Er gehört zu den Pionieren der Schweizer Rockmusikszene. Jetzt hat der Sänger, Songwriter und Künstler Hardy Hepp seine Memoiren veröffentlicht. Sie bieten Einblick in die Schweizer Kulturgeschichte seit den sechziger Jahren.
All die Namen sprechen für sich. Neunzehn dicht bedruckte Register-Seiten. Es beginnt mit dem Bündner Architekten und Politiker Jann Adank und hört auf mit dem Zürcher Punk Heini Zwahlen. Dazwischen werden zahlreiche Originale und Outlaws erwähnt – wie etwa der Maultrommler Anton Bruhin, der Mörder Ernst Deubelbeiss und die Schuhdesignerin Stefi Talman.
Schon diese Auswahl deutet an, welch vielfältige Bekanntschaften Hardy Hepp gemacht hat und wie viele Anekdoten er deshalb aufzutischen weiss. Auch im Gespräch sprudeln die Worte nur so aus dem Musiker und Künstler heraus, der 1944 in Rüti geboren wurde. «Ich habe ja einfach Geschichten erzählen wollen», ruft er aus, als wir in seinem Studio in Wallenwil im Thurgau zu Besuch sind. Das ist seine Erklärung dafür, dass er nun seine Memoiren verfasst hat – zusammen mit dem Zürcher Publizisten Michael Lütscher.
Geschichten der sechziger Jahre
Der lapidare Titel – «Hardy Hepp. Mein Leben als Musiker und Maler» – wirkt dabei etwas bescheiden, ja geradezu irreführend. Denn beschrieben wird hier weit mehr als die wilden Taten eines eigenwilligen Künstlers. Hepps frühe Erinnerungen führen einen vielmehr in die Geschichte der sechziger Jahre, als das Schweizer Polit-Establishment Änderungen und Neuerungen mit Schrecken und Argwohn begegnete. Das Konkubinat war noch verboten. Und die Rock’n’Roll-Fans wurden als «Halbstarke» verachtet. Aber in Zürich formierte sich eine rebellische Jugend. Hardy Hepp wirbelte munter mit, seit er im November 1962 hierhergekommen war.
Die Stadt kannte er damals bereits etwas – nicht zuletzt dank einem Auftritt der Gospelsängerin Mahalia Jackson im Kongresshaus, den er mit seiner Mutter, einer Oratoriensängerin, besucht hatte: «Das beste Konzert meines Lebens.» Überhaupt waren die Weichen zum Musiker schon im Elternhaus gestellt worden. Die Eltern und die vier Geschwister bildeten ein Familienorchester. Hardy spielte zuerst Geige. Später kamen auch noch Klavier, Gitarre und Gesang dazu.
Anfang der sechziger Jahre habe es in Zürich gebrodelt, erzählt er. Mindestens zehn Lokale soll es gegeben haben, in denen Musikerinnen und Musiker aus aller Welt gastierten. Der 18-jährige Hardy Hepp logierte zuerst im Garten des Restaurants La Terrasse. Gleich nebenan waren das Café Odeon, wo Künstler und Intellektuelle verkehrten, der «Schwarze Ring», ein Milieu-Treff, und der Jazzklub Africana. Im «Africana» gab es jeden Tag Live-Musik. Im Keller befand sich auch ein Übungslokal, in dem Hepp servierte. So wurde er dann langsam in die Musikszene hineingesogen.
Als wegweisend für seinen musikalischen Werdegang erwies sich auch noch ein Job als Jukebox-Servicemann. In Deutschschweizer Kneipen war er zuständig für das Repertoire der Jukeboxes, das er den jeweiligen Geschmäcken anzupassen hatte.
Im Linthtal verlangte man vor allem Ländler. Aber davon verstand Hepp nichts. Selber Rockfan, hatte er im Elternhaus nur Klassik zu hören bekommen. So informierte er sich vor Ort und merkte dabei: «Ländler ist nicht gleich Ländler.» Als er eines Tages in eine «Stubete» mit dem Schwyzerörgeli-Meister Rees Gwerder geriet, avancierte er endgültig zum Volksmusik-Fan.
Die Liebe zur Volksmusik führt wie ein roter Faden durch sein musikalisches Schaffen – von seiner Produktionsarbeit beim Welthit der Minstrels «Grüezi wohl, Frau Stirnimaa» (1969) über seine Soloalben «Hepp, Hahn und Huhn» (1971) und «Hardly Healed» (1973, mit einem für ihn geschriebenen Text von Captain Beefheart) bis zu «Hand in Hand» (1981) oder den drei erfolgreichen Heppchor-Alben (1992, 1997, 2006). Immer wieder schimmern Harmonien und Motive durch den Sound, die an schweizerische Melodik anklingen.
Deshalb wahrscheinlich blieb seine Musik eine schweizerische Angelegenheit, obwohl der Musiker Hardy Hepp auf der ganzen Welt Freundschaften schloss – zum Beispiel mit dem Experimental-Rocker Captain Beefheart oder dem Jazzsaxofonisten Ornette Coleman. Eine Ausnahme bilden allerdings zwei Alben, die Hardy Hepp 1969 und 1971 mit «dem Krokodil» aufgenommen hat (die Band bestand darauf, mit dem Namen auf ihre Schweizer Herkunft hinzuweisen). Beim Krokodil handelte es sich tatsächlich um die erste Schweizer Rockband mit internationalem Renommee.
Im Unterschied zu Rocker-Kollegen hatte Hepp keine Berührungsängste gegenüber Musikern anderer Genres und Traditionen. So arbeitete er immer wieder auch mit Bandleadern wie Pepe Lienhard oder George Gruntz zusammen. Und er reiste einmal nach Nashville, um ein Album mit der Country-Pop-Produzentin Anita Kerr einzuspielen. Die leidenschaftliche Vielseitigkeit aber widersprach den Marketingkonzepten in der Musikindustrie. Sie stand dem Erfolg mitunter wohl auch im Weg.
Malerei statt Musik
Faszinierend sind in Hardy Hepps Memoiren nicht zuletzt die Kapitel über die sechziger Jahre. «Ich bin kein 68er», so ist eines betitelt. Hier wehrt sich Hepp dagegen, dass in der heutigen Geschichtsschreibung alle Exponenten einer Generation in denselben Topf geworfen würden. Er hingegen unterscheidet zwischen vier «Sippen», die alle einen Teil zu den gesellschaftlichen Bewegungen in der Schweiz beigetragen hätten: die Rock’n’Roller, die Hippies, die Marihuana-Konsumenten und die linken «Politiker». Aufschlussreich sind auch Schilderungen über das Leben in diversen Kommunen und über die Konflikte mit der konservativen Landbevölkerung.
Heute lebt Hardy Hepp in Wallenwil in einer ehemaligen Seidenweberei. Seit zwölf Jahren widmet er sich hier nicht der Musik, sondern seinem zweiten künstlerischen Standbein – der Malerei. Seinen Lehrer an der Kunstgewerbeschule Zürich, Karl Schmid, rühmt er noch heute als wichtigsten Einfluss in seinem Leben. «Am ersten Tag hat er über das schöpferische Nichtstun geredet», berichtet Hepp. «So was hatte ich noch nie gehört, das hat mir gut gefallen.»
Hardy Hepp / Michael Lütscher: Mein Leben als Musiker und Maler. Zytglogge-Verlag, Basel. 368 S., Fr. 46.90. – Eine Ausstellung von Hardy Hepps Bildern ist bis am 22. Februar 2025 in der Galerie Stephan Witschi, Zürich, zu sehen.