Die Jagd auf erfahrene Private Banker mit einem guten Kundenbuch ist voll im Gang. Die EFG lockt bei der Rekrutierung mit einem radikalen Vergütungsmodell.
Es ist das radikalste Kompensationsmodell im Schweizer Private Banking: Der international tätige Schweizer Vermögensverwalter EFG bezahlt Beratern, deren vermögende Privatkunden jährlich Nettoerträge von mindestens einer Million Franken generieren, bis zu 20 Prozent als variable Vergütung aus. Generieren also die Kunden eines Beraters im Jahr netto 1 Million Franken für die Bank, erhält dieser in der Maximalvariante einen Bonus von 200 000 Franken, bei 2 Millionen Franken sind es 400 000 und so weiter. Mit über 140 Milliarden Franken Kundenvermögen gehört die kotierte EFG zu den zehn grössten Vermögensverwaltern im Land.
Das EFG-Modell ist sehr einfach – und transparent. Details zeigt eine bankinterne Präsentation, welche der «NZZ am Sonntag» vorliegt. Entscheidend ist die Höhe der Erträge, welche nach Abzug aller Kosten resultieren. Die Grenze liegt für den einzelnen Kundenberater bei 1 Million Franken. Für Private Banker, die weniger Erträge vorweisen, ist die Dauer massgebend, während deren er oder sie für die Bank tätig ist. In den ersten vier Jahren ist ein Bonus von bis zu 15 Prozent möglich, ab dem fünften Jahr sind es dann noch bis zu 10 Prozent der Nettoerträge.
Private Banker können auch bei anderen Banken hohe Boni verdienen. Eine nicht repräsentative Umfrage bei Schweizer Vermögensverwaltern, Privatbanken und Experten zeigt aber, dass wohl keine andere Schweizer Bank Kundenberater generell mit einem derart hohen prozentualen Anteil entlöhnt wie die EFG. Diese setzt auch in der Rekrutierung stark auf ihr Modell.
Geschäft sehr viel anspruchsvoller geworden
Im Schweizer Private Banking kam es vor einer Dekade zur Zäsur. Das langjährige Schweizer Erfolgsmodell Bankgeheimnis, das den hiesigen Banken über Jahrzehnte hinweg stabile Gewinne in die Kassen gespült hatte, geriet im Steuerstreit mit den USA endgültig unter die Räder. Seither weht den hiesigen Banken im weltweiten Wettbewerb um die reichen und superreichen Privatkunden ein deutlich schärferer Wind entgegen. Zwar hält die Schweiz noch die Spitzenposition als grösster Offshore-Finanzplatz der Welt, weiterhin sind am meisten Gelder ausländischer Kunden in der Schweiz gebucht. Doch andere Finanzplätze wie Hongkong und Singapur holen auf.
Die Betreuung der oft internationalen Privatklientel wird immer anspruchsvoller. Denn diese ist nicht nur verwöhnt und von allen Banken umschwärmt, sondern auch gut vernetzt und bestens informiert. Um solche Kunden an Bord zu holen und zu halten, braucht es erfahrene Kundenberater.
Von denen beklagten sich viele, dass das Geschäft wegen steigender Regeln und Compliance-Vorschriften immer bürokratielastiger werde. Und dass selbst kleinste Fehler, wie das nicht zeitgerechte Anschauen eines E-Learning-Videos, intern mit Negativpunkten und mit Boniabzügen bestraft werde. Gleichzeitig aber messen Investoren und Analysten den Erfolg weiterhin stark am Nettoneugeld und damit an der Fähigkeit einer Bank, neue Kundengelder anzuziehen.
Erfahrene Private Banker mit einem entsprechenden Kundenbuch können sich deshalb ihre Arbeitgeber aussuchen. Ein wesentlicher Faktor für viele ist das Kompensationsmodell. Und hier unterscheiden sich die Schweizer Banken stark.
Kompliziert ist dasjenige der UBS. Laut dem Sprecher Serge Steiner ist der Bonus eines Private Bankers von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig: Konzernergebnis, Ergebnis des Unternehmensbereichs, Teamleistung, individuelle Leistung und persönliches Verhalten. Der grösste Vermögensverwalter der Welt setzt zudem seit dem Steuerstreit mit den USA nicht mehr auf einzelne Berater, sondern auf die Betreuung der Privatkunden durch Teams. So sollen zu enge persönliche Beziehungen zwischen Bankern und Kunden verhindert werden. Damit Kundenberater nicht in Loyalitätskonflikte geraten und Kunden weniger Anreize haben, mit einem Kundenberater zu einer anderen Bank zu wechseln.
