Ein geplantes Treffen der antiisraelischen Organisation in Basel löst Irritationen aus. Auch in Zürich kam es vor zwei Wochen zu einem Auftritt eines Samidoun-Kadermitglieds.
Seit Tagen berichten die lokalen Medien über ein geplantes Treffen in Basel zum Thema «Freiheit für Palästina», an dem Mohammed Khatib, Kadermitglied des Netzwerks Samidoun, teilnehmen soll. In Deutschland gilt Samidoun, das dort auch unter dem Namen «Hirak – Palestinian Youth Mobilization» aktiv ist, als antisemitisch. Nach dem Terroranschlag vom 7. Oktober wurde die Gruppierung deshalb kurzerhand verboten und aufgelöst.
Samidoun hatte nach den Anschlägen in Israel in deutschen Städten spontane Jubelfeiern abgehalten und Süssigkeiten verteilt. Das zeige «das antisemitische, menschenverachtende Weltbild der Gruppierung auf besonders widerwärtige Weise», erklärte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) im November. Mit dem Betätigungsverbot für Samidoun und der Auflösung des Netzwerkes werde solchen Aktivitäten in Deutschland ein Ende gesetzt.
In der Schweiz ist Samidoun jedoch keineswegs von der Bildfläche verschwunden, wie das geplante Treffen in Basel zeigt. Zwar hat der Vermieter des Veranstaltungsortes, der kurdische Verein Berksam, inzwischen interveniert, so dass Khatibs Auftritt dort nicht stattfinden kann. Das Vereinslokal sei für öffentliche Auftritte nicht ausgelegt, erklärte ein Vertreter am Dienstag gegenüber der «Basler Zeitung».
Auftritt im Kulturzentrum «Zentralwäscherei»
Doch das bedeutet nicht automatisch, dass die Veranstaltung früher oder später nicht doch an einem anderen Ort stattfindet. Im Gegenteil: Vieles deutet darauf hin, dass Samidoun und Mohammed Khatib in der Schweiz auch nach dem 7. Oktober weiterhin äusserst aktiv sind. So hielt sich Khatib, dessen Wohnort nicht bekannt ist, kurz nach den Anschlägen im Oktober in Genf auf, um mit mehreren Samidoun-Führungspersonen und -Sympathisanten die Situation in Palästina zu erörtern.
Bisher nicht bekannt war, dass es kürzlich auch in Zürich zu einem Samidoun-Auftritt kam – am 14. Januar im linksalternativen Kulturbetrieb «Zentralwäscherei». Das zeigen Recherchen der NZZ. Zur Veranstaltung hatte der Revolutionäre Aufbau Schweiz (RAS) eingeladen. Mit «einem Genossen des palästinensischen Solidaritätsnetzwerks Samidoun» wurde über den «palästinensischen Widerstand gegen Genozid und Kolonialismus» und die Reaktion der «imperialistischen Zentren» diskutiert: «Was steckt hinter dieser staatlichen Repression, und wie können wir ihr begegnen?»
Auf der Bühne: Mohammed Khatib. Bis vor kurzem war der Name in der Schweiz kaum bekannt. Tatsächlich aber gehört Khatib zu den zentralen Figuren, die europaweit Stimmung für die palästinensische Sache und gegen Israel machen. Er ist bis heute Europa-Koordinator von Samidoun. Und er wird verdächtigt, der Terrororganisation zur Befreiung Palästinas (PFLP) anzugehören, die für zahlreiche Terroranschläge in Europa verantwortlich ist.
Entsetzen in Israel
Khatib gilt als äusserst radikal. So soll er laut Gerardo Raffa, Redaktor der proisraelischen Online-Plattform «Audiatur», bei einer Demonstration in Brüssel im Jahr 2022 zum Kampf gegen Israel, die USA und die EU aufgerufen haben: «Israel zu besiegen, bedeutet, die USA zu besiegen», so Khatib damals. Israel zu besiegen, bedeute aber auch, die EU, «diese koloniale Institution», zu besiegen. Zu der Kundgebung hatte laut «Audiatur» auch ein Vertreter der Hamas aufgerufen.
Bereits vor den Anschlägen im Oktober ist Khatib in der Schweiz regelmässig aufgetreten. So fanden im vergangenen Frühling Samidoun-Anlässe in Basel und in Zürich statt, zu denen mehrere Organisationen aus der linksextremen und antiisraelischen Szene aufgerufen hatten. Im August 2022 schlug ein Referat von Mohammed Khatib sogar hohe Wellen bis nach Israel.
Damals feierte die Stadt Basel das 125-Jahr-Jubiläum des ersten Zionistenkongresses. Zahlreiche propalästinensische Organisationen mobilisierten für Gegenveranstaltungen und Protestkundgebungen. Zu den prominenten Hauptrednern gehörte Mohammed Khatib. In Basel nahm die Öffentlichkeit von Khatibs Besuch keine grosse Notiz. Niemand kannte ihn. In Israel dagegen löste der Auftritt Entsetzen aus. «Terrorist soll Proteste zum 125. Zionistenkongress in der Schweiz anführen», titelte die «Jerusalem Post» über einem langen Artikel.
Bund prüft Verbot
Samidoun ist in der Schweiz eng mit der linksextremen Szene vernetzt. Die geplante Veranstaltung in Basel wird von einer Gruppierung namens «Lotta – organisiert kämpfen» durchgeführt. Die Gruppe will in «Alltagskämpfen» die «Selbstermächtigung vorantreiben» und eine «revolutionäre Gegenmacht» aufbauen. Mit den Medien spricht «Lotta» nicht. Verbandelt ist Samidoun auch mit dem RAS, dessen Exponenten laut einem Bericht des Bundesrates von 2004 schon in den 1970er und 1980er Jahren intensive Beziehungen zur Terrorszene pflegten.
Wie eng die Verbindungen zwischen Samidoun und dem RAS ist, zeigt ein Video, das der Basler RAS-Ableger Ende November auf Instagram gepostet hat. Darauf ist zu sehen, wie Aktivisten vor dem deutschen Konsulat beim badischen Bahnhof in Basel ein Transparent anbringen: «Kein Verbot von Samidoun – Freiheit für Palästina». Verschiedene Gruppierungen, die zu Palästina-Demos aufrufen, unterstützen Samidoun ebenfalls.
Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) macht auf Anfrage der NZZ keine Angaben zu allfälligen Erkenntnissen über Samidoun-Aktivitäten in der Schweiz. Der NDB äussere sich weder zu seinen operativen Tätigkeiten noch zu Einzelfällen, einzelnen Gruppierungen oder Organisationen, erklärt eine Sprecherin. Er verfolge die Lageentwicklung im Nahen Osten und allfällige Konsequenzen für die Schweiz laufend.
In der Schweiz kann Samidoun im Unterschied zu Deutschland mangels gesetzlicher Grundlage nicht verboten werden. Der Bundesrat plant derzeit aber ein Verbot der Hamas sowie verwandter Organisationen. Im November hatte der Bundesrat beschlossen, die Terrororganisation per Spezialgesetz zu verbieten. Die Umsetzung wirft schwierige Fragen auf. So zum Beispiel jene, ob und unter welchen Voraussetzungen auch Organisationen wie Samidoun von einem Verbot erfasst werden sollen.