Nach der Petition einer katholischen Hilfsorganisation schliessen sich die notorisch zerstrittenen Sozialdemokraten und Konservativen zu einer seltenen Allianz zusammen.
In Spanien könnten bald Hunderttausende illegal im Land lebende Einwanderer einen regulären Aufenthaltsstatus bekommen. Grund dafür ist eine Unterschriftensammlung, die die katholische Hilfsorganisation Caritas 2021 mitinitiiert hatte. Rund 700 000 Spanierinnen und Spanier unterzeichneten die Petition, die auch von der spanischen Bischofskonferenz und mehreren Regional- und Kommunalpolitikern unterstützt wird.
Die regierenden Sozialdemokraten von Ministerpräsident Pedro Sánchez sowie die oppositionelle Volkspartei standen dem Ansinnen bisher eher ablehnend gegenüber. Doch der breite gesellschaftliche Konsens und wiederholte Proteste von Migrantengruppen, letztmals am vergangenen Dienstag vor dem spanischen Parlament, zeigten Wirkung. Mit Ausnahme der Rechtspopulisten von Vox stimmten alle Parteien dafür, ein Gesetz für die ausserordentliche Legalisierung von bis zu 500 000 Zuwanderern auf den Weg zu bringen. Die meisten von ihnen stammen aus lateinamerikanischen Ländern wie Venezuela, Kolumbien, Honduras oder Ecuador und reisten als Touristen ein. Aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen wollen sie jedoch nicht in die Heimat zurück.
Eine Million illegal Eingewanderte erhielten 2005 regulären Aufenthaltsstatus
Die letzte grosse Legalisierung in Spanien fand im Jahr 2005 statt. Damals erteilte die Regierung des sozialistischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero fast einer Million Menschen, die ohne reguläre Papiere in Spanien lebten, einen regulären Aufenthaltsstatus. Die Regierung wollte damals vor allem die Schwarzarbeit eindämmen. Die Betroffenen mussten damals allerdings nachweisen, dass sie sich mindestens seit sechs Monaten im Land aufhielten und eine Arbeit gefunden hatten.
Bei der neuerlichen Legalisierung geht es weniger um Schwarzarbeit, sondern mehr um die prekären Zustände, unter denen die sogenannten «Sin Papeles» oder Sans-Papiers leiden. Immer wieder kam es in den letzten Jahren in Elendssiedlungen aus Wellblech- oder Holzbuden, in denen ausländische Erntearbeiter zusammengepfercht ausharren, zu Bränden. Unter dem Druck der EU haben die Behörden in den letzten Monaten begonnen, die Elendssiedlungen abzureissen, ohne den dortigen Bewohnern allerdings eine Alternative anzubieten. Von einem regulären Aufenthaltsstatus erhoffen sich die Befürworter nun, dass die Betroffenen leichter Zugang zum Arbeitsmarkt finden.
Illegale Zuwanderung steigt
Die Gesetzesinitiative löst freilich nicht das Problem der steigenden illegalen Zuwanderung in das Land. Allein in den ersten drei Monaten des Jahres legten rund 16 000 Menschen an der spanischen Küste, zumeist auf den Kanarischen Inseln, an. Das sind fast viermal so viele wie im Vorjahreszeitraum. Gleichzeitig zeigen offizielle Zahlen, dass kaum illegal Eingewanderte ausgeschafft werden. In den letzten vier Jahren wurden gerade einmal 123 Migranten ohne reguläre Papiere ausgeschafft. Obwohl es Rückführungsabkommen mit Marokko oder Senegal oder seit kurzem auch mit Mauretanien gibt, greifen diese nicht, weil die Ankömmlinge bei der Überfahrt ihre Pässe vernichten, was ihre Identifizierung und Rückführung erschwert.
Bei den Sozialisten gibt man sich entsprechend vorsichtig: «Wir wollen jetzt keinen Blankocheck für Zuwanderung ausstellen», so der Fraktionssprecher Patxi López. Ein Land wie Spanien brauche Einwanderer und werde sie immer brauchen, um wirtschaftlich zu bestehen, so López. Bei den Sozialisten ist man sich auch bewusst, dass der parlamentarische Vorstoss im Widerspruch mit der gerade verabschiedeten Asylreform der EU steht, die den Aufenthalt von Zuwanderern ohne Papiere in Europa erschweren und nicht erleichtern soll.
Die konservative Opposition des Partido Popular hatte sich daher stets gegen eine Masseneinbürgerung ausgesprochen, um nicht einen Anziehungseffekt zu erzeugen. Doch Caritas habe die Konservativen direkt um ihren Beistand gebeten, daher sei man umgeschwenkt, hiess es beim PP. Man setze aber alles daran, den Einwanderern klarzumachen, dass die illegale Zuwanderung in Zukunft nicht automatisch mit einem Einbürgerungs- und Bleiberecht enden werde.