Manche lieben Spargel, unsere Kolumnistin leidet darunter. Hätte sie doch nur eine Gen-Variation, mit der es ihr erspart bliebe, den faulig riechenden Spargelurin zu bemerken.
Die schrecklichste Zeit des Jahres hat einmal wieder begonnen: Es ist Spargelzeit. Es ist mir schleierhaft, wie manche Menschen freudestrahlend vor mir stehen können und mich allen Ernstes fragen: «Eva, hast du Lust, am Samstag zum Spargelessen zu mir zu kommen?» Auf gar keinen Fall – denke ich dann, stammle aber so etwas wie: «Oh, Samstag, da habe ich leider schon was vor.» Oder auch: «Na ja, ich mag Spargel nicht so gerne. Können wir nicht etwas anderes kochen?» Manchmal ist Letzteres nicht möglich. Zum Beispiel, wenn es sich um ein grosses Fest handelt und sich ein Grossteil der Eingeladenen auf den Spargel freut – warum auch immer.
Ich habe ja grundsätzlich nichts dagegen, Spargel zu essen. Wieso auch? Er schmeckt ganz einfach nach nichts. Finde ich jedenfalls. Aber wenn ich danach auf die Toilette gehe, wird mir total übel von dem Geruch meines Urins. Das ist bei mir kein flüchtiges Phänomen, zwei Tage lang habe ich sicher meine Freude damit. Irgendwann einmal habe ich beschlossen: Das ist es mir nicht wert. Ich verzichte auf Spargel. Dummerweise geht es mir genauso übel, wenn ich die Toilette betrete, nachdem eine Spargelliebhaberin dort gewesen ist.
Nicht alle Menschen produzieren übelriechenden Urin
Dass es anderen Menschen anders geht, dass sie Spargel mögen und sich auf das Essen freuen, kann ich aber auch verstehen. Wenn Menschen wie ich den Geruch ihres Urins nach dem Spargelessen als ähnlich unangenehm empfinden wie den Geruch von faulen Eiern, dann liegt das an Prozessen, die in ihrem Körper ablaufen. Spargel enthält Asparagusinsäure. Verschiedene Enzyme im Körper bauen sie ab – und dabei entstehen übelriechende Abbauprodukte, die wir mit dem Urin ausscheiden. Nicht alle Menschen besitzen diese Enzyme. Diese Glücklichen können Spargel essen, ohne danach die Luft auf der Toilette zu verpesten.
Es ist aber nicht nur so, dass nur bestimmte Menschen die unangenehmen Gerüche produzieren. Es gibt offenbar auch grosse Unterschiede bei der Fähigkeit, die Düfte überhaupt wahrzunehmen. Eine Studie aus den USA hat ergeben: 58 Prozent der männlichen und 61,5 Prozent der weiblichen Studienteilnehmer riechen die Nachwirkungen des Spargelessens überhaupt nicht. Sie haben eine sogenannte Spargelanosmie.
Gen-Variationen schützen vor dem Geruch von Spargelurin
Warum aber nehmen Menschen wie ich den Geruch des Spargelurins wahr und andere nicht? Auf der Suche nach einer Antwort haben die Forscher im Erbgut von Menschen, die den Geruch von Spargelurin nicht bemerken, Variationen im Bereich bestimmter Gene für Geruchsrezeptoren in der Nase festgestellt.
Die Wissenschafter schreiben in ihrem Forschungsfazit, weitere Studien seien nötig, um gezielte Therapien zu entwickeln, damit Menschen mit Spargelanosmie endlich erführen, was ihnen bis jetzt verborgen bleibe.
Ich würde solche Therapien begrüssen. Dann würden die Leute wahrscheinlich endlich aufhören, mich zum Spargelessen einzuladen.
Bereits erschienene Texte unserer Kolumne «Hauptsache, gesund» finden Sie hier.