Ob SVP, Corona-Leugner oder «Remigration»-Aktivisten: Die neue Medienplattform will ein Forum sein für Meinungen jenseits des Mainstreams. Den eigenen Ansprüchen wird sie noch nicht gerecht.
Demokratien funktionieren nur auf der Basis von Meinungsfreiheit und Medienvielfalt. Seit den digitalen Umbrüchen aber ist es immer schwieriger geworden, einen unabhängigen Journalismus zu finanzieren. Insofern muss man froh sein über neue Medienplattformen wie Hoch2.tv. Sie ist in Niederbipp stationiert, versucht aber aus der Berner Provinz heraus rechte Kreise im ganzen deutschsprachigen Raum zu erreichen.
Neue Medienunternehmen sind meist angewiesen auf Spender und Sponsoren. Das erklärt, weshalb sie mit missionarischen Idealen auf den Plan treten und ihren potenziellen Anhängern versprechen, den Journalismus zu retten oder gar neu zu erfinden. Mit hochtrabender Rhetorik haben sich vor gut sechs Jahren die Initianten des linksliberalen Online-Magazins «Republik» an die Öffentlichkeit gewandt. Ähnliche Töne schlägt man auch bei Hoch2.tv an, das 2023 am rechten Rand des politischen Spektrums lanciert wurde.
Pathos eines Bundesbriefs
Auf der Website findet man die «Vision» der Betreiber. Während andere Medien von einer «ehrlichen Berichterstattung» abgerückt seien und in Richtung staatlicher Abhängigkeit drifteten, wolle man mit Hoch2.tv «wieder wahrhaften Journalismus betreiben». In der Aufzählung der eigenen Ansprüche steigern sich die Betreiber in ein Pathos, das an den Bundesbrief gemahnt. Sie wollen kritisch sein; sie wollen unabhängig sein; sie wollen ehrlich sein; sie wollen schnell sein. Sie wollen sogar offen sein – «denn Offenheit ist die Basis der Meinungsvielfalt».
Hinter das letzte Gelöbnis mag man bald ein Fragezeichen setzen. Wer sich durch die Website klickt, findet Kritik an der staatlichen Corona-Politik, an der WHO, an den «Mainstreammedien» und der «Wokeness». Entsprechend oft kommen Persönlichkeiten aus der SVP, aus dem Dunstkreis der Corona-Skeptiker und aus esoterischen Winkeln zu Wort. Diese Milieus dominieren die Stossrichtung von Hoch2.tv.
So findet man auf der Website unter «Gesundheit» einen Artikel über den beschränkten Nutzen von Gesichtsmasken in Zeiten der Pandemie. Unmittelbar daneben ist ein Videobeitrag über das Handauflegen platziert, das von einem Heiler als probates Mittel gegen fast alles angepriesen wird. Und unter «Wirtschaft» erfährt man, dass die Transgender-Agenda auch bei bekannten Markenfirmen angekommen sei – offenbar nicht zu deren Vorteil, wie der Titel suggeriert: «Go Woke, Go Broke».
Es gibt auch eine «News»-Seite auf Hoch2.tv. Der Anspruch auf Schnelligkeit wird hier durch das Bestreben konterkariert, möglichst auch positive Nachrichten zu verbreiten: im Video-Format «Lichtblick». Offenbar ist das nicht immer leicht. Der letzte «Lichtblick» datiert vom 21. März. Die Journalistin Regina Castelberg berichtet von einem Treffen in Brunnen vom 9. März: Fünfhundert freiheitsliebende Personen seien zusammengekommen – «mehr als erwartet». Unter ihnen Mitglieder der Bewegung Mass-voll, eine «mystische» Musikgruppe, sodann Freiheitstrychler und, «extra aus Deutschland angereist», die Allgäuer Freiheitstrommler.
Im Zentrum von Hoch2.tv stehen Video-Interviews. Der Musiker Patrick von Castelberg etwa spricht mit dem Filmer Luke Gasser über ein Wilhelm-Tell-Projekt. Sofort verkündet der Interviewer, dass die beiden gewiss einige Berührungspunkte hätten, und diese gelte es zu ergründen. Wie sich bald zeigt, gehört dazu auch der Konsens in Sachen «Plandemie» – wie sie es nennen.
Zumeist werden die Gespräche mit Prominenten aus Politik, Wirtschaft und Kultur allerdings von Philipp Gut geführt, dem profiliertesten Redaktor des Senders. Gut scheint per se keine Linken oder Grünen interviewen zu wollen. Oder haben die ihm bisher stets einen Korb gegeben? Unter seinen Gästen fanden sich zunächst immerhin noch nüchterne Autoritäten wie die Psychologin Julia Onken oder der Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann.
In den letzten Wochen und Monaten hingegen führte Philipp Gut vermehrt Gespräche mit Exponenten der extremistischen Rechten. Zweimal auch mit dem Österreicher Martin Sellner, dem berüchtigten Vordenker der sogenannten Remigration. Philipp Gut forderte den Gesprächspartner dabei nicht durch kritische Fragen heraus, er fungierte bloss als Stichwortgeber. Wenn Sellner von «Migrationslobby» oder «Asylindustrie» sprach, wurden die Schlagworte vom ehemaligen «Weltwoche»-Redaktor dankbar abgenickt. Und wenn Sellner zu Putin und Selenski schweigen wollte, musste er sich nicht weiter erklären.
Konspirative Heiterkeit
Sie sind alle so nett auf Hoch2.tv. Das zeigte sich jüngst auch in einem Interview mit Nils Fiechter, dem Präsidenten der Jungen SVP. Wenn Gut seine Fragen stellte in seinem schwerfällig-ungeschliffenen Hochdeutsch, mischte sich immer wieder ein Grinsen oder Glucksen zwischen die Wörter – als handle es sich bei der Politik seines Gastes um einen Bubenstreich. Während diese konspirative Lustigkeit an Guts ehemaligen Chef Roger Köppel erinnerte, schien Fiechter mit seinem gravitätischen beidhändigen Gestikulieren sein Idol Christoph Blocher imitieren zu wollen.
Christoph Blocher ist der Übervater der SVP geblieben. Auch für Ueli Maurer, der ihn im Gespräch mit Philipp Gut als grossen Analytiker der Schweiz bezeichnet. Auf Hoch2.tv wird das Interview mit Maurer im Moment quasi als Filetstück präsentiert. Wer sich durch die Website klickt, begegnet ihm jedenfalls überall. Besonders freuen mag man sich beim Sender an Maurers Kernaussage, wonach die Schweizer Mainstream-Medien Hofberichterstattung für den Bundesrat betrieben. Aber Hofberichterstattung – das charakterisiert nun auch die journalistische Praxis von Hoch2.tv gegenüber der SVP.