Mit dem PoMo-Museum in Trondheim erhält Norwegen bereits die dritte private Institution für Gegenwartskunst, die in den letzten Jahren die öffentliche Museumslandschaft bereichert hat.
Trondheim ist ein Pilgerort. Die grosse Kathedrale zieht jedes Jahr viele christliche Wallfahrer aus ganz Europa an, die in 32 Tagen die Gudbrandsdalsleden-Route abwandern. Die Chancen, dass es der norwegischen Stadt am Fjord gelingen wird, auch für zeitgenössische Kunst ein Pilgerort zu werden, erhöhen sich dramatisch, seitdem ein neues, privates Museum in der Innenstadt eröffnet wurde. Es heisst PoMo und verdankt sich dem Vermögen eines Milliardärs.
Die ehemalige Hauptpost, ein herrliches Jugendstilgebäude von Karl Norum, wurde dafür von dem Osloer Architekten Erik Langdalen sensibel umgestaltet. Seine Arbeit steht etwas im Schatten der Farbtupfer, die die französisch-iranische Designerin India Mahdavi in dem Haus gesetzt hat: Ein Museumsraum in Schweinchen-Rosa soll an die «Three Little Pigs»-Zeichentrickfilme erinnern, die sie als Kind in Amerika gesehen hat.
Die elegante Stahltreppe, die Langdalen in die alte Post eingefügt hat, liess sie curryfarben streichen. Der gewendelte Aufstieg erinnert in seiner Form an die Paketrutsche, die sich einst in der Post befand. Weil viele Holzhäuser, die den Charme von Trondheims Altstadt am Fluss ausmachen, ebenfalls monochrom gestrichen sind, war die Idee, derlei farbige Akzente im Museum zu setzen, für Mahdavi naheliegend gewesen.
Neongelbe Madonna
Die Skulpturen, die aus der Sammlung von Monica und Ole Reitan für die Eröffnungsausstellung in die ehemalige Schalterhalle der Post platziert wurden (die Schalter wurden leider abgerissen), erstrahlen hingegen vor gleissend weissen Hintergründen, die den nationalromantischen Details des Gebäudes ihre Ausdruckskraft rauben: Katharina Fritschs neongelbe Madonna beispielsweise lenkt die Aufmerksamkeit ganz von der Schönheit der Architektur weg und auf Trondheims Rolle als Reiseziel für Christen.
Kombiniert werden die weiss gestrichenen Wandflächen und Stützen mit Terrazzo-Böden und runden Möbeln aus Esche. Über den dreidimensionalen Metallsträngen von Franz West, die in der Schalterhalle lagern, gehen die bunten Heliumballons von Philippe Parreno unter der Lichtdecke fast unter.
Wohl weil Norwegens neuestes Privatmuseum in einem ehemaligen Postgebäude unterkommt, hat der junge dänische Kurator Rasmus Christensen seine Eröffnungsschau «Postcards From The Future» genannt. Katharina Fritschs Postkartenmotive, die die Museumsbesucher empfangen, zeigen zwar tatsächlich Siebdrucke von Ibiza-Postkarten von 2003, die Fritsch übergross und ebenfalls monochrom aufgezogen hat. Der Titel der Ausstellung wirkt dennoch recht willkürlich.
Darunter müssen Piranesis «Carceri» ebenso passen wie Andy Warhols «Mao», der allerdings nicht zur Sammlung gehört und als Leihgabe die «Postkarten»-Ausstellung bereichert. Das Gleiche gilt für die humorvollen Töpferfiguren des Schweizer Künstlerduos Fischli & Weiss, die Schlüsselmomente der Weltgeschichte verulken. Ein dunkler Saal mit ebenso dunklen Munch-Grafiken darf auch nicht fehlen.
Umgekehrte Geschlechterdiskriminierung
Dass männliche zeitgenössische Künstler in der Sammlung und auch in der Ausstellung stark unterrepräsentiert sind, ist kein Zufall: Das PoMo-Haus hat sich selbst eine umgekehrte Geschlechterdiskriminierung zugunsten von Künstlerinnen zur Vorgabe gemacht. «Mindestens 60 Prozent des Budgets für Neuerwerbungen sind für Künstlerinnen bestimmt», so die Sammler.
