Während St. Pauli mit dem Erfolgstrainer Fabian Hürzeler in die Bundesliga geht, verabschiedet sich der Macher des Kieler Erfolges.
Für einmal steht der deutsche Fussball ganz im Zeichen des Nordens. Nicht in der ersten, sondern in der zweiten Liga spielten sich am Wochenende die massgeblichen Ereignisse ab. Der FC St. Pauli und Holstein Kiel steigen in die erste Bundesliga auf; dem Aufstieg der Kiezkicker aus Hamburg haftet immer noch das Etikett einer Sensation an. Dabei ist er geradezu folgerichtig. Mit 3:1 entschieden die Hamburger das Spiel gegen den VfL Osnabrück für sich – und fanden so im Schlussspurt der Saison zu jener Souveränität zurück, die sie über weite Strecken der Meisterschaft ausgezeichnet hatte.
Solide wie der Auftritt auf dem Spielfeld mutet auch das Hamburger Milieu an, das durch nichts aus der Ruhe zu bringen war. Verantwortlich dafür sind eine besonnene Klubführung und ein äusserst versierter Trainer. Fabian Hürzeler heisst der Coach; 2022, mit 29 Jahren, übernahm er die Hamburger. Dass es derart rasant aufwärtsgehen würde, wagten selbst grösste Optimisten nicht zu prognostizieren.
Allmählich gilt als unumstritten, dass Hürzeler ein ganz besonderer Trainer ist: taktisch versiert, mit einer klaren Ansprache, um keine Variante verlegen. Dass er ständig so wirkt, als stehe er unter Strom, bekräftigt bloss seinen Status als Ausnahmeerscheinung. Natürlich wären die Hamburger froh, wenn sie auch über die kommende Bundesligasaison hinaus mit ihm planen könnten.
Hürzeler soll prominente Kollegen mit seinem aggressiven Stil inspiriert haben
Dabei trauen ihm massgebliche Leute im Klub durchaus zu, irgendwann einmal einen Champions-League-Klub zu trainieren. Einstweilen aber ist das Hamburger Biotop reizvoll genug für den Mann mit den drei verschiedenen Staatsangehörigkeiten: Hürzeler wurde in den USA als Sohn eines Schweizer Zahnarztes und einer Deutschen geboren, sozialisiert wurde er im Münchner Fussball, beim FC Bayern.
Von Hürzeler wird berichtet, er habe prominente Kollegen mit seinem kompakten, aggressiven Stil inspiriert. Allein schon deshalb hat die Bundesliga einen Grund, dem Aufstieg der Hamburger interessiert entgegenzusehen und sie nicht bloss als folkloristisches Element zu betrachten – auch wenn im flamboyanten Captain Jackson Irvine beides zusammenkommt: die alternative Ästhetik und der Anspruch, den ein fordernder Trainer wie Hürzeler an sein Team stellt.
Kiel sorgte einst für eine Sensation gegen die Bayern
Angesichts solcher Qualitäten ist St. Paulis Aufstieg alles andere als eine Sensation. Als solche wird auch der Aufstieg von Holstein Kiel betrachtet. Für die Mannschaft, die «die Störche» genannt wird, ist es der erste in die Bundesliga überhaupt. Doch wer das Kieler Spiel anschaut, erst recht aber die Kontinuität, mit der in diesem Klub gearbeitet wird, der kann die anstehende Erstliga-Zugehörigkeit auch als folgerichtig begreifen. 2021 spielten sie in der Barrage gegen den 1. FC Köln, unterlagen aber nach einem 1:0 im Hinspiel deutlich mit 1:5.
In jener Saison, in der sie an Köln scheiterten, hatten sie für eine Überraschung gesorgt, als sie den FC Bayern im Penaltyschiessen aus dem DFB-Cup warfen und bis unter die letzten vier des Wettbewerbes kamen. Die Münchner waren als Champions-League-Sieger angereist. Nur kam in Kiel, anders als ehedem in St. Pauli, niemand auf die Idee, T-Shirts mit der Aufschrift «Champions-League-Sieger-Besieger» zu drucken. Ähnliches hatten die Hamburger einst getan, als sie den damaligen Weltpokalsieger Bayern München schlugen und sich daraufhin «Weltpokalsieger-Besieger» nannten – eine Episode, die zum festen Anekdotenschatz des Klubs vom Kiez gehört.
Der Kieler Charme jedenfalls ist eher diskret. Was allerdings nicht bedeutet, dass die Equipe des Trainers Marcel Rapp weniger interessant wäre als die der Hamburger. Im Gegenteil, es ist eine Mannschaft von Renegaten, von solchen, die woanders schon für untauglich erklärt worden waren. Lewis Holtby, der Mittelfeldspieler, galt einmal als eines der grössten Talente des deutschen Fussballs.
Lewis Holtby und Fiete Arp galten als gescheitert
Holtby hat eine Odyssee hinter sich. Von Aachen ging es über Schalke und Tottenham, Mainz, den HSV und die Blackburn Rovers schliesslich nach Kiel. Hier wurde der mittlerweile 33-Jährige zu jener Stütze, die sich die Kieler in ihm erhofft hatten.
Solche Verpflichtungen sprechen für das Geschick des scheidenden Kieler Managers Uwe Stöver. Er hat auch den Stürmer Fiete Arp nach Kiel geholt, der zwar erst 24 Jahre alt ist, aber bereits als gescheitert galt: Grösseren Vorschuss als Arp hatten wenige junge Angreifer. Die Bayern holten den jungen Mann vom HSV in ihre Mannschaft, wo er allerdings nicht zum Zuge kam.
Nur wird Stöver den Verein verlassen, diesen Schritt hat er schon im Oktober angekündigt. Nach fünfeinhalb Jahren sei es an der Zeit, zu gehen. Vielleicht ist dies eine kluge Entscheidung. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass der Aufstieg der grösste Erfolg der Kieler bleiben wird. Man wird ihn immer mit dem Namen des Managers Stöver verbinden.