Alles im Blick mit dem Vergütungs-Cockpit
Stark zahlengetrieben ist auch das Vergütungsmodell der Bank Julius Bär. Laut der Sprecherin Evelyne Brönnimann ist das Salär abhängig von der nachhaltigen Profitabilität und der Netto-Neugeld-Akquisition. Julius Bär setzt auf ein digitales Vergütungs-Cockpit, das an die Bildschirme von Händlern in Investmentbanken erinnert. Kundenberater und ihre Vorgesetzten können in Echtzeit die Höhe der Erträge ihrer Kunden einsehen wie auch den Einfluss von Produkten und Transaktionen auf die variable Entlöhnung. Auch die EFG-Banker sehen diese Informationen auf ihren Cockpits. Käme es tatsächlich zu der seit Freitag im Markt kolportierten Übernahme der EFG durch Bär, wären die beiden Banken diesbezüglich sicher nicht komplett inkompatibel.
Generell seien die angelsächsisch geprägten Deutschschweizer Vermögensverwalter stark auf Erträge fokussiert, sagen befragte Banker. Sie erzählen von bankinternen Übungen, bei denen immer wieder durchgerechnet werde, wie viel Geld an einem Kunden verdient werde. Aber auch vom «Megalärm» der Chefs, wenn ein Kunde Geld abziehe, selbst wenn er damit nicht zu einer anderen Bank gehe, sondern sich ein Haus oder ein Boot kaufe.
In Genf und Basel lösen Kompensationsmodelle wie dasjenige der EFG eher Stirnrunzeln aus. Die Kultur sei hier anders, heisst es unisono, Cockpit-Systeme für Berater hat offenbar keine der befragten Banken installiert. Kritisiert wird aber auch das Teammodell der UBS, das unter anderem dazu führe, dass schlecht performende Teammitglieder von den guten profitierten, was im Team für Unzufriedenheit sorge.
Simon Roth, Sprecher der Privatbank Pictet, führt an, dass bei der Bewertung der Private Banker nicht nur finanzielle Faktoren, sondern auch Faktoren wie Zusammenarbeit und Respekt angeschaut werden. Neben den individuellen Zielen gebe es seit 1921 eine Beteiligung fast aller Mitarbeitenden am Gesamterfolg der Bank.
Laut dem Sprecher der Privatbank Lombard Odier, Andreas Kessler, ist es zwar bei allen Banken üblich, mit Kundenberatern, vor allem mit neuen, einen mehrjährigen Businessplan aufzustellen. Doch liege der Fokus auf der langfristigen Beziehung zum Kunden und nicht darauf, möglichst viele Erträge zu generieren. Boni würden ausbezahlt, wenn es der Gesamtbank gutgehe. Dem Vernehmen nach soll es keine garantierten Boni geben.
Christoph Gloor, Direktor und Kommanditär bei der Privatbank E. Gutzwiller & Cie in Basel, beschreibt das Modell der EFG als klar und einfach verständlich. «Es ist sehr unternehmerisch und wird ja auch gegenüber den Kunden offengelegt», so Gloor. Zu bedenken gibt er aber, dass bei einem so stark auf die Erträge ausgerichteten Salärmodell augenscheinlich die Kompensation des Kundenberaters im Fokus stehe und nicht der Kunde. Werde der Bonus zu wichtig, bestehe die Gefahr, möglichst viele Erträge zu generieren, die nicht im Interesse des Kunden seien, so Gloor weiter. Bei E. Gutzwiller & Cie entscheiden der Gesamtertrag der Bank und die gute Arbeit aller Mitarbeiter, ob und wie viel Bonus ausbezahlt wird.
Die liechtensteinische LGT, welche das Vermögen des Fürstenhauses verwaltet, schreibt, dass für die Bonusberechnung neben den quantitativen Komponenten qualitative Messgrössen wie die Einhaltung von Richtlinien oder des Code of Conduct genauso wichtig seien.
Andreas Venditti, Aktienanalyst bei Vontobel, hat das Kompensationsmodell der EFG als eine Stärke aufgeführt. «Für gute und erfahrene Kundenberater ist es ein super System», sagt er. Habe ein Banker treue Kunden und verdiene mit diesen gutes Geld, dann könne er bei der EFG am meisten verdienen.
Doch sei das EFG-Modell für den einzelnen Berater auch brutal, da er dauernd volle Leistung abliefern müsse. «Die verhältnismässig hohe Fluktuation zeigt mir klar, dass immer wieder Kundenberater geholt werden, die die Ziele nicht hinkriegen und scheitern.» Der Grund dafür, dass Private Banker nicht genug Neugeld rekrutieren können für die EFG, sieht Venditti auch in den Reputationsproblemen, welche die EFG vor noch nicht allzu vielen Jahren hatte.