Die Bewertungen von Unternehmen und die langfristigen Zinsen bewegen sich in einem Zusammenspiel. Wie die historische Erfahrung lehrt, ist der Zeitpunkt für Engagements heute in einem Sektor besonders günstig.
Warren Buffett erinnert die Aktionäre seiner Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway regelmässig daran, dass die Zinsen wie in der Physik eine Anziehungskraft auf die Aktienkurse ausüben. Die Geschichte zeigt, dass sich Aktienkurse und Zinsen zwar nicht immer simultan miteinander entwickeln, sich über den Lauf der Zeit aber ein Zusammenspiel erkennen lässt.
Wo also befinden wir uns heute in diesem Kontinuum zwischen langfristigen Zinsen und Aktienkursen?
Dankenswerterweise hat der Bloomberg-Kolumnist John Authers unlängst seine Gedanken zu diesem Thema erläutert, wobei er auf folgende Grafik verweist:
Die rote Kurve zeigt auf der rechten Skala den Verlauf der langfristigen Zinsen in den USA. Die blaue Kurve bildet auf der linken Skala die CAPE Ratio des S&P 500 ab, die oft auch als Shiller-Kurs-Gewinn-Verhältnis oder kurz Shiller-KGV bezeichnet wird. Anders als das klassische KGV vergleicht das Shiller-KGV den aktuellen Preis einer Aktie oder eines Index mit den durchschnittlichen, inflationsbereinigten Gewinnen der letzten zehn Jahre.
Der Yale-Ökonom Robert Shiller, der den Indikator entwickelt hat, ermöglicht Investoren damit ein Bewertungsinstrument, das die Realität verlässlicher abbildet, indem kurzfristige Gewinnschwankungen geglättet werden. Angesichts der mehrere Jahrzehnte langen Hausse von Aktien, die von Wachstumsfantasie getrieben werden, hat Realismus und Nüchternheit Anlegern in der jüngeren Vergangenheit zugegebenermassen allerdings nicht viel gebracht.
Theorie und Praxis
Dennoch lassen sich drei aufschlussreiche Beobachtungen machen, wenn man die historische Korrelation zwischen dem Shiller-KGV und langfristigen Zinsen genauer betrachtet.
Erstens erwiesen sich die Jahre 1921, 1930, 1940, 1981 und 2009 als ausgesprochen guter Zeitpunkt, um bei Investments in Aktien aggressiv vorzugehen. Dies, weil der Gesamtmarkt im Verhältnis zu den Zinsen gemäss dem Shiler-KGV günstig bewertet war.
Zweitens: Der absolut beste Zeitpunkt für den Kauf von Aktien in meinem Leben war die Periode von 1981 bis 1982, als ich meine Karriere in der Investmentbranche begann.
In der Theorie war die Ausganglage für Investments in Aktien angesichts der attraktiven Bewertungen damals grossartig. Die obige Grafik zeigt aber auch, dass langfristige US-Staatsanleihen in dieser Phase eine überaus ansprechende Rendite von 14 bis 15% offerierten. Gemäss dem Z-1-Bericht der US-Notenbank machten damals Aktien mit 8% zudem einen rekordtiefen Anteil am Vermögen amerikanischer Haushalte aus.
Zu Ihrer Information hier noch ein weiterer wichtiger Hinweis: Anleger fürchteten sich seinerzeit, Anleihen zu kaufen, weil sich die Inflation im zweistelligen Prozentbereich bewegte. Sie setzten daher lieber auf Festgeldanlagen und Geldmarktfonds, anstatt sich die hohen Renditen am Bondmarkt auf lange Sicht zu sichern.
Kurspotenzial im Energiesektor
Drittens hatten sich Aktien in den Jahren 1901, 1929, 1966, 2000 und 2021 von den Zinsen abgekoppelt. Mit Blick auf den Beginn dieses Jahres beschleicht uns daher ein eigenartiges Gefühl: Mit unserer, auf grosskapitalisierte Value-Aktien fokussierten Strategie hinkten wir dem S&P 500 ähnlich hinterher wie kurz vor dem Platzen der Internetblase Anfang 2000.
Es schien fast so, als hätte man den Song «Happy Days Are Here Again» im Hintergrund hören können, als glamouröse Wachstumsaktien wie Nvidia, AMD oder Meta Platforms in den vergangenen Wochen durchstarteten.
Wo also hätte man das Geld, das man an der Börse anlegen will, in Jahren wie 1966 und 2000 angesichts der teuren Bewertung des Gesamtmarktes am besten investieren sollen? Die Antwort lautet in Unternehmen aus dem Bereich Öl und Gas sowie aus dem Rohstoffsektor generell.
Im ersteren Fall machten die Inflation der Siebzigerjahre und der steigende Ölpreis Energieunternehmen später zum besten Sektor im S&P 500. Das gleiche Muster spielte sich zwischen 2000 und 2010 ab, als das rasante Wachstum von Chinas Wirtschaft zu einem dramatischen Anstieg des Ölpreises und anderer Rohstoffnotierungen führte.
Wenn Sie sich nun fragen, warum wir momentan geduldig eine grössere Korrektur bei Öl- und Gasaktien wie Occidental Petroleum, ConocoPhillips, Ovintiv, APA Corp. und Devon Energy aussitzen, dann schauen Sie sich am besten nochmals die obige Grafik mit dem Shiller-KGV zum S&P 500 und den langfristigen Zinsen an.
Wie Sie rasch erkennen können, erscheint der Zeitpunkt für Investments im Energiesektor aus historischer Perspektive derzeit enorm günstig. Wir raten deshalb, dem Rhythmus der Märkte zu folgen und sich vor dem Fehlverhalten an den Börsen in Acht zu nehmen.
Die englische Fassung des Artikels ist abrufbar unter: smeadcap.com
Bill Smead