Der Gemeinderat will das Dorf Brienz im Berner Oberland besser vor Unwettern und Hochwasser schützen. Dafür müssen einige Anwohner ihr Zuhause aufgeben.
In Brienz im Berner Oberland bot sich diesen Sommer ein Bild der Zerstörung. Am 12. August war nach starken Regenfällen und Gewittern der Milibach im Westen von Brienz über die Ufer getreten und hatte Teile des Dorfes überschwemmt.
Ein verheerender Murgang trieb 50 000 Kubikmeter Geröll, Felsbrocken und Treibholz ins Siedlungsgebiet und richtete Schäden an Häusern, Autos, Strassen an. Laut der Berner Gebäudeversicherung beschädigte das Hochwasser 49 Gebäude. Die Versicherung schätzte die Schadenssumme auf 23 Millionen Franken.
Fast vier Monate später hallt in Brienz das bedrohliche Ereignis vom August noch immer nach. Viele Einwohner konnten bisher nicht in ihre beschädigten Häuser zurückkehren, einige davon werden wohl unbewohnbar bleiben. Die Häuser stehen alle im Gebiet, das die Gemeinde nach dem Murgang zur Gefahrenzone erklärt und gesperrt hatte. Die meisten betroffenen Personen wurden von der Gemeinde in der Folge in privaten Unterkünften untergebracht.
Gemeinderatspräsident Peter Zumbrunn sagt, dass die Betroffenen bisher viel Verständnis gezeigt hätten, auch wenn der Wiederaufbau lange dauere. «Wichtig ist, dass wir ihnen bald aufzeigen können, wann sie in ihre Häuser zurückkehren können.» Dies sei jedoch erst im Frühling möglich.
Brienz wappnet sich gegen das nächste Hochwasser
Im Rest des Dorfes sind die Spuren des Unwetters kaum noch zu sehen. Die Gemeinde teilte im November mit, Brienz sei grösstenteils aufgeräumt. Heute sagt Zumbrunn: «Die Normalität ist zurück.» Die Stimmung in der Bevölkerung sei gut, sie nehme die Situation entsprechend hin. «Es ist leider nicht das erste Mal, dass Brienz ein solch massives Unwetter erlebt hat», sagt Zumbrunn.
Schon vor knapp zwanzig Jahren richtete ein Murgang in der Gemeinde grosse Verwüstungen an. Damals, im August 2005, trat nach heftigen Regenfällen der Glyssibach auf der anderen Seite des Dorfes über die Ufer und zerstörte Teile der Gemeinde. Der Schlamm türmte sich meterhoch, zahlreiche Gebäude wurden beschädigt. Zwei Personen wurden im Unwetter getötet.
In Brienz ist man sich der steten Gefahr durch die Natur bewusst. «Das Unwetter vom August wird wahrscheinlich nicht das letzte gewesen sein», sagt Zumbrunn. Brienz beschäftigte sich in den vergangenen Monaten deshalb mit der Frage, wie das Dorf künftig bei starken Niederschlägen besser geschützt werden kann.
Bach soll den Dorfrand entlang verlaufen
Am Dienstag informierte die Gemeinde die Einwohner von Brienz über die angestrebten Pläne. Sie will den Milibach umleiten. Er soll nicht mehr zwischen dem Friedhof und der Kirche in den See fliessen, sondern weiter westlich, am linken Dorfrand. Das hat ein Projektteam aus mehreren Fachexperten von privaten Büros, Vertretern des Kantons Bern und des Bundes sowie der Gemeinde Brienz in einem Schutzkonzept vorgeschlagen.
Es sei die einzige Variante, die einer umfassenden Prüfung standgehalten habe, heisst es. Zudem sei die Variante «kosteneffektiv», und das Dorfbild des Änderdorfs – dem Dorfteil, in dem viele Häuser unter Heimatschutz stehen und der im August vom Unwetter besonders stark betroffen war – werde nicht tangiert.
Laut Gemeinderatspräsident Peter Zumbrunn wird der Bach künftig den kürzesten Weg in Richtung See nehmen. Geplant ist, dass Geröll und Schlamm bei künftigen Murgängen weiterhin im bereits bestehenden Geschiebesammler oberhalb des Dorfes zurückgehalten werden. Der Milibach soll unterhalb des Sammlers in Richtung Westen umgeleitet werden. Dafür werde ein neuer Bachverlauf den Dorfrand entlang gebaut, damit die Wassermassen bei künftigen Unwettern weniger Schaden im Dorf anrichten können.
Mindestens ein Wohnhaus muss weichen
Um diese Pläne zu realisieren, muss mindestens ein Wohnhaus abgerissen werden, und Bauern müssen Land abtreten. Die betroffenen Einwohner werden dafür eine Entschädigung bekommen. Wie hoch diese ausfällt, klären Bund und Kanton noch ab.
Laut Zumbrunn unterstützen die betroffenen Bewohner den Entscheid. «Die Familie des betroffenen Wohnhauses hat uns bestätigt, dass sie zugunsten der Sicherheit des Dorfes keine rechtlichen Schritte gegen den Entscheid einlegen wird.» Zumbrunn schätzt dieses Vertrauen.
Bis die Pläne der Gemeinde verwirklicht werden können, dauert es aber noch einige Jahre. Zuerst wird die Gemeinde im Februar und März 2025 Vorprojekte auflegen. Danach muss das Projekt mehrere Planungs- und Genehmigungsprozesse durchlaufen. Wie aus dem Projektbeschrieb hervorgeht, ist ein Baubeginn frühestens ab 2028 möglich.