Setzt der künftige US-Präsident Donald Trump seine politischen Pläne wie angekündigt um, dürfte die Inflation steigen. Welche Folgen dies für seine Politik und für die Börse haben könnte.
Mehr Wachstum, höhere Defizite, höhere Schulden – und letztlich höhere Inflation. Mit diesen Folgen rechnen Finanzexperten, wenn Donald Trump als frisch gewählter US-Präsident seine politischen Pläne umsetzt.
Nach seiner Wahl am 5. November haben die Aktienbörsen jubiliert, in dieser Woche hat der US-Leitindex S&P 500 aber bereits einen Drittel dieser Gewinne wieder abgegeben. Die Marktteilnehmer seien bereits etwas weniger optimistisch, was höhere Unternehmensgewinne während der Trump-Präsidentschaft angehe, heisst es in einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg. Auch ist die Inflation in den USA im Oktober leicht gestiegen, was den Hoffnungen auf deutliche Zinssenkungen der US-Notenbank Federal Reserve einen Dämpfer versetzt hat.
Nach der Euphorie scheinen die Börsianer nun also etwas nüchterner auf die wirtschaftspolitischen Pläne von Trump zu blicken.
Höhere Defizite, noch höhere Schulden
Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin, rechnet mit einer weiteren Ausweitung der Haushaltsdefizite der USA in den kommenden Jahren. Damit dürften auch die US-Staatsschulden weiter steigen. Der US-Think-Tank Committee for a Responsible Federal Budget ging Ende Oktober davon aus, dass die auf rund 35,7 Billionen Dollar gestiegenen Staatsschulden während der Präsidentschaft von Donald Trump bis 2035 um weitere 7,75 Billionen Dollar zulegen dürften – vorausgesetzt, er setzt seine Pläne wie angekündigt um.
«Die US-Staatsschulden laufen komplett aus dem Ruder», sagt Fredy Hasenmaile, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz. Dieses Risiko werde massiv unterschätzt. Wenn es problematisch würde, kämen die USA an Steuererhöhungen nicht vorbei. Auch durch mehr Effizienz im Beamtenapparat liesse sich das Problem nicht lösen. Dieses Thema will der Tesla-Chef Elon Musk für die neue Regierung angehen.
Höhere Inflation als Folge?
Die Inflation ist in den USA nach dem rasanten Anstieg nach dem Ende der Corona-Pandemie in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Allerdings hat sie im Oktober dieses Jahres gegenüber dem Vormonat um 0,2 Prozentpunkte auf 2,6 Prozent zugelegt – sie liegt also weiterhin auf einem leicht erhöhten Niveau.
Junius geht davon aus, dass Trumps Politik zu einer höheren Inflation führen könnte. «Das Radikalste an Trumps Programm ist die Zollpolitik», sagt er. Protektionismus führe letztlich zu höheren Preisen.
Trump werde seine Wahlversprechen umzusetzen versuchen und vor allem gegenüber China die Zölle erhöhen, sagt Hasenmaile. Alle seine Pläne, von der geplanten protektionistischen Handelspolitik über die Steuersenkungen bis zur Abschiebung von Migranten, dürften für höhere Inflation sorgen. Die Bank JP Morgan geht davon aus, dass alleine ein Zoll von 60 Prozent auf chinesische Produkte sowie ein solcher von 10 Prozent auf alle übrigen Importgüter die US-Inflation im kommenden Jahr um 1,5 bis 2 Prozent erhöhen dürften.
Die Begrenzung der Einwanderung in die USA oder gar die Abschiebung von Sans-Papiers könnten über höheren Lohndruck die Teuerung zusätzlich anheizen. In diesem Fall hätten die Arbeitnehmer in den USA eine bessere Verhandlungsbasis für höhere Löhne.
