Das Parlament stockt den nächsten Ausbauschritt auf und beschliesst Projekte, die noch gar nicht spruchreif sind.
Sparen hier, Sparen dort: Kaum eine Diskussion in Bern vergeht zurzeit, ohne dass jemand auf die düstere Finanzlage aufmerksam macht. Nicht, dass die Einnahmen stagnieren würden wie in anderen Ländern. Nein, in der Schweiz schafft sich die Politik die finanzpolitischen Probleme höchstselbst, indem sie wacker neue Ausgaben beschliesst oder bestehende ausbaut.
Damit ist nun aber vorläufig Schluss. Die Schuldenbremse verpflichtet Bundesrat und Parlament, Ausgaben und Einnahmen über einen ganzen Konjunkturzyklus hinweg ausgeglichen zu halten. Diese verbindliche Regel sorgt zumindest im «normalen» Budget für Zurückhaltung. Hier ist die Politik gezwungen, das Wachstum der Ausgaben in den nächsten Jahren zu drosseln.
Doch da sind ja immer noch die verschiedenen Fonds des Bundes: «Sonderkässeli», bei denen die Politik dank zweckgebundenen Einnahmen teilweise noch einen grösseren Spielraum hat. Einer davon stand am Montag im Zentrum einer Diskussion des Nationalrats: der Fonds für die Bahninfrastruktur (BIF). Dieser ist zurzeit so gut gefüllt, dass der Bundesrat «sparen» kann, indem er in den nächsten Jahren weniger Geld in den Fonds einlegt als üblich.
Liebkind der Politik
Am Montag ging es um den Ausbau der Bahn bis 2035. In finanzpolitisch normalen Zeiten hat das Parlament traditionell ein grosses Herz für die Eisenbahn. Für Politiker, die wiedergewählt werden möchten, gibt es wenig Verlockenderes, als der eigenen Region einen neuen Bahnhof oder eine bessere Zugverbindung zu verschaffen. Und so entstehen in Bern Allianzen, die einen helfen den anderen, und am Ende erhalten möglichst alle Regionen ein bisschen etwas, damit alle ein bisschen zufrieden sind.
Wie die Debatte vom Montag zeigte, funktioniert diese Regel auch in finanzpolitisch harten Zeiten. Mit überwältigender Mehrheit – bei einer einzigen Gegenstimme – hat der Rat nicht nur alle Vorschläge des Bundesrats bestätigt, sondern das Paket auch noch ausgebaut. Im Grunde ging es nur darum, dass die Verwaltung das Parlament über den Stand der beschlossenen Projekte informiert.
Doch schon der Bundesrat wollte es nicht dabei belassen, sondern stockte das Paket um zusätzliche Projekte auf: durchgehender Ausbau des Lötschbergtunnels auf zwei Spuren, neuer Tunnel zwischen Genf und Lausanne, mehr Geld für den Bahnhof Stadelhofen und anderes mehr. Sogar die Projektierung eines multifunktionalen Tunnels durch den Grimsel fand Aufnahme in die Vorlage. Gesamthaft schlug der Bundesrat vor, dem BIF zusätzliche 2,6 Milliarden Franken zu entnehmen. Damit investiert der Bund bis 2035 deutlich mehr als 27 Milliarden in das Bahnnetz.
Millionen für Projekte ohne Vorprüfung
Wer meinte, das würde dem Parlament genügen, sieht sich getäuscht. In übereinstimmender Liebe zur Bahn haben Stände- und Nationalrat noch einmal 350 Millionen obendrauf gepackt – nach bekannter Manier verteilt über zahlreiche Regionen vom Genfersee via Luzern bis zum Walensee. Das ging sogar dem Bundesrat zu weit. Der Verkehrsminister Albert Rösti mahnte, nur weil der BIF so gut alimentiert sei, solle man das Geld nicht vorschnell ausgeben.
Auffällig sind primär zwei Projekte, für die das Parlament je 100 Millionen Franken reservierte: Das eine betrifft Vorarbeiten für den geplanten Meilibachtunnel am linken Zürichseeufer, das andere soll die negativen Folgen des neuen Fahrplans 2025 in der Westschweiz mildern. Rösti meinte warnend, damit würden 200 Millionen unnötigerweise blockiert. Hier wie dort seien alle entscheidenden Fragen offen, es gebe weder ein Angebotskonzept der SBB, noch seien die üblichen Abklärungen namentlich zur Wirtschaftlichkeit gemacht worden.
Rösti wies auf die drohenden Folgen hin: Für den nächsten Ausbauschritt lägen derart viele Projekte auf dem Tisch, dass unmöglich alle finanziert werden könnten. Das hielt das Parlament aber nicht davon ab, den Deal der Regionen durchzudrücken.