Konfrontiert sind Gorniak und Schnabel mit jungen Leuten, die auch dann noch cool bleiben, als einer aus ihrer Clique spurlos verschwindet und der nächste vom Lastwagen überfahren wird. Wieso sind die so abgebrüht?
So lakonisch hat sich noch keine entscheidende Fachkraft aus dem «Tatort» verabschiedet. Nach einer Ermittlung, in der sie eine Menge Fehler gemacht hat, erklärt die Kommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) beiläufig, dass sie jetzt mal eine Auszeit brauche. Das spricht sie ihrem Dresdner Kollegen Schnabel (Martin Brambach) auf den Anrufbeantworter. Schriftliches folge dann noch. Und dann ist sie weg, mutmasslich für immer. Knapper und leiser kann man kaum gehen, jedenfalls nicht beim «Tatort».
Cool sein will auch die Clique von Jugendlichen in dem Fall, der zu Gorniaks Entscheidung beitrug. Die Teenager, allesamt aus mittelständischen Familien, machen gern Party und geben sich unerschütterlich in jeder Lebenslage. Auch dann noch, als einer von ihnen (Max Wolter) während einer Feier scheinbar spurlos verschwindet und ein anderer kurz darauf von einem Lastwagen angefahren wird und stirbt. Beim anschliessenden Polizeiverhör will keiner etwas gesehen oder gehört haben.
Das reinste Intrigennest
Die ganze Truppe ist schwer verkatert auf dem Kommissariat gelandet und gibt sich denkbar unkooperativ. Der Ermittler Schnabel wird von einem der jungen Verdächtigen (Filip Schnack) belehrt, dass er gar nicht erst Pillen zu schmeissen brauche. Das Leben des Kommissars sei sowieso ein Horrortrip. Schnabel fragt in gesetztem Ton, wenn auch etwas unprofessionell, zurück: «Hat dir mal jemand gesagt, dass du wahnsinnig unsympathisch bist?» Die Verdächtigen und die Ermittler sprechen, wie so oft, nicht dieselbe Sprache.
Es hilft auch nicht, dass die Kommissarin Gorniak mit dem Vater von einem der Teenager, Romy (Charlotte Krause), liiert ist. Aber statt sich wegen möglicher Befangenheit aus dem Fall zurückzuziehen, kniet sich Gorniak nur umso verbissener hinein. Dabei stellt sie fest, dass der nach aussen hin so eingeschworene Freundeskreis das reinste Intrigennest ist. Der vermisste Janusz (Louis Wagenbrenner) stand dabei viel beneidet im Mittelpunkt, ein «geiler Typ», dessen einziger Fehler gewesen ist, hin und wieder jemanden zu «bashen», wie ein Freund zu Protokoll gibt.
Gedankenlose Grausamkeit
Janusz hatte viele Affären, was bei den jungen Frauen, die er verliess, oft nicht gut ankam. Der Junge, der vor den LKW lief, war der Letzte im sozialen Ranking der Clique. Das bekam er zu spüren, in beiläufigen, von Gedankenlosigkeit begünstigten Grausamkeiten. Die Querverbindungen zwischen den Figuren werden oft nur skizzenhaft, aber prägnant angedeutet. Die Kids haben Geheimnisse voreinander. Und die Eltern wissen nichts. Sie bleiben – bis auf Romys Vater – hilflose Randerscheinungen mit Tränen in den Augen. Der Film interessiert sich leider kaum für ihre Rolle im Leben der Kinder.
Andererseits kommt er weitgehend ohne Schuldzuweisungen aus und pocht vielmehr – in einer leidenschaftlichen Ansage Schnabels zum Schluss – auf Eigenverantwortung. «Das geheime Leben unserer Kinder», wie ein anderer «Tatort» im vergangenen Jahr hiess, faszinierte schon viele Gestalter der Serie.
Claudia Garde, die hier Regie führte und mit Ben von Rönne das Drehbuch schrieb, treibt die Handlung so zügig und schnörkellos nach vorne, dass man dranbleibt. Die Figuren, die erst nur schemenhaft in den Blick genommen werden, gewinnen an Konturen, und es endet, wie es begonnen hat: mit Szenen der Party, mit rauschhaften Darstellungen von chaotischen Vorfällen und schlechten Entscheidungen. Von denen auch Gorniak so einige trifft.
«Tatort» aus Dresden: «Herz der Dunkelheit», am Sonntag, 20.05/20.15 Uhr, SRF/ARD.