Trump könnte Druck auf das Fed machen
Auf höhere Inflationszahlen könnte wiederum die US-Notenbank Federal Reserve mit einer strafferen Geldpolitik reagieren. Davon gehen auch die Finanzmärkte aus. Seit der Präsidentschaftswahl seien die Erwartungen für Zinssenkungen des Fed im Jahr 2025 weiter zurückgegangen, heisst es in einer Analyse von RBC Blue Bay Asset Management. In den Futures-Preisen seien nur noch Senkungen im Umfang von 0,5 Prozentpunkten enthalten. Dies erscheine angesichts der geplanten Politik von Trump logisch. Der künftige Pfad deute indessen weiterhin eher auf Zinssenkungen denn auf Zinserhöhungen hin.
Viele Marktbeobachter erwarten, dass Trump – wie während seiner ersten Amtszeit – erheblichen Druck auf die US-Notenbank ausüben dürfte. «Trump hat keinen Respekt vor den Institutionen, das hat er in seiner ersten Amtszeit mehrfach bewiesen», sagt Hasenmaile. Folglich könnte er durchaus die Unabhängigkeit des Fed angreifen.
Junius glaubt indessen nicht, dass Trump das Federal Reserve entmachten oder seinen Präsidenten Jerome Powell entlassen werde. Dies dürfte auch an den Finanzmärkten wenig wohlwollend aufgenommen werden. «Allerdings könnte Trump das Fed wieder als Sündenbock nutzen, wenn die Wirtschaft nicht stark genug wächst», sagt er.
Inflation könnte disziplinierend wirken
Allerdings könnte eine höhere Inflation auf Trump auch disziplinierend wirken. Dass die Teuerung beim Volk gar nicht gut ankommt, haben gerade erst die US-Präsidentschaftswahlen gezeigt: Die höhere Inflation gilt als wichtiger Grund für die Niederlage von Kamala Harris. Laut Raiffeisen ist das Preisniveau in den USA seit der Wahl von Präsident Joe Biden im Jahr 2020 kumuliert um 21 Prozent gestiegen.
Auch für Trump könnte die Inflation zur Achillesferse werden. «Höhere Inflation ist im Volk sehr unpopulär, da ist Trump am anfälligsten», sagt Junius. Ihm sei derzeit nicht klar, wie Trump seine protektionistische Handelspolitik umsetzen wolle, ohne dass die Inflation deutlich steige.
In den Präsidentschaftswahlen schoben die Wähler die höhere Inflation offensichtlich der Regierung von Biden und Harris in die Schuhe. Hasenmaile weist darauf hin, dass das 2,2 Billionen Dollar grosse Konjunkturprogramm unter Trump im März 2020 nur wenig kleiner war als die beiden Programme unter Biden, die auf ein Volumen von 2,8 Billionen Dollar kamen. Folglich hatte auch Trump durchaus seinen Anteil an der gestiegenen Inflation.
«Das Einzige, was Trump stoppen kann, ist die Wall Street», sagt Hasenmaile. Dazu gehörten beispielsweise sinkende Aktienkurse oder ein scharfer Anstieg der Anleihenrenditen. «Würde die Inflation steigen, könnten die Renditen von Anleihen deutlich anziehen», sagt er. Ein wichtiges Signal könnte auch sein, wenn die Rating-Agenturen mit einer Herabstufung der Bonität der USA drohen würden.
UBS rechnet mit höheren US-Aktienkursen
Junius erwartet indessen, dass die Aussichten auf die Steuersenkungen und Deregulierungen von Trumps Regierung die Aktienmärkte auf absehbare Zeit weiter stützen könnten. Die UBS rechnet sogar damit, dass der S&P 500 bis Ende 2025 auf den Stand von 6600 Punkten steigen wird – dafür verantwortlich könnten ein solides Wachstum in den USA, niedrigere Zinsen und eine weiter anhaltende Begeisterung über die künstliche Intelligenz (KI) sein. Am Freitagabend notierte der S&P 500 bei 5866 Punkten.
Bei den Anleihen zeigt sich derweil, dass viele Investoren mit höherer Inflation und langsameren Zinssenkungen des Federal Reserve rechnen. Die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen sind von rund 3,8 Prozent Anfang Oktober auf 4,45 Prozent am Freitag gestiegen.