Nach dem Zuzug von Jürgen Klopp steht der Getränkekonzern wieder im Fokus. Ein Blick auf das hauseigene Athlete Performance Center, das Athleten wie Marco Odermatt eine Rundumbetreuung bietet.
Seit Red Bull am Mittwoch Jürgen Klopp verpflichtet hat, steht das Imperium des Getränkeherstellers wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit. Klopp soll als «Head of Global Soccer» das weltumspannende Fussball-Netzwerk mit sieben Fussballklubs leiten. Die Verpflichtung des erfolgreichen Trainers ist ein wesentlicher Baustein in der Entwicklung des Geschäftsfelds Sport des österreichischen Getränkekonzerns, das von Oliver Mintzlaff verantwortet wird.
Auch für Einzelsportler gibt es bei Red Bull bereits seit vielen Jahren strategische Ansätze zur systematischen Leistungssteigerung. Sie basieren auf sportmedizinischen und diagnostischen Erkenntnissen. Und werden in der Provinz umgesetzt.
Bloss 6000 Einwohner leben in der Gemeinde Thalgau im Salzburger Flachgau. Hier betreibt Red Bull beinahe unter Ausschluss der Öffentlichkeit sein Athlete Performance Center (APC). Die Verantwortlichen des APC wollten lieber über Sportler und nicht über die Einrichtung an sich reden, sagen sie auf Anfrage.
Dennoch sind zahlreiche Details über die Einrichtung bekannt. Der englische Name bringt ihren Zweck auf den Punkt: Die Athletinnen und Athleten, welche der Getränkekonzern mit Sitz im nahe gelegenen Fuschl als Werbepartner unter Vertrag hat, sollen professionell und umfassend betreut werden. Ob sie nun ihre Leistung steigern oder nach einer Verletzung wieder zu ihrem ursprünglichen Leistungsniveau zurückfinden wollen.
Wie vieles bei Red Bull geht auch das APC in seiner ursprünglichen Form auf eine Idee des Miteigentümers und Masterminds Dietrich Mateschitz zurück, der vor knapp zwei Jahren verstorben ist. Das Marketing-Genie Mateschitz wusste um den schmalen Grat zwischen Erfolg und Misserfolg im Sport und bot seinen Athleten unter anderem modernste sportwissenschaftliche Betreuung an. Die Umsetzung verfolgte Mateschitz wie viele andere Projekte persönlich mit dem ihm eigenen Perfektionismus und finanzieller Grosszügigkeit.
Das Beste für die besten Sportler; wohlwissend, dass sie mit ihren Erfolgen und dem damit verbundenen positiven Imagetransfer auf die Marke Red Bull einzahlen.
Wegen der 1:1-Betreuung ist die Kapazität in Thalgau auf 35 Gäste beschränkt
In der Leistungsdiagnostik und im Trainingszentrum arbeiten mehr als fünfzig Angestellte, unter ihnen Ärzte, Physiotherapeuten, Ernährungsberater, Trainer und Mental-Coaches. Das Zentrum besitzt ein eigenes Blutlabor und speziell für einzelne Sportarten konstruierte Trainingsgeräte. Die Betreuer können auf eine riesige Menge an Daten zurückgreifen, um die Trainingsarbeit nahezu in Echtzeit laufend zu optimieren. Die vielen Experten arbeiten alle vor Ort und vernetzt für die Athleten. Das Betreuungsverhältnis lautet 1:1, jeder Sportler wird jederzeit individuell betreut. Darum ist die Kapazität in Thalgau derzeit auf rund 35 Gäste beschränkt.
Keiner der Red-Bull-Stars ist verpflichtet, das umfassende Leistungsportfolio zu nutzen. Man sei ein Nonprofit-Service-Center für Athleten, so das Selbstverständnis im APC, das zu 100 Prozent im Besitz der Red Bull GmbH steht. Die Radprofis vom Bora-Red-Bull-Team rund um den Slowenen Primoz Roglic gehören ebenso zu den Gästen wie die Red-Bull-Formel-1-Piloten oder aus der Schweiz der Skistar Marco Odermatt und der Leichtathlet Simon Ehammer.
In der Einrichtung treffen regelmässig Olympiasieger und Weltmeister aufeinander. Dass sie sich bei der Trainingsarbeit oder in der Rehabilitation mit Gleichgesinnten aus anderen Disziplinen austauschen können, wird von den Sportlern als weitere Besonderheit des APC beschrieben.
Normalerweise ist eine Anmeldung zwei bis drei Wochen im Voraus erwünscht. In akuten Fällen wie Verletzungen ist die Vorlaufzeit kürzer. Das APC hat noch eine Aussenstelle in Santa Monica, Kalifornien, in Summe werden so 600 Einzelsportlerinnen und Sportler betreut. Die Fussball- und Eishockeyteams haben ihre eigenen spezifischen Einrichtungen.
Sportler wie der österreichische Skispringer Daniel Tschofenig, die bereits mehrere Aufenthalte im APC hinter sich haben, schwärmen von der Professionalität der Rundumbetreuung, dem überall spürbaren Innovationsgeist und der familiären Wohlfühlatmosphäre. «Wenn möglich, bekommt man bei den einzelnen Stationen immer die gleichen Bezugspersonen», sagt Tschofenig, «man fühlt sich wohl, bekommt neue Impulse und hat beim Verlassen das Gefühl, sich weiterentwickelt zu haben.» Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt drei Tage, in besonderen Fällen kann sie sich aber über mehrere Wochen erstrecken.
Zum Start ein Blut-Check, das Programm per QR-Code
Nach dem Check-in müssen sich die Athleten ausser um die Menu-Auswahl um nichts mehr kümmern. Auf einem grossen Bildschirm werden alle Athleten, die sich im Zentrum befinden, namentlich und mit einem QR-Code aufgeführt. Nach dem Scan des QR-Codes wird man mittels einer Web-Applikation durch das individuelle Tagesprogramm geleitet. Die Routine-Checks beginnen meist mit einer Analyse aus dem Blutlabor, dann sehen sich die Ärzte und Physiotherapeutinnen den körperlichen Zustand an, ehe das umfassende individuelle Coaching-Programm beginnt.
Gegenüber den externen Betreuern der Athletinnen und Athleten herrscht volle Transparenz, es findet ein regelmässiger Austausch statt. Untergebracht werden die Gäste in Partnerbetrieben des APC in der Region.
Das Trainingszentrum befindet sich in einem früheren Zinnlegierungs-Betrieb in Thalgau. Wegen seiner individuellen Ausrichtung auf seine Gäste wird es als die Red-Bull-Athletenschmiede bezeichnet. In einem ehemaligen Stallgebäude auf dem Areal befinden sich das Labor und die medizinisch-diagnostischen Einrichtungen. Im Gegensatz zur hochmodernen Einrichtung im Innern ist das äussere Erscheinungsbild des APC so schlicht und unscheinbar, dass man kaum glauben kann, vor einem Unternehmen aus dem Red-Bull-Universum zu stehen. Die Diagnose- und Trainingsmethoden sind naturgemäss immer auf dem neuesten Stand von Wissenschaft und Forschung.
So findet Mitte November in München ein eigenes dreitägiges Symposion unter dem Titel «The Athlete Performance Summit 2024» statt. Dabei werden die neuesten Erkenntnisse aus Sportmedizin und -diagnostik ausgetauscht, um Athleten und Teams erfolgreich zu machen. Das Programm reicht von einer Knie-Session über Beiträge zu Genetik und Stammzellen bis hin zu Datenmanagement und künstlicher Intelligenz in der Sportmedizin.