Die BBC gerät im Gaza-Krieg oft zwischen die politischen Fronten. Nun räumt der britische Sender bei einem Dokumentarfilm schwere journalistische Fehler ein – und gibt seinen Kritikern neue Nahrung.
Seit den Hamas-Terroranschlägen des 7. Oktobers 2023 und dem Ausbruch des Gaza-Krieges gerät die BBC immer wieder zwischen die politischen Fronten. Regelmässig kommt es vor dem Hauptsitz des öffentlichrechtlichen Senders in London zu Kundgebungen proisraelischer oder propalästinensischer Demonstranten. Konservative Politiker und Exponenten der jüdischen Zivilgesellschaft werfen der BBC eine allzu israelkritische Berichterstattung oder gar strukturellen Antisemitismus vor.
Sympathisanten der Palästinenser behaupten derweil, die BBC fasse israelische Minister in Interviews mit Samthandschuhen an. Ein Bericht linker Aktivisten sprach zudem jüngst von einer einseitig israelfreundlichen Berichterstattung und warf dem für den Nahen Osten zuständigen Redaktor im BBC-Newsroom vor, ein bekennender Bewunderer des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu zu sein. Im September hatte ein konservativer Anwalt einen gegenteiligen Bericht verfasst und der BBC vorgeworfen, sie verharmlose den Terrorismus der Hamas.
BBC räumt «schwere Fehler» ein
Nun hat die BBC dem Vorwurf der Verharmlosung der Hamas gleich selber neue Nahrung gegeben. So musste sich der Sender letzte Woche offiziell für die Verbreitung eines umstrittenen Dokumentarfilms über den Gazastreifen entschuldigen. Die Direktion der BBC leitete eine Untersuchung ein zur Aufarbeitung der «schweren Fehler», die bei der Produktion des Films entstanden seien.
Der Film «Gaza: How to Survive a Warzone» wurde Mitte Februar auf BBC 2 ausgestrahlt, aber bereits wenige Tage später gleich wieder aus der Online-Mediathek des Senders entfernt. Der Grund: Kritiker fanden heraus, dass es sich bei dem 13-jährigen Erzähler des Films um den Sohn des Vizelandwirtschaftsministers der Hamas-Administration handelte.
Mehrfach wurden zudem arabische Aussagen von Protagonisten in den englischen Untertiteln falsch übersetzt – offenbar mit dem Zweck, sie weniger antisemitisch erscheinen zu lassen. Eine Frau, welche die Invasion des Gazastreifens durch die «Juden» beklagte, sprach gemäss der Übersetzung von einer Invasion durch die «israelische Armee». In einer anderen Szene beklagt ein Junge, die «Juden» und die «Hamas» hätten alles zerstört. In der BBC-Übersetzung war von den «Israeli» und der «Hamas» als Zerstörern die Rede.
Beschädigtes Vertrauen
Dass die BBC den Film umgehend zurückzog, stiess nicht nur auf Zustimmung. Eine Gruppe von 650 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens rund um den ehemaligen Fussballstar Gary Lineker und die Regisseure Mike Leigh und Ken Loach bezeichneten den Film in einem offenen Brief an die BBC als «essenziellen journalistischen Beitrag». Die Dokumentation gebe einen seltenen Einblick in das Leben palästinensischer Kinder während des Gaza-Kriegs, was es mit Anerkennung statt «politisch motivierter Zensur» zu würdigen gelte.
Diese Argumentation blendet freilich aus, dass die Fehler bei der Produktion des Dokumentarfilms auch dessen journalistischen Wert beschädigten. Dass der Sohn eines Hamas-Vertreters zum Erzähler erkoren wurde, ohne dass dies transparent gemacht worden ist, schiebt die BBC auf die externe Produktionsfirma ab, welche diese familiäre Verbindung verschwiegen habe. Gleichzeitig räumt der Sender eigenes Versagen bei der Überprüfung der Fakten ein. «Dieser Vorfall hat das Vertrauen in uns beschädigt», schreibt die BBC.
Inzwischen hat sich auch die Labour-Regierung eingeschaltet. Premierminister Keir Starmer gab seiner «Besorgnis» Ausdruck. Medienministerin Lisa Nandy berief eine dringliche Sitzung mit den BBC-Verantwortlichen ein, um auf eine lückenlose Aufarbeitung der Fehler zu pochen. Zudem verlangt die Regierung Zusicherungen, dass im Rahmen von Entschädigungen an Protagonisten nicht etwa britische TV-Gebühren an die Hamas geflossen sind.