Von Kneipp zum Hype
Kaltbaden ist das neue Wellnessen geworden. Sechs Hotels in Europa setzen bereits darauf.
Kälte als Körpertraining hat derzeit Konjunktur: Das zeigt die Tiktok-Euphorie rund um #coldplunge, bei der Stars wie Harry Styles oder Hailey Bieber in ihre Garten-Eistonne steigen. Oder natürlich auch die stetig wachsende eingeschworen-unverfrorene Anhängerschaft des holländischen Eisbad-Gurus Wim Hof.
Beherzt ins kalte Wasser zu steigen – gab’s das nicht schon einmal?Von Kneipp zum Hype.
Natürlich bringt schon eine kalte Dusche im Badezimmer den Kreislauf in Schwung. Aber Abhärten geht eben auch glamouröser. Wir haben Adressen für Eisbad, Kneipp und Co. in Frankreich, Österreich, Italien, Deutschland und der Schweiz ausgesucht, in denen es sich – für Eisbad-Einsteiger unter kenntnisreicher Anleitung, bitte keine Risiken eingehen! – aufs Schönste frieren lässt. Also Badesachen an. Mütze auf. Und ab in die Kälte.
1. Hotel Krallerhof in Österreich: Breath Work und Biohacking
«Longevity» nennt Hoteldirektor Christian Altenberger das Schlagwort, auf das sich sein Pinzgauer Familienbetrieb Krallerhof ausrichtet. Vor allem seit im 5-Sterne-Haus vergangenen Juni der spektakuläre Spa-Bau von Hadi Teherani Architects eingeweiht wurde: 2500 zusätzliche Spa-Quadratmeter (zu den bestehenden 1800 Quadratmetern im Haupthaus) unter gewölbtem Stahl, aussen grasüberwachsen, innen verkleidet mit heimischer Linde und Sichtbeton.
Die Glasfront öffnet sich zum Natursee, den mittig ein 50 Meter langer beheizter Infinity Pool kreuzt. Allein schon des Pools wegen scheint Longevity – die Befähigung, bis ins hohe Alter gesund und leistungsfähig zu bleiben – erstrebenswert: Wer möchte hier nicht noch viele Jahre kraulen können.
Retreats sollen das Instrumentarium dafür liefern, etwa das fünftägige Programm rund um Biohacking, Atemtechniken und Eisbaden, das Wim-Hof-Instruktor Sukkhadas Ingo Auer gemeinsam mit Biohacker Max Gotzler im Krallerhof anbietet.
Bei den vom Leistungssport inspirierten Methoden des Biohackings dreht sich alles um Selbstoptimierung – ob über jahrhundertealte Methoden oder Hightech.
Nahrungsergänzungsmittel können somit genauso gut ein Biohack sein wie Sonnenlicht. Oder eben Kälte. Atemübungen gehen dem Eisbad in der Gruppe voraus. «Langsam atmen, den Atem halten beim Einstieg, nicht in Schockatmung verfallen», gibt Sukkhadas zuletzt mit.
Buchautor Gotzler erinnert an die «Zweier-Regel»: «Nicht kälter als zwei Grad Celsius, nicht länger als zwei Minuten und immer zu zweit.» Also mit der Retreat-Gruppe zum Hotelsee, ein Loch in die Eisdecke – und dann mutig hinein ins frostklirrende Nass. Herunterfahren. Das Atmen kontrollieren. Den Fokus inwärts. Und dann, wieder draussen: schreien vor Glück.
Hotel Krallerhof, Leogang, Österreich, DZ/Nacht ab 524 Euro, inkl. ¾-Pension
2. Hotel Lily of the Valley: die Kälte-Kür an der Côte d‘Azur
Das Mittelmeer hat zwar selbst im Januar noch immer 12 Grad, trotzdem greifen wir gerne auf die Neopren-Ausrüstung des 5-Sterne-Hauses «Lily of the Valley» zurück, bevor wir uns hineinwagen. «Longe Côte» heisst unser Training, übersetzt also einfach «die Küste entlang», in diesem Falle die südfranzösische.
Genau da waten wir, brusthoch im Wasser, linker Hand Sandstrand, Pinienwälder, Felsenformationen. rechter Hand sprühendes, brechendes, klatschendes Nass. Den Sport soll sich ein Ruderer aus Dünkirchen ausgedacht haben, als Ausgleich für mangelnde Rudermöglichkeiten im Winter. Er wollte eine einfache Übung, die dennoch, dem Wasserwiderstand sei Dank, alle Muskeln trainiert.
