via Twitter zur Wahl gratulierte.
Wenig Distanz zu linksautoritären Kreisen offenbarte auch Wermuths Nationalratskollege Fabian Molina, der sich zu seiner Zeit als Juso-Präsident mehrmals als eine Art Schweiz-Erklärer für die deutsche Zeitung «Junge Welt» betätigte. Wegen des starken Frankens, so sagte er den deutschen Genossen 2015, müssten Betriebe verstaatlicht, bei Auslagerungsplänen enteignet werden. Die ehemalige SED-Zeitung «Junge Welt» ist das inoffizielle deutsche Zentralorgan der DDR-Nostalgiker und Putin-Freunde. Den Mauerbau feierte sie noch 2011 mit einem Dankeschön an die Grenzwächter. Nicht zuletzt deshalb wird die Zeitung seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet.
All das kommt in Medienberichten selten oder gar nicht zur Sprache. SRF stellt in der oben erwähnten «Rundschau»-Dokumentation «Linksextrem und gewaltbereit» zumindest die Frage, ob Radikalismus zu den Juso gehöre. Die Antworten bleiben jedoch vage. Im Zentrum der Sendung steht eine Juso-Politikerin, die wegen einer Waldbesetzung in Konflikt mit der Polizei geraten ist, «Gewalt an Lebewesen» aber nach eigenen Worten strikt ablehnt. Auch der Juso-Präsident Nicola Siegrist versichert den SRF-Reportern, man habe mit Gewalt von Linksextremen nichts zu tun. Die meisten «Linksaussen-Kollektive» würden die Juso ohnehin mehr oder weniger «abgrundtief» hassen.
Aufrufe zur Intifada und «Genozid»-Anklagen gegen Israel
Das mag stimmen, sagt aber nichts darüber aus, wie sich die Juso selbst zum Linksextremismus stellen. Von einer «Brandmauer», wie sie die Juso von Bürgerlichen gegen rechts einfordern, ist jedenfalls wenig zu sehen – sowohl ideologisch als auch praktisch. Dies nicht nur, weil sich Juso regelmässig im Ton vergreifen und auch einmal über reiche «Parasiten» herziehen, angeblich ohne zu wissen, dass dies Nazi- und Lenin-Jargon war, mit dem in der Sowjetunion ganze Bevölkerungsgruppen stigmatisiert wurden.
Anfang Mai haben radikale Juso-Mitglieder und -Kader in Biel eine neue «revolutionäre» kommunistische Partei mitgegründet, die Teil einer der vielen trotzkistischen Weltsekten ist. Vor ihrem Austritt aus den Juso-Strukturen hatte die von Studenten und marxistisch-leninistischen Nerds geprägte Gruppe unter dem Namen «Der Funke» jahrelang Propaganda für die venezolanische Maduro-Diktatur und andere linksextreme Anliegen verbreitet. Heute rufen sie zur Intifada gegen Israel auf, und am Holocaust-Gedenktag beschuldigten sie das Land, einen Genozid an den Palästinensern zu verüben.
Übersehen konnte man die «Funke»-Leute kaum. Schon 2019 waren sie an der grossen Klimademo in Bern präsent, wo ziemlich alle linksextremen Gruppen der Eidgenossenschaft aufmarschierten, von den Stalin-Verehrern der Marxistisch-Leninistischen Gruppe Schweiz bis zum Revolutionären Aufbau (was in den Medien wie üblich kaum ein Thema war). Gemäss ihrer Parteizeitung, die sie dort verteilten, sehen sich «Funke»-Kader dazu berufen, die «Massen» zu «führen». Die Errichtung der bolschewistischen Diktatur in Russland feierten sie als «grösstes Ereignis der Menschheitsgeschichte», als Urknall der «weitreichendsten und revolutionärsten Demokratie» der Welt.
«Punktuelle» Zusammenarbeit mit Linksextremen
Radikalisiert, so suggerierte der Juso-Präsident Siegrist kürzlich in der «NZZ am Sonntag», habe sich «Der Funke» erst in letzter Zeit. Zuvor sei es legitim gewesen, ihm Raum zu geben.
Obwohl sich die Juso regelmässig von Gewalt distanzieren, ist ihr Verhältnis zu gewaltbereiten Gruppen wie der RJZ ambivalent. Die frühere Juso-Präsidentin Ronja Jansen erklärte 2019, einzelne Sektionen pflegten einen «punktuellen Austausch» mit der RJZ, «wenn wir uns in Zielen und Mitteln einig sind». Einzelne Sektionen und Exponenten der Juso legitimierten Angriffe von Linksextremen auf SVP-Politiker und konservative Christen als antifaschistischen «Widerstand» und «wichtigen» Protest.
Wie kommen vermeintliche Demokraten dazu, solche Aktionen zu rechtfertigen, bei denen auch schon Leute verletzt worden sind? Die Antworten finden sich unter anderem in den Schriften der Juso. Dort wird ein pathetischer, in linksextremer Tradition stehender «Antifaschismus» zelebriert, der sich längst nicht nur gegen Nazis und Faschisten richtet.
Der SVP wird kurzerhand das Existenzrecht abgesprochen, weil sie angeblich faschistisch ist. «Die Schweiz hat keinen Platz für die SVP. Die SVP muss weg», heisst es in einem im letzten Herbst publizierten Positionspapier, das mit Antifa-Prosa aus den 1930er Jahren gespickt ist. Die Forderung sorgte in den Medien für kurzes Aufsehen, das SP-Co-Präsidium Mattea Meyer und Cédric Wermuth wollte sich nicht äussern, die Juso versicherten, sie wollten die SVP auf demokratischem Weg irrelevant machen.
Medien sollen schreiben, was den Juso passt
Die autoritäre Rhetorik und die historischen Vorbilder der Jungpartei lassen jedoch zweifeln, ob solche Relativierungen ernst zu nehmen sind. Der Furor der Junglinken richtet sich auch gegen die FDP, die gemäss dem oben zitierten Positionspapier zu den «Steigbügelhalter*innen» des Faschismus gehört. Schuldig am Erfolg der SVP sind in den Augen der Juso auch die Medien: Sie werden aufgefordert, der Partei keine Plattform mehr zu bieten, im Namen der Demokratie und der Freiheit.
Ohnehin sehen sich die Juso als eine Art Aufsichtsorgan der Medien, das einzelne Journalisten und Journalistinnen anprangert und ihnen vorschreibt, wie und worüber sie berichten sollen. Vor einigen Wochen organisierte man zusammen mit anderen linken Organisationen Proteste gegen die angeblich «transfeindliche» Berichterstattung von SRF und Tamedia-Zeitungen. Bezeichnenderweise würden die Jungsozialisten auch den Diskurs über politisch motivierte Gewalt am liebsten regulieren. Die Gleichsetzung von rechter und linker Gewalt, so schrieben sie 2016, «verschleiert den bereits in ihrer Prämisse gewalttätigen und menschenverachtenden Charakter der rechten Ideologie und muss angeprangert werden».
Da im Namen von offiziell friedlichen und menschenfreundlichen sozialistischen Utopien Millionen Menschen verbal entmenschlicht, geschlagen, weggesperrt, versklavt und ermordet wurden, ist das eine bemerkenswerte Aussage. Aber sie passt zur Geschichtsvergessenheit eines Teils der Linken, die derzeit nicht nur die Universitäten erfasst hat. Auf Cédric Wermuths Frage «Isch guet?» gibt es deshalb nur eine Antwort: Nein.