Wenn die Blätter fallen, die Temperaturen sinken und es früher dunkler wird, fühlen sich viele müde. Expertinnen und Experten geben in unserer mehrteiligen Serie Tipps, wie man dagegen ankommt. Prof. Dr. Christina Spengler, die stellvertretende Leiterin des Instituts für Bewegungswissenschaften und Sport an der ETH Zürich, erklärt diesmal, wieso Sport hilft und wann man solchen treiben sollte.
Oft muss man sich zum Sport aufraffen. Doch hat man die Trainingseinheit hinter sich gebracht, fühlt man sich danach besser als zuvor. Ausserdem kann Sport durchaus auch gegen Müdigkeit helfen: «Studien zeigen: Wer Sport treibt, schläft besser. Und wer besser schläft, ist am nächsten Tag weniger müde», so Prof. Dr. Christina Spengler vom Institut für Bewegungswissenschaften und Sport an der ETH Zürich.
Die biologischen Gründe dafür seien komplex und schwierig zu erfassen: «Was wir in diesem Zusammenhang unter anderem anschauen, ist etwa die Herzfrequenz», so die Professorin. Nach einer Phase von Ausdauertraining wird diese tiefer. Was heisst: Bei einer tieferen Herzfrequenz schlägt das Herz weniger oft, da es pro Schlag mehr Blut in den Körper pumpt. Das wiederum führt zu einem tieferen Ruhepuls, womit die Frequenz gemeint ist, mit der das Herz schlägt, wenn der Körper keiner Belastung ausgesetzt ist.
Zur Person:
Prof. Dr. Christina Spengler
Christina Spengler ist Dozentin und Forscherin an der ETH Zürich am Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie sowie stellvertretende Leiterin des Instituts für Bewegungswissenschaften und Sport. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt unter anderem im Bereich der menschlichen Physiologie in verschiedenen Aktivitätszuständen, vom Schlaf bis zu intensiver körperlicher Aktivität.
Für einen hohen Ruhepuls verantwortlich ist unter anderem der Sympathikus, ein Teil unseres vegetativen Nervensystems. Er wird aktiviert, wenn wir stressigen Situationen ausgesetzt sind. Ihm gegenüber steht der Parasympathikus, der für das Entspannen verantwortlich ist. Um den Ruhepuls tiefer zu halten, muss die Aktivität des Sympathikus demnach gesenkt und diejenige des Parasympathikus erhöht werden. Das funktioniert mittels Sport: «Ausdauertraining führt dazu, dass sich die Balance des vegetativen Nervensystems weg vom Sympathikus, also Stress, hin zum Parasympathikus, also Entspannung, verschiebt», so Spengler. Und das führt wiederum zu einem tieferen Ruhepuls und somit erholsamem Schlaf.
«Lieber Sport irgendwann als nie»
«Sehr intensiver Sport weniger als eine Stunde vor dem Zubettgehen sollte vermieden werden», rät die Professorin. Das könne sich negativ auf die Schlafqualität auswirken. Letztlich sei das aber individuell: «Wenn das Training von moderater Intensität ist, kann es auch näher als diese Stunde an den Schlaf herankommen», so Spengler. Vor allem, wenn man regelmässig Sport mache.
Generell gilt: «Lieber Sport irgendwann als nie.» Fehlende Bewegung erhöhe nämlich die Wahrscheinlichkeit, früher zu sterben, da das Risiko für Herz-Kreislauf- oder Stoffwechselerkrankungen steige, so Spengler. «Wenn man hingegen früh genug damit anfängt, kann Sport Demenz vorbeugen. Und ausserdem wirkt Sport antidepressiv.»
Bewegung mit moderater Intensität kann einfach in den Alltag integriert werden, wenn man beispielsweise den Arbeitsweg dafür nutzt. Etwa, indem man ins Büro radelt oder einfach ein paar Stationen früher aus Bus oder Tram aussteigt und den letzten Abschnitt durch zügiges Gehen bestreitet. «Es reichen 15 Minuten am Morgen und am Abend. Dadurch hat man die körperliche Aktivität, die auch gesundheitsrelevant ist, bereits drin», sagt die Dozentin.
Besser im Wald als in der Stadt
Derzeit empfohlen sind nämlich laut Spengler 150 Minuten moderates oder 75 Minuten intensives Training pro Woche. «Wenn es um das Allgemeinbefinden geht, man sich fitter fühlen möchte, dann ist es wichtig, dass die Bewegung über die Woche verteilt wird», so Spengler. Insbesondere, wenn man sich nicht oft bewegt.
Wo es einen Monat oder länger dauert, bis sich der Trainingseffekt etwa in Bezug auf mehr Ausdauer oder grössere Muskelkraft bemerkbar macht, kann es sein, dass man sich bereits nach einer Woche mehr Bewegung besser fühlt. Dieses Gefühl kann durch den Ort, an dem man Sport treibt, weiter verstärkt werden: «Vom Beruhigungsmechanismus her ist es besser, im Wald Sport zu treiben als in der Stadt. Das Grüne und die Natur haben zusätzlich zur Bewegung selber einen positiven Effekt», so Spengler.
Wer viel Sport treibt, sollte sich dazwischen unbedingt Pausen gönnen: «Macht jemand ein Leben lang nichts und beginnt dann plötzlich, jeden Tag eine halbe Stunde intensiv Sport zu treiben, dann kann das zu einem Übertraining führen», so die Professorin. Dieser Zustand sei einem Burnout ähnlich. Dieses Phänomen kenne man von Spitzensportlern.