Im Grand Prix von Spanien fahren zwar beide Piloten der französischen Equipe in die Punkte, doch das ist zu wenig für die Verantwortlichen des Mutterkonzerns Renault. Der schillernde und umstrittene Briatore soll als Berater einen Aufschwung bringen.
Es wird immer enger an der Spitze der Formel 1, nur in der Statistik drückt sich das noch nicht aus. Max Verstappen hat in Spanien im zehnten Saisonrennen seinen siebenten Sieg errungen. Im Ziel hatte er noch 2,2 Sekunden Vorsprung auf Lando Norris im McLaren, der auf der Pole-Position gestanden hatte, die Führung aber gleich nach dem Start hergeben musste.
Die Gegner kommen Red Bull Racing also in einzelnen Rennen näher, weil das Weltmeisterteam in technischer Hinsicht ein wenig ins Straucheln geraten ist. Das untermauerte am Sonntag auch der dritte Platz von Lewis Hamilton, der es im Mercedes heuer erstmals aufs Podest schaffte. Doch Verstappens Vorsprung in der WM-Wertung ist mit 69 Punkten nach wie vor komfortabel.
THAT’S THE SEVENTH WIN OF THE SEASON FOR MAX 👏👏👏#F1 || #SpanishGP pic.twitter.com/eh6mQcsy5L
— Oracle Red Bull Racing (@redbullracing) June 23, 2024
Eine Personalie, die Spannung erzeugt
Immer wenn sich die Spannung in einem Rennen aus Taktik und Reifenwechseln speist, lechzt das Formel-1-Publikum nach zusätzlicher Unterhaltung. Und diese Hoffnung wurde jüngst nicht enttäuscht, weil der Alpine-Rennstall eine überraschende Personalie verkündete – die kriselnde französische Equipe stellte einen neuen Berater mit klingendem Namen vor: Flavio Briatore. Der schillernde Italiener feiert auf Wunsch der höchsten Renault-Ebene, die Alpine vorsteht, im Alter von 74 Jahren sein Comeback im Grand-Prix-Zirkus.
Aus diesem war Briatore 2009 mit Schimpf und Schande vertrieben worden, nachdem er als Teamchef des damaligen Renault-Teams dafür verantwortlich gemacht worden war, dass die Strategen Nelson Piquet jr. absichtlich einen Unfall provozieren liessen, um dadurch dem Briatore-Schützling Fernando Alonso den Sieg zuzuschanzen. Das sogenannte Crashgate beschädigte das Image der Serie und von Renault, weshalb der Automobilhersteller Briatore damals entliess. Die lebenslange Sperre hielt jedoch vor zivilen Gerichten nicht lange stand. Briatore bestreitet bis heute eine aktive Beteiligung an dem Vorfall.
Der Lebemann konzentrierte sich nach seinem erzwungenen Abschied aufs Nachtklub-Geschäft und kaufte Anteile an Fussballklubs. Er hatte privat wie üblich Affären und kurierte gesundheitliche Probleme aus. Die Verbindung zur Formel 1 riss aber nie ab. Immer noch berät er Alonso. Auch ist er der Botschafter für die Formel 1, seit sein Landsmann Stefano Domenicali in der Königsklasse das Sagen hat.
Briatore ist eine umstrittene Figur, aber auch eine mit Erfahrung. Er hatte in den neunziger Jahren Benetton an die Spitze der WM geführt, Michael Schumacher zum Doppelweltmeister gemacht, und er konnte das im neuen Jahrtausend mit Alonso und Renault wiederholen. Selten ging es dabei ohne Ärger ab, die Härte trägt Briatore nicht nur in der Stimme.
Die Berufung nun bei Alpine, der Sportmarke von Renault, hat er seinen Kontakten zu Luca de Meo zu verdanken, der als CEO des Staatskonzerns an seinem Rennteam verzweifelt und deshalb eingriff. Innerhalb eines Jahres wurde die komplette Führungsmannschaft bei Alpine ausgetauscht, erst langsam scheint sich mit der Notlösung Bruno Famin wieder etwas nach vorne zu bewegen.
Sich im hinteren Mittelfeld zu bewegen und den schwächsten Motor zu haben, ist für den ehrgeizigen de Meo nicht akzeptabel. Deshalb hat er Briatore geholt, der ausdrücklich als «aktiver Berater» bezeichnet wird. Heisst: Er soll ein- und durchgreifen. «Ich werde die Siegermentalität zurückbringen», verspricht Briatore.
Gerüchte, dass er die Braut hübsch machen soll, damit das Team verkauft werden kann
Für ihn gibt es nicht nur die Fahrerfrage zu lösen. Esteban Ocon wird gehen müssen, Pierre Gasly vielleicht ebenfalls, obwohl beide am Wochenende in Montmeló erneut in die Punkte gefahren sind. In die eigene, teure Ingenieursmannschaft hat der Renault-Vorstand auch wenig Vertrauen, Briatore soll sich anderswo um einen preiswerten Kundenmotor bemühen, vielleicht bei Mercedes. Das ist ein Armutszeugnis für das einst so stolze Team, womöglich sogar eine Bankrotterklärung.
Im Fahrerlager wollen gerade nach der Briatore-Rückkehr die Stimmen nicht verstummen, die sagen, dass der Manager die Braut nun hübsch machen soll, damit Alpine sein Team (das ohnehin bereits zu einem Viertel Investoren gehört) bald komplett veräussern könnte.
In der Tat zeugt es von Ratlosigkeit, einen Mann aus längst vergangen geglaubten Formel-1-Zeiten zu reaktivieren, schliesslich hat die Serie seit dem Abschied des Briatore-Freunds Bernie Ecclestone einen Imagewandel hinter sich. Für die Dokumentarfilmer von Netflix mag eine Figur wie Briatore willkommen sein, der Rest der PS-Branche sieht das Engagement eher skeptisch. Doch in allem, was hinter den Kulissen passiert, galt Briatore schon immer als gewieft. Was dies anbelange, sei er sogar «ein Genie», will man seiner Aussage glauben.
Modest as ever from Flavio Briatore 🤨
Is he the person Alpine really needs to return to the front of #F1?#SpanishGP pic.twitter.com/IP1dRpxuoC
— Autosport (@autosport) June 23, 2024