Die Freiheitsstrafe für einen inzwischen 26-Jährigen, der im November 2017 einen tödlichen Unfall verursacht hat, wurde auf 4 Jahre und 6 Monate gesenkt.
Am 4. November 2017 war ein damals 19-jähriger Schweizer in seinem Fiat Bravo mit mindestens 1,14 Gewichtspromille Alkohol intus auf der A 4 in Richtung Schaffhausen unterwegs. In seinem Auto fuhren ein Kollege und zwei Frauen im Alter zwischen 16 und 21 Jahren mit. Zuvor hatten sie in Zürich im Club Q zusammen gefeiert. Um etwa 5 Uhr morgens überholte der Lenker bei Humlikon einen korrekt mit 80 km/h fahrenden Sattelschlepper rechts über den Rastplatz Kreuzstrasse.
Mitfahrer erlag Verletzungen
An dieser Stelle ist die A 4 in Richtung Schaffhausen einspurig geführt. Wegen des zu hohen Tempos geriet der Fiat in der Kurve nach dem Rastplatz in ein unkontrolliertes Schleudern. Er kollidierte mit dem Sattelzug-Anhänger und prallte danach auf der Gegenfahrbahn in einen korrekt entgegenkommenden VW Polo. Der 21-jährige Mitfahrer rechts auf der Rückbank im Fiat erlag vier Tage später seinen Verletzungen im Spital. Vier weitere Beteiligte wurden verletzt.
Im zweitinstanzlichen Prozess vor dem Zürcher Obergericht hatte der Beschuldigte auf die Frage, was er mit der Berufung erreichen wolle, erklärt: «Ich habe schon eine genug grosse Strafe.» Diese werde ihm sein ganzes Leben lang zu schaffen machen. Er habe seinen besten Freund verloren. Zum Unfallhergang sowie dazu, wieso er sich alkoholisiert hinter das Lenkrad gesetzt und was er sich vor dem Unfall überlegt hatte, machte er wie vor Vorinstanz auf Anraten seines Verteidigers keine Aussagen.
Der Prozess am Obergericht fand vor rund einer Woche statt, nun hat das Richtergremium das unbegründete Urteilsdispositiv veröffentlicht: Der beschuldigte Schweizer Gerüstbauer ist inzwischen 26 Jahre alt geworden, er hatte vor wenigen Tagen Geburtstag. Das Obergericht hat seine Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 2 Monaten auf 4 Jahre und 6 Monate gesenkt. Der Verurteilte hat bisher noch keinen Tag abgesessen.
Wie die Vorinstanz hat auch das Obergericht den jungen Mann nicht wegen eventualvorsätzlicher Tötung verurteilt, wie es die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, sondern «nur» wegen fahrlässiger Tötung. Hinzu kommen die Straftatbestände mehrfache Gefährdung des Lebens, fahrlässige schwere Körperverletzung und qualifizierte grobe Verletzung von Verkehrsregeln. Wie das Obergericht zu diesem Schluss gekommen ist, bleibt vorerst unklar. Die schriftliche Begründung steht noch aus.
Dem Urteil ist weiter zu entnehmen, dass von der Abnahme einer DNA-Probe und der Erstellung eines DNA-Profils abgesehen wird. Andere Entscheide der ersten Instanz des Bezirksgerichts Andelfingen, die nicht angefochten worden waren, sind bereits rechtskräftig.
Vergleich mit russischem Roulette
Der Sonderstaatsanwalt verlangte vor Obergericht eine Freiheitsstrafe von 6 Jahren für vorsätzliche Tötung. Die Vorinstanz hatte «nur» auf fahrlässige Tötung erkannt. Er könne das nicht nachvollziehen, erklärte der Staatsanwalt. Als er die Akten gelesen habe, habe er spontan an russisches Roulette gedacht, sagte er.
Ein übermüdeter und alkoholisierter Junglenker habe sich für eine halsbrecherische und lebensmüde Fahrt über einen Rastplatz entschieden. «Wie viel krasser muss denn das Verhalten noch sein, um als eventualvorsätzlich zu gelten?», fragte er. «Wenn man die Unfallfotos der Autos anschaut, staunt man, dass überhaupt jemand überlebt hat.»
Der Verteidiger beharrte in seinem Hauptantrag auf Straflosigkeit für seinen Mandanten. Er kleidete seine Begründung zwar in sorgfältig gewählte Worte, sagte aber letztlich sinngemäss, der Beschuldigte sei zu dumm, um bestraft zu werden. Dieser habe schon seit seiner Kindheit im Alltag und der Schule mit einer starken Einschränkung seiner kognitiven Fähigkeiten zu kämpfen gehabt. Durch diese Einschränkung habe er bei der Unfallfahrt das Risiko nicht vorausgesehen.
Mit dem Tod seines besten Freundes sei der Beschuldigte bereits lebenslänglich bestraft und in seiner Persönlichkeit derart schwer getroffen, dass eine Strafe durch das Obergericht unangemessen wäre. Er sei zwar der unbewussten fahrlässigen Tötung und der unbewussten fahrlässigen Körperverletzung schuldig zu sprechen. Auf eine Strafe sei aber zu verzichten.
Urteil SB230291 vom 22. 3. 2024, noch nicht rechtskräftig.