Um die Renten langfristig zu sichern, müssen Arbeitnehmer in Zukunft länger arbeiten. Das funktioniert aber nur, wenn die Chefs mitspielen.
Zu den grössten Sorgen des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes gehören zwei Dinge: erstens der Mangel an Arbeitskräften und zweitens die finanzielle Schieflage der AHV. Die beiden Themen mögen auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben. Doch es gibt einen Zusammenhang. Will man die AHV langfristig auf eine stabile Basis stellen, führt nichts an einer Erhöhung des Rentenalters vorbei. Und wenn die Leute länger arbeiten, hat dies den willkommenen Nebeneffekt, dass auch der Arbeitskräftemangel gemindert wird.
Vier von fünf Kündigungen für Ältere
Eine Anpassung des Rentenalters an die steigende Lebenserwartung, wie dies die am 3. März zur Abstimmung gelangende Renteninitiative der Jungfreisinnigen verlangt, kann somit zur Lösung beider Probleme beitragen. Die Rechnung geht aber nur auf, wenn die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen tatsächlich länger als bis 65 Jahre erwerbstätig bleiben können. Gefordert sind hier die Arbeitgeber. Spielen die Chefs nicht mit, führt ein höheres Rentenalter nicht zuletzt zu höherer Langzeitarbeitslosigkeit bei Senioren. Das dient niemandem.
Wie ernst ist es den Firmen mit der Beschäftigung älterer Personen? Neue Daten legen den Verdacht nahe, dass einige ihren Worten keine Taten folgen lassen. So hat der Outplacement-Berater von Rundstedt – er wird dann gerufen, wenn Firmen ihr Personal abbauen – diese Woche seine Statistik für 2023 publiziert. Dabei stechen zwei Beobachtungen ins Auge: Nach dem Post-Corona-Boom der Jahre 2021 und 2022 kommt es wieder verstärkt zu Restrukturierungen. Und bei Abbaumassnahmen sind es vor allem ältere Arbeitnehmer, die eine Kündigung erhalten.
In Zahlen heisst das: 80 Prozent aller Mitarbeiter, die 2023 im Zuge eines Personalabbaus die Stelle verloren haben, waren älter als 40 Jahre. Demgegenüber entfielen nur 2 Prozent der Kündigungen auf Angestellte unter 30 Jahren. Auch bei der Suchdauer für eine neue Arbeitsstelle wird die Hypothek des Alters deutlich sichtbar. So müssen ältere Arbeitslose länger Ausschau halten, bis sie Unterschlupf bei einem Unternehmen finden. Die Polarisierung zwischen Jung und Alt habe 2023 wieder zugenommen, lautet das Fazit des Beratungsunternehmens.
Bewerber müssen perfekt sein
Verschärft wird diese Polarisierung durch das «zero gap»-Verhalten vieler Unternehmen. Gemeint ist, dass Firmen oft keinerlei Abweichung mehr dulden zwischen dem Anforderungsprofil einer Stelle und der Qualifikation eines Kandidaten. Wenn nicht jedes einzelne Kriterium erfüllt ist, heisst es rasch, man habe kein passendes Dossier erhalten – und müsse daher im Ausland rekrutieren. An einer Fachtagung an der ETH Zürich wurde unlängst beklagt, es fehle Betrieben zusehends die Bereitschaft, eine Qualifikationslücke durch eine Ausbildung «on the job» zu schliessen.
Wenn Firmen immer wählerischer werden und nur noch Bewerber mit perfektem Lebenslauf akzeptieren, wird sich der Arbeitskräftemangel im Inland nie beheben lassen, denn die Zahl perfekter Menschen ist in einem kleinen Land wie der Schweiz naturgemäss klein. Und wenn das Beharren auf einer hundertprozentigen Übereinstimmung zwischen Wunschprofil und Kandidat zusehends auch das Alter erfasst, hat die Ü-50-Generation schlechte Karten. So weit ist es zwar noch nicht. Die Von-Rundstedt-Zahlen zeigen aber, dass die Gefahr real ist.
Dabei spricht die Demografie eine klare Sprache: Menschen werden immer älter, und will man die AHV in die Zukunft retten, muss länger gearbeitet werden. Dies als Arbeitgeber politisch einzufordern, ist einfach. Schwieriger ist es, bei Restrukturierungen das Fallbeil nicht reflexartig bei älteren – und meist teureren – Angestellten niedersausen zu lassen. Arbeitgeber müssen den Tatbeweis liefern, dass sie an älteren Mitarbeitern interessiert sind. Tun sie das nicht, fehlt der Rückhalt für ein höheres Rentenalter. Und das kann sich die Schweiz nicht leisten.