Kurz denkt man dann an das 2000-Quadratmeter-Spa des Hotels, die spektakulären Pools und Strandliegen wie aus einem Wes-Anderson-Film. An den grandiosen Blick über das Mittelmeer. Aber im «Lily of the Valley» bedeutet sich etwas Gutes tun nun mal, den Fokus aufs Wellness-Health-Programm rund um Gewichtsverlust zu bewahren.
Und aufs Mittelmeer nicht nur zu schauen, sondern sich hineinzustürzen. Auch – vor allem! – im Winter. Wenn dies nur der wahre Abenteurer tut. Das trainergeführte Coaching beginnt am hauseigenen Strandabschnitt, gleich beim Beach Club, von Philippe Starck eingerichtet und daher ebenso lässig-bohemian wie das wenige Shuttle-Minuten entfernte Haupthaus auf einer Anhöhe.
Lily of the Valley, La Croix-Valmer, Frankreich, DZ/Nacht mit Frühstück für 550 Euro
3. Maylife Medical Health Resort: Kältekammer-Mut in Salzkammergut
Spätestens seit die australische Schauspielerin Rebel Wilson hier so spektakulär abgenommen hat, ist das Diätprogramm dieses F.X.Mayr-Kurkonzepts, nun ja, in aller Munde: gekochte Kartoffel, geräucherter Fisch, Gemüsebrühe am Abend. Alles mindestens 40-mal kauen (auch die Petersilie in der Brühe, man nimmt, was man kriegen kann).
Den Darm sanieren, die Selbstheilungsprozess des Körpers anwerfen, den Lebensstil optimieren, all das kann man in diesem Medical Spa im steirischen Salzkammergut. Es ist ein freundliches Haus, viel Glas, viel Holz, viel buntes Polsterwerk, in das man sich hineinkuschelt und Nahrungsergänzungsmittel zählt.
Die Diät ist zwar der wichtigste Hebel, aber im Therapieplan wird auch auf Kälte zurückgegriffen: vor allem auf die Kryotherapie, bei der man drei Minuten bei bis zu – 110 Grad in einer Kältekammer vor sich hin wippt, in Badekleidung, dicken Pantoffeln, Handschuhen, Nasenschutz und Mütze: Der Kältereiz löst eine intensive Reaktion des Körpers mit umfassender Wirkung auf den Stoffwechsel aus, wirkt aber auch bei Arthrosen, milden Depressionen, Schlafstörungen oder Neurodermitis.
«Wir versuchen, die Zellen und Zellbestandteile zu erneuern», erklärt die therapierende Ärztin Clarissa Eisenbach. «Das funktioniert, wenn man den Körper in eine Notsituation bringt.» Und Kälte wirke mental: «Adrenalin wird freigesetzt, ein Hochgefühl stellt sich ein.»
Sie selbst gehe allerdings lieber Eisbaden in der freien Natur im Altaussee: «Der Blick auf den Berg hilft, ruhig zu werden und nur langsam auszuatmen.» Man denke zwar, es wäre gut, sich zu bewegen, um nicht auszukühlen, sagt die junge Ärztin warnend: «Aber im kalten Wasser wird es einem kälter, wenn man sich viel bewegt.»
Ihr Tipp: «Besser einfach im Wasser stehen, die Hände unter die Achseln, vielleicht Neoprensocken an die Füsse und die Stirn schützen.» Ringsum Berge, schneeverwehte Tannenspitzen und Bootshäuser. Und heute zeigt der lange Steg des Seehotels – im Sommer mit Sonnenschirmen und Liegen bestückt – nur die Spuren nackter Füsse im Schnee.
Maylife Medical Health Resort, Altaussee, Deutschland, DZ/Nacht ab 580 Euro
4. Lüsnerhof: Kneippen im Bach in Südtirol
Das südtirolische Lüsen, auf einem Sonnenplateau auf 1100 Metern Höhe gelegen, ist zwar nur 15 Minuten von Brixens Stadtzentrum entfernt, aber doch weit weg von allem. Und einmal angekommen im Lüsnerhof, einem nachhaltig gebauten 4-Sterne-Superior-Haus aus Lärchen- und Zirbenholz (im eigenen Wald geschlagen), Lehmwänden und Dolomitgestein, möchte man sowieso nur noch abschalten und von nichts mehr was wissen.
Ausser natürlich vom Hotel-Superlativ schlechthin, dem längsten Saunapfad der Alpen: 300 Meter lang reihen sich hier Schwitzhütte, Yoga-Jurte, Infrarot-Gondel und Co. den Gargitter-Bach bis zum Wald entlang, zumindest im Sommer. Im Winter sei der Parcours hangaufwärts immerhin noch 150 Meter lang, schätzt Hotelier Franz Hinteregger.
