Die EU hat sich entschlossen, insgesamt zwölf Löschflugboote des neuen Typs Canadair DHC-515 zur Waldbrandbekämpfung anzuschaffen. Griechenland bestellt zusätzlich weitere fünf Maschinen.
Schon im vergangenen Jahr hatte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron angesichts der Waldbrand-Schreckensmeldungen aus ganz Europa mehr Löschflugzeuge für die Europäische Union gefordert. Jetzt hat die EU zusammen mit sechs europäischen Ländern diesen Vorschlag umgesetzt: Insgesamt zwölf Löschflugboote des neuen Typs DHC-515 Canadair werden beim Hersteller DeHavilland Aircraft Canada bestellt, dazu kommen fünf weitere Maschinen für Griechenland auf eigene Kosten.
Dieses Flugzeug fliegt bisher aber nur als Prototyp und geht wohl frühestens 2025 in die Serienproduktion. DeHavilland Canada/Viking Air hatten seit der Übernahme des Programms 2016 von Bombardier keine neuen Flugzeuge des Vorgängertyps 415 mehr gebaut.
Zwölf der neuen Flugboote samt Besatzung werden mit Hilfe des sogenannten rescEU-Systems den von Waldbränden betroffenen Ländern leihweise zur Verfügung gestellt. Dabei kann im Notfall jedes EU-Land den Katastrophenschutz-Mechanismus zur Bekämpfung von Waldbränden aktivieren. Bis zu vier Flugzeuge samt Crew der rescEU-Flotte werden dann von Südeuropa oder Schweden aus zeitweise an den neuen Einsatzort abkommandiert. Dieser Mechanismus wurde vor rund 20 Jahren eingerichtet. Brüssel koordiniert die Einsätze und trägt drei Viertel der Transport- und Betriebskosten.
Brandbekämpfung aus der Luft ist am effizientesten
So flogen etwa bei den Waldbränden im August 2022 in der «Sächsischen Schweiz» in Deutschland italienische Löschflugboote im Rahmen dieser EU-Kooperation. Die sechs EU-Länder Frankreich, Kroatien, Italien, Portugal, Spanien sowie Griechenland erhalten je zwei der neuen Maschinen. Die Griechen haben darüber hinaus auf eigene Rechnung weitere fünf DHC-515 bestellt.
Warum wird der neue Typ DHC-515 angeschafft? In Südeuropa, aber selbst in Skandinavien und in den vergangenen Jahren auch in Deutschland geht oft nichts mehr ohne den Einsatz von Löschflugzeugen zur Waldbrandbekämpfung. Diese und Helikopter sind oft die einzige Chance, einen Brandherd einzudämmen und die Feuerwehren am Boden effektiv zu unterstützen.
Deshalb sind im Mittelmeerraum Löschflugzeuge ein gewohnter Anblick am Himmel. Es gibt in der westlichen Welt aber lediglich einen einzigen Anbieter von grossen Löschflugbooten. Das sind die Maschinen vom Typ Canadair 215 T oder 415 des kanadischen Herstellers Bombardier. Seit 2016 gehören diese Spezialflugzeuge zu Viking Air, heute zu DeHavilland Aircraft Canada. Gebaut werden soll die DHC-515 wie früher in der Stadt Calgary in der kanadischen Provinz Alberta.
Die in ihren Grundzügen bereits Ende der 1960er Jahre entwickelten Flugboote werden heute von zwei Propellerturbinen des Typs Pratt&Whitney PW123 angetrieben. Sie leisten jeweils 2380 PS. Die 415 hatte als bisher modernste Version anders als die 215-T-Variante vier statt zwei Löschtanks. Die Canadair 215T/415 ist zudem das einzige Flugzeug der westlichen Welt, das speziell auf die Feuerbekämpfung aus der Luft hin konstruiert wurde. Durch ihr Amphibienfahrgestell kann sie sowohl auf Land als auch auf Wasser starten und landen.
In jüngster Zeit haben Viking Air und Nachfolger DeHavilland Canada verstärkt Interesse für eine grössere Version des Typs 515 erhalten. Diese auf der 415 basierende Variante kann 7000 Liter Löschmittel und damit rund 15 Prozent mehr als eine 215 oder 415 aufnehmen. Bisher fliegt aber lediglich ein Prototyp. Die Serienfertigung dürfte 2025 anlaufen. Von diesem neuen Typ 515 erhalten die EU und sechs europäische Länder insgesamt 17 Exemplare vermutlich bis Ende des Jahrzehnts. Die Canadair-Flugboote haben sich jahrzehntelang weltweit bei Löscheinsätzen bewährt.
Bis zu 600 000 Liter Löschwasser pro Tag sind möglich
Anders als bei Piloten von bodengebundenen Löschflugzeugen, die an einem Flugplatz landen und dort den Wassertank aufgefüllt bekommen, ist eine Canadair-Crew bis zur Landung zum Auftanken für ihre Turbinen im Dauereinsatz. Denn sofort nach dem Abwurf von etwa 6000 Litern Wasser über dem Feuer wird erneut auf dem nächstmöglichen See oder im Meer aufgesetzt und Löschwasser aufgenommen. Dadurch kann eine Canadair-Crew maximal bis zu 600 000 Liter pro Tag über dem Feuer abwerfen.
Bei der Flüssigkeitsaufnahme an einem See, Fluss oder im Meer gleitet die Maschine fast wie ein Tragflächenboot auf der Wasseroberfläche. Durch eine Luke unten am Rumpf wird das Wasser binnen zwölf Sekunden in die Löschtanks gepresst. 410 Meter Strecke auf dem Meer oder einem See reichen bereits, um die Tanks zu füllen. Diese Phase des Flugs ist ähnlich gefährlich wie der über dem Brandherd, weil die Crew auf Wellengang, wechselnden Wind, Boote und treibende Gegenstände im Wasser achten muss. Zudem ist das Flugboot bei diesem Manöver auf dem Wasser immer noch etwa 130 km/h schnell. Dabei verkraftet die Zweimotorige sogar Wellen bis maximal zwei Meter Höhe.
Ausserdem kann das Amphibienflugboot selbst kleine Seen nutzen. Bezogen auf die Schweiz wären das also nicht nur grosse Gewässer wie Vierwaldstätter-, Zürich-, Boden- oder Genfersee. Selbst Wasserflächen wie der Greifen-, Hallwiler-, Ägeri- oder Sempachersee würden problemlos für die DHC-515-Flugboote zur Löschwasseraufnahme ausreichen. Beim Einsatz der Canadair 415 vor zwei Jahren im deutschen Harz-Mittelgebirge reichte sogar der nur 2,3 Kilometer lange Concordiasee für das Wassertanken aus.