Mit Simone Leigh und Sandra Mujinga sind eine afroamerikanische und eine afrikanische Künstlerin prominent in der wachsenden Kollektion vertreten. Immerhin durfte Ugo Rondinone einen leuchtenden Regenbogen auf dem Dach des denkmalgeschützten Hauses platzieren. Neben vielen jungen deutschen Künstlerinnen stechen die Arbeiten der jungen Chinesin Cui Jie hervor, deren Stadtansichten Bauhaus-Ästhetik mit chinesischer Propagandakunst und der Architektur des japanischen Metabolismus kreuzen.
Cui Jie ist eine der Lieblingskünstlerinnen der Direktorin Marit Kvernmo. Der Parcours der Besucher durch ihr Haus über drei Ausstellungsebenen kulminiert in einer Bibliothek im obersten Stockwerk, die Mahdavi im Stil von traditioneller norwegischer Handwerkskunst gestaltet hat. Die rurale Kunst, die der Architekt des Museums überwunden hat, kehrt so nach hundert Jahren wieder in das Haus zurück.
Das Postgebäude ist eines der schönsten Werke von Karl Norum und wurde 1911, im Jahr seines Todes, eingeweiht. Norwegen hatte sich damals just von Schweden getrennt. Staatliche Bauten wie Postämter waren eine willkommene Gelegenheit für Bauherren ebenso wie für patriotische Architekten, der jungen Nation einen eigenen ästhetischen und baulichen Ausdruck zu verleihen, der den Drage-Stil (Drachen-Stil) der Holzbauten überwand und zu einer städtischen Haustein-Architektur führte. Im Fall des Postamts steckt sogar ein modernes Stahlskelett hinter den rustizierten Granitfassaden, was den Umbau des Hauses enorm erleichterte.
Da das PoMo-Museum einen ungünstigen U-förmigen Grundriss hat, hat Langdalen, der Architekt des Umbaus, eine neue «Brücke» als vierten Riegel hinzugefügt. Von ihr aus kann man in den Innenhof des Museums blicken, in dem eine bunte Skulptur der Kuwaiterin Monira Al Qadiri unter freiem Himmel vertaut wurde. Die schöne Lichtdecke darunter wurde leider verschlossen. Aus den Galerien fällt der Blick auf der anderen Strassenseite auf das Britannia Hotel von 1895 und Hjorten Teater von 1899. Auch dies sind Werke von Norum und gehören heute ebenfalls zum Immobilienportfolio des Sammlerpaars.
Ein Familienimperium
Mit der Freimaurerloge und dem Zollamt hat der Architekt noch weitere stadtbildprägende Gebäude in Trondheim entworfen, die einer neuen Nutzung harren. Aber nicht in jedem brachgefallenen Jugendstilbau kann Kunst einziehen. Trotz dem Wortspiel, gebildet aus dem Begriff «Posten Moderne», kurz PoMo, haben die Initiatoren es versäumt, das Thema der Postmoderne in der Kunst zu thematisieren.
Dabei fällt diese Umbruchszeit genau in den kometenhaften wirtschaftlichen Aufstieg der Gründer des Museums: Nachdem Ole Reitan 1948 einen Kolonialwarenladen in Trondheim eröffnet hatte, gründete sein Sohn Odd in den siebziger Jahren die «Rema-1000»-Discount-Supermarkt-Kette, die genau tausend Produkte in einfachen Läden billig verkaufte. Später kamen Hunderte weiterer Kioske, 7-Eleven-Läden und Tankstellen im In- und Ausland zum Reitan-Familienimperium hinzu.
Nach dem Astrup-Fearnley-Museum für moderne Kunst in Oslo und dem Kunstsilo in Kristiansand ist das PoMo das dritte grosse private Kunstmuseum in Norwegen, das in den letzten Jahren die öffentliche Museumslandschaft bereichert hat. Angesichts des enormen Vermögens in den Händen einiger kunstsinniger Milliardäre in Norwegen wird das PoMo in Trondheim aber wohl nicht lange das letzte bleiben.
Eröffnungsausstellung «Postcards From The Future», PoMo, Trondheim, bis 22. Juni.