Der Autor Ole Nymoen würde nie für Deutschland in den Krieg ziehen: Kein Staat ist ihm das wert. Bei einem Auftritt in Berlin verteidigt er seine Position, für die er als narzisstisch und verwöhnt kritisiert wird.
In Deutschland wird es vorerst keine Wiedereinführung der Wehrpflicht geben. So steht es im Koalitionsvertrag der künftigen Regierung von CDU/CSU und SPD. Der deutsche Autor und Podcaster Ole Nymoen, 27, stellt sich trotzdem vor, wie es wäre, wenn er Militärdienst leisten müsste. Es wäre unvorstellbar.
Nymoen geht noch weiter und malt sich aus, was er täte, wenn es Krieg gäbe und er eingezogen würde. Gegen diese Möglichkeit wehrt er sich, und zwar mit einem Buch. «Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde» heisst es, erschienen ist es im Rowohlt-Verlag. Darin legt Nymoen dar, weshalb er mit der «neuen Kriegstüchtigkeit», die Verteidigungsminister Boris Pistorius gefordert hatte, nichts anfangen kann.
Er habe keine Lust, auf Menschen zu schiessen, die ihm nichts angetan hätten, sagt der Autor. Oder im Kampf getötet zu werden. Als Soldat würde er nicht die eigenen Interessen verteidigen, sondern die eines Nationalstaates, mit dem er sich in keiner Weise identifiziere. Und für den er sich also auch nicht aufopfern wolle.
Ein schmutziger Frieden sei besser, als tot zu sein, legte Nymoen in einem Interview mit der «Berliner Zeitung» nach, in dem er auf die «kriegsmüden» Ukrainer verwies.
Selbstbezogen und empathielos
Nymoens Buch wird seit Erscheinen Mitte März heftig diskutiert, der Autor sitzt in Talkshows und wiederholt seine Ansichten in den Feuilletons. Neben viel Zuspruch von Leuten, die seine Sorgen teilen, trägt ihm seine Position auch viel Kritik ein.
Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk wirft Nymoen Hedonismus vor. Der Islamforscher Reinhard Schulze spricht von «narzisstischer Empathielosigkeit». Der Comedian Johannes Schröder bezeichnete Nymoen im WDR als «Germany’s Next Putin Troll».
Viele sehen in Nymoen den Vertreter einer Generation, wie sie der Philosoph Richard David Precht kürzlich beschrieben hat. Die heute Geborenen seien «Kinder einer Überflussgesellschaft und einer Hochsensibilisierungsgesellschaft». Mit anderen Worten: zu verwöhnt und verweichlicht, um wehrtüchtig zu sein.
Er nennt sich Sozialist
Flott frisiert, filigrane Brille, weisses Hemd und Anzug, so stellt sich Ole Nymoen am Montagabend im Renaissance-Theater in Berlin den Fragen von Jakob Augstein, dem Verleger und Geschäftsführer der linken Wochenzeitung «Der Freitag». Viele Leute im Publikum sehen eher so aus, als wären sie 1968 mit «Make Love Not War»-Schildern auf die Strasse gegangen.
Nymoen, der Wirtschaftswissenschaften und Soziologie studiert hat und gerne Marx zitiert, erklärt seine Staatskritik. Er würde nicht aus Gewissensgründen den Dienst verweigern und notfalls fliehen, sondern wegen des «Gewaltverhältnisses», das der Staat zu seinen Bürgern habe. Die herrschende Klasse zwinge die Bürger zum Dienst an der Waffe, ob sie dazu bereit wären oder nicht. «Der Staat ist mir das nicht wert.» Wer die Kriegstüchtigkeit bejahe, lasse zu, dass der Staat ihn im Ernstfall «über die Klinge springen lässt für seine Souveränität».
Augstein wirft seinem Gast Zynismus und Verbitterung vor. Dass es auch darum gehen könnte, eine Idee von Gemeinwesen zu schützen und freiheitliche Werte zu verteidigen in einem Staat, der für einen sorgt, wenn man die Arbeit verliert; in dem man fast umsonst studieren und wo man seine Meinung frei äussern kann – das lässt Nymoen nicht gelten. «Ich bin lieber weniger frei als tot», sagt er einmal.
Keine Lust auf gemeinnützigen Dienst
Ob ihm das Wort Heimat etwas bedeute? Tatsächlich ja. Demokratie? Darunter verstehe er Partizipation, was bei einer Wehrdienstpflicht nicht gegeben sei. Auch einem sozialen Jahr, in dem er der Gesellschaft «mit einer Klobürste in der Hand» etwas zurückgibt, wie es Augstein vorschlägt, kann Nymoen nichts abgewinnen. Nach diesem Jahr heisse es ja wieder: jeder gegen jeden. Es folgt etwas Kapitalismuskritik.
Bei der Medienschelte sind sich Augstein und Nymoen dann wieder einig. Viele Journalisten übernähmen kritiklos die Sicht des Staates. Es sei irritierend, wie das Heldentum «erotisiert» werde (Augstein) und man bei der Kriegsberichterstattung für eine Seite die Daumen drücke, «als handle es sich um ein Fussballspiel» (Nymoen).
Bemerkenswert ist auch, wie unbeirrt hier einer für einen Pazifismus plädiert, der in vielem unbedarft wirkt. Bei den anschliessenden Publikumsfragen entsteht der Eindruck, dass Nymoen doch eine Form von Kampf austrägt, nämlich für die anderen. Damit bedient er all jene, die glauben, Putin habe das Recht, die Ukraine zu unterwerfen und man könne ja doch nichts tun.
Viele Zuhörer danken Nymoen schliesslich, dass er sich der kriegsbereiten Stimmung entgegenstelle. Er würde seine Zeit auch lieber für Sinnvolleres nutzen, sagt er. So tönt ein Märtyrer.