Unterhalb der wildromantischen Bachsauna hat Hinteregger einen Kneipp-Parcours im Bach angelegt, samt Wasserfall, kleinen Tauchbecken und genug Platz zum Kaltwassertreten. Über ein Zugseil wird mit einer Blechkanne von der Sauna aus Wasser aus dem Bach geschöpft.
An den Holzgeländern am Bach glitzern die Eiszapfen, und steht man unter dem Wasserschwall mit dem eiskalten Bachwasser, entwischt dem einen oder anderen womöglich ein befreiter Schrei. Kälte oder Jubel? Ach, egal. Tut ja beides gut.
Hotel Lüsnerhof, Lüsen, Südtirol, Italien, DZ/Nacht ab 358 Euro
5. Cervo Mountain Resort: Ganz unverfroren am Matterhorn
Vielleicht kostet ein Eisbad hier tatsächlich noch einmal mehr Überwindung als anderswo. Denn schliesslich hätte man den gleichen sensationellen Blick aufs Matterhorn auch vom japanischen Onsen aus – und da hat’s nun mal 40 Grad und keine Eisdecke, die vielleicht sogar erst aufgeschlagen werden muss, was am Naturteich im Hotelgarten des Cervo Mountain Resort schon vorkommen kann.
Aber gut. Es geht hier ja um glamouröses Abhärten. Und das gelingt in diesem Fünf-Sterne-Haus am Nordostfuss des Matterhorns, oberhalb des Zermatter Dorfkerns, eben besonders gut: die prämierte Architektur der hangaufwärts gestaffelten Holz-Lodges.
Das Mountain Ashram Spa, in dem verschiedenste Badekulturen zusammenfinden: skandinavische Saunakunst, orientalische Behandlungen, das Dampfbad mit Schweizer Kräutern. Und eben das japanische Onsen. Das Wasser wird jeden Abend abgepumpt, um über Nacht keine Energie zu verschwenden (das Cervo ist Gründungsmitglied der Responsible Hotels of Switzerland).
Bis Ende März gibt es das Package Eisbaden & Aufguss, immer mittwochs. Der Instruktor unterrichtet nach der Wim-Hof-Methode und ist individuell buchbar, man kann aber auch ohne Anleitung ins Eisbad.
Crevo Mountain Resort, Zermatt, Schweiz, DZ/Nacht ab 350 Franken.
6. Schloss Elmau: Kälte und Konzerte
Was denn wohl die knappste Ressource auf dieser Welt sei, stellt Hotelier Dietmar Müller-Elmau am Frühstückstisch die Frage. Und antwortet gleich selbst: der Sinn. Daher sei ihm das historisch gewachsene Literatur- und Musikprogramm seines Fünf-Sterne-Hauses in den Bayerischen Alpen auch so wichtig: 200 klassische Konzerte (und Jazz-Abende) von Musikergrössen finden jährlich auf Schloss Elmau statt.
Es gibt aber noch mehr Erfreuliches: ein zweifach besterntes Hotelrestaurant. Sechs separate Spas. Acht Pools. Sogar einen abgeschirmten Bereich fürs Nackt- und Sonnenbaden. Und weit unterhalb des Hotels (und der Holzbank, auf der Barack Obama im G-7-Zwiegespräch mit Angela Merkel sass) steht die Ferchenbach-Sauna am gleichnamigen Bergbach.
Dort führt Spa-Direktor Johannes Mikenda Interessierte ins Eisbaden ein. Die Stelle im Fechenbach ist vertieft, so dass sich das Wasser direkt vor der Blocksauna staut und eine kleine Badestelle bildet, in der man zwischen Fischlein in sehr klarem, sehr kaltem Wasser brusthoch stehen kann.
Schnee liegt in der Luft, doch dem Sportwissenschafter scheint die Kälte nichts auszumachen: «Ich selbst bin bereits mit zehn Jahren beim Bergsteigen in die Seen gehüpft und habe früh gemerkt, dass mir das gut tut.»
Wer dennoch strauchelt, nun, die Sauna ist nicht weit. Und ausserdem bietet ja gerade Schloss Elmau auch Erquickungen ganz anderer Art. Also wieder anziehen, schick. Und ab ins Konzert. Dann beleben wir heute eben nicht den Körper. Sondern nur den Geist.
Schloss Elmau, Krün, Deutschland, DZ/Nacht ab 550 Euro. Das Ice Bathing Retreat beinhaltet neben weiteren Workouts täglich eine individuelle Eisbad-Session mit einem Experten – je nach Wetterlage in der Ferchenbachsauna oder dem Kaltwasserbecken im Badehaus. 1275 Euro (zzgl. zum Zimmerpreis) bei 5 Nächten.