Ob Fichte oder Lärche – Holz für den Hausbau schont das Klima. Inzwischen entstehen sogar schon Hochhäuser aus dem ehrwürdigen Material, auch in der Schweiz. Doch das ist erst der Anfang.
Holz wird als nachhaltiger Baustoff immer beliebter. Es wächst nach, ist in den heimischen Wäldern verfügbar und kann vor allem eines: langfristig grosse Mengen CO2 speichern. Europaweit wird immer mehr mit Holz gebaut, auch in der Schweiz und in Deutschland. Doch während die Nachfrage nach Holz steigt, leiden die Wälder zunehmend unter den Folgen des Klimawandels – wie lässt sich das vereinbaren?
Schon beim Betreten des kleinen Hauses strömt einem der Duft von Holz entgegen. In nur zwei Wochen wurde der Pavillon auf dem Gelände des ehemaligen Berliner Flughafens Tegel errichtet – komplett ohne Zement, Beton oder Stahl. Dafür mit Holzbausteinen aus Schwachholz, Schadholz und Altholz, die wie Legosteine aufeinandergesteckt wurden.
Die Idee stammt vom Stuttgarter Startup Triqbriq. Seine Holzbausteine, genannt Briqs, ermöglichten es, stabile Aussenwände schnell, flexibel und günstig zu bauen, erklärt Lewin Fricke von Triqbriq, während er den Holzpavillon von innen zeigt. Nach dem Gebrauch lassen sich die Bausteine einfach auseinandernehmen und wiederverwenden.
Der Holzpavillon, auch CRCLR HUT genannt, ist der erste Bau aus Holz auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel. Drei Monate lang finden hier Workshops zum zirkulären und nachhaltigen Bauen statt.
Doch das ist nur der Anfang: In den kommenden Jahren wächst auf dem Gelände neben einem Forschungs- und Industriepark auch eines der grössten Holzviertel der Welt. Geplant sind über 5000 Wohnungen für mehr als 10 000 Menschen, dazu Kitas, Schulen, Cafés, Sportanlagen und vieles mehr.
Der Holzbau erlebt eine Renaissance
Der Holzbautrend erobert nicht nur Berlin, sondern ganz Europa: In Schweden entsteht mit der Stockholm Wood City ein riesiges Viertel aus Holz. In Norwegen ragt seit 2019 das bisher höchste Holzhochhaus der Welt in den Himmel, und im Rotterdamer Lloyd-Quartier wächst das 50 Meter hohe Holzwohngebäude Sawa.
«Wir erleben eine wahre Renaissance des Holzbaus», sagt Andrea Frangi, Bauingenieur und Professor für Holzbau an der ETH Zürich. In der Schweiz werden bereits rund 20 Prozent der Neubauten aus Holz errichtet, in Deutschland sind es etwa 12 Prozent.
Holz als Baustoff wird immer bedeutender, weil es nachwächst, regional verfügbar ist, der Luft CO2 entzieht und dieses langfristig speichert. «Ein Kubikmeter Holz speichert etwa 0,7 bis 0,9 Tonnen CO2», erklärt Frangi. Wird Holz als Baustoff eingesetzt, wird der Kohlenstoff über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte im Gebäude eingelagert. Erst wenn das Holz verrottet oder verbrannt wird, gelangt das CO2 wieder in die Atmosphäre.
Holz sei ausserdem viel leichter als Beton oder Stahl, was Transportkosten senke und das Eigengewicht der Bauwerke reduziere, erklärt Frangi. Holzbauteile könnten in Werkstätten präzise vorgefertigt werden, was die Bauzeit erheblich verkürze und gleichzeitig die Qualität erhöhe. Das führe auch zu weniger Lärm, Schmutz und Verkehrsbelastung auf der Baustelle, so Frangi.
Trotz all diesen Vorteilen bleibt Beton weltweit das meistgenutzte Baumaterial – vor allem wegen der niedrigen Kosten. «Beton ist günstiger als Mineralwasser», bemerkt Frangi. Das Problem: Zement, der Hauptbestandteil von Beton, verursacht 5 bis 8 Prozent der globalen CO2-Emissionen – mehr als der internationale Flugverkehr. Deshalb sei es wichtig, verstärkt auf Holz zu setzen, um das Bauwesen zu dekarbonisieren, betont Frangi.
Gibt es genug Holz in den Wäldern?
Allein in Deutschland sollen jährlich 400 000 neue Wohnungen entstehen, so das Ziel der Bundesregierung. Gleichzeitig leiden die Wälder aufgrund des Klimawandels immer stärker unter Dürren und Käferplagen. Wie passt das mit der steigenden Nachfrage nach Holz zusammen?
«Deutschland hat immer noch einige der grössten Holzvorräte in Europa. Also ja: Es gibt genug Holz in unseren Wäldern, um den Holzbau weiter voranzutreiben oder sogar auszubauen», sagt Sebastian Rüter vom Institut für Holzforschung am Thünen-Institut in Hamburg.
Durch die Dürre- und Schädlingsschäden der letzten Jahre mussten grosse Mengen befallener oder abgestorbener Bäume gefällt werden. Dieses sogenannte Kalamitätsholz fiel laut Rüter in so grossen Mengen an, dass die heimische Holzverarbeitungsindustrie nicht genug Kapazitäten hatte, um es vollständig zu nutzen. Die Folge: Grosse Teile des Holzes wurden ins Ausland exportiert, statt es im Inland zu verwenden.
