Einblick in ein Traditionshaus, das kaum mehr wiederzuerkennen ist.
Die Luxemburgerli in Rosa, Hellgrün und Crème sehen auf den ersten Blick ganz vertraut aus. Aber der Küchenchef Patrick Senn hat sich mit dem Sprüngli-Klassiker schlechthin eine Spielerei erlaubt: Statt süss sind die Luxemburgerli salzig und schmecken nach Randen, Meerrettich und Trüffeln. Im soeben wiedereröffneten Sprüngli-Café am Paradeplatz werden sie zum Apéro gereicht. Und sie sind nicht die einzige Neuerung auf der Karte.
Acht Monate lang wurde das legendäre Café umgebaut, und es ist nicht übertrieben, zu sagen: Das Lokal im ersten Stock ist nicht mehr wiederzuerkennen. Das schwere, dunkle Mobiliar aus Holz im Wiener Kaffeehausstil ist verschwunden, die Bistrostühle und die langen Bänke mit schwarzem Lederbezug ebenso.
Sie sind hellen Möbeln gewichen und einer langgezogenen Bar aus weissem Marmor, den die Brüder Prenosil zusammen mit dem Architekten in einem Steinbruch in Verona ausgesucht haben. Die im Stil der sechziger Jahre gehaltenen Deckenlampen mit Gold- und Glaselementen wirken wie ein Überbleibsel von früher, aber auch sie sind neu. Ebenso die eigens für das Café angefertigten Bilder des Schweizer Künstlers und Illustrators François Berthoud.
Ein radikaler Umbau
Mit der umfassenden Sanierung wagten die Sprüngli-Chefs Milan und Tomas Prenosil einen radikalen Schritt. Dieser habe Mut gekostet, sagt Milan Prenosil am Donnerstag vor den Medien. «Sonst sind wir eher vorsichtig.»
Doch nicht nur die Einrichtung, auch die gesamte Infrastruktur war in die Jahre gekommen. Im Café war die Akustik mangelhaft, die Toiletten waren zu klein. So fiel der Abschied von der angestaubten Patina leicht. Als einziges historisches Element haben zwei Wandlampen überlebt, die schon 1930 im Café hingen. Damals war das Haus grundlegend umgebaut worden.
Die Lampen im Retrodesign sind Einzelanfertigungen. Vom Fenster geht der Blick auf die Bahnhofstrasse.
Nerven habe die Renovation schon gekostet, sagt Tomas Prenosil. Und nicht immer lief alles nach Plan. Das Fischgratparkett etwa musste erst vor kurzem ein zweites Mal abgeschliffen werden, weil die Farbe des Ölauftrags nicht passte.
Nun aber ist das Café pünktlich zum Beginn der Weihnachtszeit wieder offen. Das Interieur wirkt hell und grosszügig, was auch daran liegt, dass die Zahl der Sitzplätze verkleinert wurde und so mehr Raum zwischen den Tischen entstanden ist.
Wer an einem der hohen Fenster sitzt, blickt auf die Innenstadt, wo vieles im Umbruch ist: Die Crédit Suisse gibt es nicht mehr, die UBS-Liegenschaft wird saniert. Das Edelkaufhaus Grieder zieht per Anfang Februar vom Paradeplatz an die obere Bahnhofstrasse, und Blumen Marsano musste an die benachbarte Bärengasse ziehen. Sprüngli aber, seit 1859 am Paradeplatz, soll hier bleiben.
Short Ribs und Birchermüesli auf der Speisekarte
Die Tradition im Café werde hochgehalten, versichern die Prenosil-Brüder – auch auf der Speisekarte. Pastetli, Klubsandwich und Rüeblisalat werden weiterhin serviert. Aber der Küchenchef Patrick Senn, der aus der Luxusgastronomie kommt, hat das Angebot aufgefrischt und für ein junges Publikum interessant gemacht.
Es enthält nun Gerichte wie aus einer Szenebeiz: Blumenkohl-Tempura, Lobster-Roll im Brioche, Short Ribs vom Rind mit Portweinsauce oder Smashed Croissant. Bei Letzterem handelt es sich um ein aufgeschnittenes, knuspriges Croissant, das süss oder salzig belegt wird.
Wem ob so viel Zeitgeist der Kopf schwirrt, der wird mit einem Blick in die Vitrine – auch die gibt es noch, einfach in modern – wieder geerdet. Die klassischen Luxemburgerli bleiben ebenso im Café-Sortiment wie die Truffes-Cake-Schnitte oder die Zitronentarte mit Meringue-Haube. Auch das Birchermüesli, das schweizerischste aller Schweizer Frühstückselemente, hat weiterhin seinen Platz. Und die Stammgäste werden vom gleichen Personal wie früher bedient. Es konnte während des Umbaus in anderen Bereichen eingesetzt werden.
Auch einem anderen Prinzip ist Sprüngli treu geblieben: Das Café fokussiert auf Frühstück, Brunch und Mittagessen, am Sonntag auf Brunch. Abends bleibt es wie bis anhin geschlossen. «Der Abend ist nicht unsere Kernkompetenz, da wollen wir kein Experiment eingehen», sagt Tomas Prenosil. Dafür kann das Lokal ab nächstem Sommer für Veranstaltungen und Feiern gemietet werden.
Das salzige Smashed Croissant ist belegt mit Rohschinken, Feigen, Rucola und Zitronen-Mascarpone. Bild rechts: Der Eingang ins umgebaute Café.