Ein Bundesgerichtsurteil überrascht den Gemeinderat von Zumikon.
Zumikon an der Zürcher Goldküste. Oberhalb der Dorfschule liegen ein Villenviertel und der Golfklub, unterhalb erstrecken sich Wiesen, Wälder und der Zürichsee.
Doch die Idylle täuscht. Seit über einem Jahr streitet man in Zumikon vehement um eine geplante Asylunterkunft, die an besagter Lage gebaut werden soll. Die Gemeinde plant neben der Schule Farlifang einen dreistöckigen Holzbau. Die Unterkunft soll bis zu 48 Personen beherbergen können.
Hintergrund ist, dass die Zürcher Gemeinden mehr Flüchtlinge aufnehmen müssen. Die Quote erhöhte sich vergangenen Sommer. Um diese zu erfüllen, mieten manch Gemeinden Liegenschaften dazu, andere nutzen behelfsmässig Container.
Die Zumiker Gemeindeversammlung hat sich vor eineinhalb Jahren – relativ knapp – für einen Modulbau ausgesprochen. Bewilligt wurde ein Kredit von knapp 4,5 Millionen Franken.
Dagegen formierte sich ein Komitee. Die Gegner kritisierten einerseits die Kosten des Baus. Vor allem aber der Standort neben dem Schulhaus sorgte für Unmut.
Eigentlich hätte die Parzelle für die Schule freigehalten werden sollen, argumentierten die Gegner. Und sowieso empfanden diese die Lage der Asylunterkunft neben einem Kindergarten als unpassend.
Die kritische Millionengrenze überschritten
Ein Zumiker zog einen Stimmrechtsrekurs sogar bis vors Bundesgericht, nachdem er beim Verwaltungsgericht abgeblitzt war. Die Person, die nicht in direkter Nachbarschaft wohnt, aber lokalpolitisch aktiv ist, kritisiert in ihrer Beschwerde das Vorgehen des Gemeinderates.
Denn der Zumiker Gemeinderat hatte, nachdem er von den Baufirmen alle Offerten eingeholt hatte, rund eine halbe Million Franken Mehrkosten als gebundene Ausgabe bewilligt. Ohne dass die Stimmberechtigten darüber entscheiden konnten. Mit dieser Kostensteigerung lagen die totalen Kosten der Asylunterkunft bei über 5 Millionen Franken.
Damit war eine Grenze überschritten: Ab 5 Millionen Franken hätte über das Projekt nicht allein an der Gemeindeversammlung, sondern auch an der Urne abgestimmt werden müssen. So will es die Zumiker Gemeindeordnung.
Und dieser Meinung ist nun auch das Bundesgericht, wie es in einem Urteil von Ende April festhält, das der NZZ vorliegt. Die Gemeinde hätte einen Zusatzkredit einholen müssen, schreiben die Richter. Der Gesamtbetrag überschreite die Zuständigkeit der Gemeindeversammlung.
Damit obsiegt der Einwohner über seine Gemeinde. Diese muss mit dem Zusatzkredit für die Asylunterkunft an die Urne.
«Das Spiel mit den Rekursen»
Mit der Neuauflage wird sich die Asylunterkunft weiter verzögern. Und auch falls das Stimmvolk zustimmt: Die Gemeinde muss womöglich auch die Submission nochmals ausschreiben. Denn das Totalunternehmen, das den Bauauftrag damals gewonnen hatte, war nur bis Ende 2024 an den Vertrag gebunden.
Der Zumiker will sich nicht öffentlich zum Urteil äussern. Beat Hauri ist beratender Jurist im Komitee gegen den Bau des Asylzentrums an besagter Lage. Er ist mit dem Urteil vertraut. Hauri findet, damit Verzögerungen gar nicht erst entstünden, hätte die Gemeinde anders vorgehen müssen: «Statt immer wieder mit angeblich gebundenen Ausgaben zu operieren, sollte die Gemeinde korrekte Kreditsummen berechnen, um damit Verpflichtungskredite zu beantragen», sagt Hauri.
Zumikons Gemeindepräsident Stefan Bührer (FDP) bezeichnet diese Kritik als haltlos. Keinesfalls habe der Gemeinderat extra zu tief budgetiert. Im Gegenteil: Laut Bührer wäre der Gemeinderat froh gewesen, wenn er mit dem Bau hätte an die Urne gehen können.
Denn der Weg über die Gemeindeversammlung sei laut Bührer der riskantere gewesen. Aber man sei damals eben nicht auf die erforderlichen 5 Millionen Franken gekommen, um das Projekt an die Urne zu bringen.
Den Entscheid des Bundesgerichts bedauert der Gemeindepräsident Bührer. Er geht davon aus, dass nun über den fehlenden Zusatzkredit an der Urne abgestimmt werden muss. Den eigentlichen Kredit von 4,5 Millionen hält er für rechtens.
Bührer sagt: «Ich befürchte, dass das Spiel mit den Rekursen wieder von vorne losgehen wird.» Momentan verfüge die Gemeinde noch über eine gültige Baubewilligung. Diese laufe aber 2027 aus. Je nach Verzögerung müsse die Gemeinde auch diese wieder neu eingeben.
Wegen der Verzögerung ist es bereits heute so, dass Zumikon seine Asylbewerber ausquartieren muss. Denn um die vom Kanton festgelegte Asylquote erfüllen zu können, mietet Zumikon zurzeit in der Nachbargemeinde Küsnacht Wohnraum an. Der Vertrag dauert noch bis in den Sommer 2026. Es dürfte knapp werden.