Hinzu kommt, dass die Wälder widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel werden müssen. Viele bestehen aus Monokulturen. Vor allem Fichtenplantagen sind durch Dürre, Hitze und Schädlingsbefall stark geschwächt. Diese Bäume müssen entfernt werden, um Platz für widerstandsfähigere Baumarten zu schaffen. Anstatt das Holz ungenutzt verrotten zu lassen oder nur zur Energiegewinnung zu nutzen, wäre es sinnvoller, es beispielsweise direkt im Bauwesen einzusetzen, sagt Rüter.
Auch in der Schweiz gebe es genug Holz, meint Andrea Frangi von der ETH Zürich. «Der Wald ist die grösste Fabrik der Schweiz.» Jährlich werden dort 10 Millionen Kubikmeter Holz produziert, von denen derzeit rund 5 Millionen Kubikmeter geerntet werden. Es sei also noch Holzreserve vorhanden, sagt er. Um nachhaltig zu bauen, sei es vor allem wichtig, auf Holz aus nachhaltig bewirtschafteten heimischen Wäldern zu setzen und nicht auf Importe aus dem Ausland.
Zirkuläres und ressourcenschonendes Bauen
Dennoch ist der Bauingenieur der Ansicht: «Holz allein wird die Welt nicht retten.» Auch Beton, Stahl und andere Materialien seien je nach Bauanforderung notwendig, sie sollten nicht verteufelt werden. Die grösste Herausforderung bestehe in Zukunft darin, insgesamt mit weniger Material zu bauen und Ressourcen zu sparen. «Es ist entscheidend, Gebäude so zu planen, dass Bauteile wiederverwendet und nicht einfach entsorgt werden», sagt Frangi – Stichwort zirkuläres Bauen.
Der Holzpavillon, der CRCLR HUT in Berlin, zeigt, wie das aussehen kann. Die Boden- und Dachelemente bestehen aus rezykliertem Glas und mineralisierten Holzspänen. Fenster und Türen wurden aus Rückbauprojekten gewonnen. Auch die Dämmung ist nachhaltig – aus Holzfaser-Dämmplatten. Ausserdem wurden wiederverwertbare Teppichfliesen und eine Echtholzfassade, die nach Sauna duftet, eingebaut. Über 90 Prozent der verwendeten Materialien sollten am Ende zurückgebaut und in neuen Projekten wiederverwendet werden, so Lewin Fricke von Triqbriq.
Die Idee sei sinnvoll, da das Startup Triqbriq rezykliertes Holz und Altholz wiederverwende und somit das Material im Kreislauf halte, sagt Sebastian Rüter vom Thünen-Institut. Das Holz könne zurückgebaut und erneut genutzt werden. «Je weniger Aufwand nötig ist, um einen Baustein oder ein Produktsystem im Kreislauf zu halten, desto besser.»
Schweiz mit Vorreiterrolle im Holzbau
Andrea Frangi ist überzeugt: In den kommenden Jahren könnte die Schweiz im Holzbau weltweit eine Vorreiterrolle einnehmen. Das Land verfüge über erstklassige Ausbildungseinrichtungen und hochqualifizierte Fachkräfte im Holzbau.
Ein Vorteil sind auch die Brandschutzvorschriften in der Schweiz, die flexibler sind als in anderen Ländern. Seit 2015 darf Holz hierzulande in allen Gebäudekategorien eingesetzt werden, da der nachhaltige Holzbau gefördert werden soll. Die Sicherheit des Gebäudes wird durch moderne Technologien wie Sprinkleranlagen, Rauchmelder und spezielle Brandschutzbeschichtungen gewährleistet, die das Holz im Brandfall schützen. «Wir haben äusserst liberale Brandschutzvorschriften für den Holzbau – die besten weltweit. Diese erlauben es uns, problemlos mehrgeschossige Holzgebäude zu realisieren», erklärt Frangi.
Derzeit seien viele innovative Holzbauprojekte in der Schweiz in Planung, die auch international Aufmerksamkeit erregten, sagt Frangi. Dazu zählen etwa das Hortus-Gebäude in Allschwil – ein Bürogebäude aus Holz und Lehm – und das geplante 100 Meter hohe Holzhochhaus Rocket in Winterthur, das das weltweit Höchste seiner Art werden soll. Und am Flughafen Zürich soll ein Dock aus Holz entstehen.
Frangi begleitet selbst den Bau des Pi in der Stadt Zug, zwischen Luzern und Zürich. Das reine Holzhochhaus soll in zwei bis drei Jahren 80 Meter in die Höhe ragen. «Wir forschen viel in diesem Bereich und könnten in Zukunft bis zu 150 Meter hohe reine Holzhochhäuser bauen. Das ist technisch möglich», sagt Frangi.
Die Bauwende bedeutet nicht, komplett auf Holz zu setzen, sondern, insgesamt klüger und ressourcenschonender zu planen. Die nachhaltigste Lösung wäre natürlich, gar nicht mehr zu bauen, betonen sowohl Rüter als auch Frangi. Doch das sei nicht realistisch. Rüter sagt: «Wir können nicht ignorieren, dass Menschen Wohnraum brauchen.»
Ein Artikel aus der «»