Der Sohn des amerikanischen Präsidenten versuchte 2016 das amerikanische Aussenministerium für die Interessen des ukrainischen Energiekonzerns Burisma einzuspannen. Dass die Sache erst kurz nach dem Ausscheiden von Joe Biden aus dem Wahlkampf publik wird, sorgt für Irritationen.
Hunter Biden, der Sohn des amerikanischen Präsidenten, soll laut der «New York Times» im Jahr 2016 die amerikanische Botschaft in Italien um Hilfe beim Einfädeln eines Energie-Deals in der Toskana gebeten haben. Joe Biden war damals Vizepräsident unter Barack Obama und zuständig für die Ukraine. Hunter Biden sass zu jener Zeit im Vorstand des ukrainischen Erdgaskonzerns Burisma, der sich schwertat, die notwendigen Bewilligungen für ein Geothermieprojekt zu erhalten. Also bat Hunter Biden den damaligen Botschafter der USA in Rom, John Phillips, ihm beim Herstellen eines Kontaktes zum Gouverneur der Region Toskana, Enrico Rossi, behilflich zu sein.
Versuch, die Position seines Vaters auszunützen
Die Botschaft reagierte allerdings zurückhaltend. «Ich will vorsichtig sein und nicht zu viel versprechen», antwortete ein Botschaftsangestellter laut der «New York Times». «Das ist eine ukrainische Firma, und nur schon, um uns zu schützen, sollte sich die US-Regierung nicht aktiv bei der italienischen Regierung dafür einsetzen.» Die Botschaft empfahl ihm, sich zuerst an das Doc Advocacy Center zu wenden, das Programm der Regierung zur Unterstützung von amerikanischen Unternehmen, die Geschäfte mit ausländischen Regierungen tätigen möchten.
Hunter Biden habe mehrere Personen um die Anbahnung eines Kontaktes zu Rossi gebeten, sagte sein Anwalt Abbe Lowell. Die Anfrage sei angemessen gewesen, da Biden lediglich um eine Kontaktherstellung gebeten habe. Laut Lowell kam es letztlich zu keinem Treffen, und das Projekt wurde nicht realisiert. Ein Sprecher des Weissen Hauses sagte, der Präsident habe nicht gewusst, dass sein Sohn sich im Namen von Burisma an die amerikanische Botschaft in Italien gewandt habe.
Hunter Biden hatte immer wieder versucht, seine Position als Sohn von Joe Biden für Geschäfte und Vermittlungsdienste auszunützen, und hatte dabei sowohl sich selbst wie auch seinen Vater wiederholt in Schwierigkeiten gebracht. Die Republikaner im Repräsentantenhaus stellten gar diesbezügliche Nachforschungen an im Hinblick auf ein Amtsenthebungsverfahren von Joe Biden.
Zeitpunkt der Veröffentlichung irritiert
Im Juni war Hunter Biden in einem Strafprozess wegen illegalen Waffenbesitzes für schuldig befunden worden. Dabei wurde auch seine frühere Drogensucht wieder einmal öffentlich thematisiert. Ausserdem läuft ein Verfahren gegen ihn, weil er seine Bundessteuern zwischen 2016 und 2020 nicht fristgerecht bezahlt habe. Im September wird er sich deswegen vor Gericht verantworten müssen. In diesem Zusammenhang wurden auch all seine zum Teil dubiosen Einnahmen in Millionenhöhe während dieser Jahre öffentlich – Bezahlungen von Burisma, aber auch im Zusammenhang mit anderen Auslandgeschäften, etwa in China.
Eine brisante Frage ist, warum Hunter Bidens Aktivitäten in Italien ausgerechnet jetzt publik wurden, kurz nachdem Joe Biden im Präsidentschaftswahlkampf ausgeschieden war. Die «New York Times» hatte das Aussenministerium bereits im Jahr 2021 um Unterlagen im Zusammenhang mit Hunter Bidens Auslandgeschäften gebeten.
Ein Anlass war auch Hunter Bidens dubioser Laptop gewesen, den er 2019 zur Reparatur in Delaware gegeben hatte. Weil er das Gerät nicht abholte und der Geschäftsführer stutzig wurde, als er all die verdächtigen Dokumente sah, übergab er den Laptop dem FBI. Nach und nach wurden E-Mails auf dem Laptop publik, die nahelegten, dass er seinen berühmten Namen dazu genutzt hatte, lukrative Aufträge zu ergattern. Aber auch nach mehrmaligem Nachfragen der «New York Times» machte das Aussenministerium nur wenige aussagekräftige Dokumente publik – bis jetzt.
Eine Sprecherin des Aussenministeriums sagte, dass die Veröffentlichung der Dokumente zeitlich fast mit dem Rückzug Joe Bidens aus dem Rennen zusammenfalle, sei ein Zufall. Die «New York Times» hält die Erklärung für plausibel. Ende 2022 waren beim Aussenministerium 19 000 Anfragen um Einsicht in Dokumente hängig. Die Gesuche werden oft erst nach Jahren bearbeitet. Laut einer Auskunftsperson der «New York Times» war die jüngste Veröffentlichung schon vor Wochen beschlossen worden; die offizielle Freigabe erfolgte in der Woche vor Bidens Ausscheiden aus dem Rennen. Angesichts der Überlastung der Abteilung und der Unvorhersehbarkeit von Bidens Rückzug sei ein taktisches Timing unwahrscheinlich, schreibt die «New York Times».







