Viele Vorschriften sind zu rigide. Was es braucht, ist eine Entschlackungskur. Gefordert ist der grüne Baudirektor Martin Neukom. Doch der scheint andere Prioritäten zu haben.
Der Fall klingt nach Kafka, hat sich aber genau so zugetragen. Ein älterer Herr mit Lungenleiden bemühte sich in einer Gemeinde im Zürcher Oberland um einen Treppenlift. Die Stufen zu seiner Eigentumswohnung im zweiten Stock schaffte er kaum mehr ohne Hilfe.
Das Problem: Für einen solchen Lift benötigt man im Kanton Zürich eine Baubewilligung. Alleine das ist stossend. Denn nur der Kanton Genf kennt neben Zürich eine Bewilligungspflicht. Alle anderen Kantone verzichten mit guten Gründen darauf.
Treppenlifte sind heute als Geräte schon mehrfach reguliert – etwa beim Gesundheitsschutz oder bei den Sicherheitsanforderungen. Eine zusätzliche Hürde ist schlicht nicht nötig.
Wenn dann wenigstens das Bewilligungsverfahren schnell und unkompliziert abgewickelt würde. Doch der Fall des Zürcher Oberländers, den die NZZ publik gemacht hat, zeigt, dass dies keineswegs gegeben ist. Der Mann musste zig Formulare ausfüllen und Unterlagen zusammentragen, in seiner Gemeinde wurde er von einem Amt zum nächsten geschickt.
Dazu kamen die Kosten: 1000 Franken wurden dem kranken Gesuchsteller für die Bewilligung und Abnahme des Lifts in Rechnung gestellt. Über fünf Monate dauerte das Hin und Her mit den Behörden; der Lift wäre in einem Tag montiert gewesen.
Die Tragik hinter dem Fall: Der Mann erlebte den letztlich positiven Bauentscheid des Bauamts gar nicht mehr. Er verstarb kurz zuvor. Die letzten Monate seines Lebens musste er fast ausschliesslich in seiner Wohnung verbringen. Er wartete auf die Baubewilligung – buchstäblich bis zum Tod.
Der Fall steht sinnbildlich dafür, dass im Zürcher Bauwesen etwas schiefläuft. Es gibt zu viele Vorschriften, die Verfahren dauern zu lange, und die Gebühren sind zu hoch. Natürlich kann man nicht verallgemeinern, gewisse Gemeinden bemühen sich redlich um eine effiziente Handhabe, andere verhalten sich jedoch stur und alles andere als Bauherren-freundlich. Insgesamt ist das Bild düster.
Die ZKB hat vor zwei Jahren untersucht, wie lange die Verfahren im Mittel dauern – mit vernichtendem Resultat. Wer im Kanton Zürich ein Baugesuch einreicht, muss 170 Tage warten, bis die Bewilligung eintrifft. Einberechnet ist dabei die Zeit, die für Projektanpassungen und Einsprachen verstreicht. In der Stadt Zürich sind es sogar 330 Tage, also fast ein Jahr. Das liegt deutlich über dem Schweizer Median von 140 Tagen. Generell haben die Wartezeiten seit 2010 stark zugenommen.
Zürich steht also schlecht da, und das in einer Zeit, in der wegen des anhaltenden Bevölkerungswachstums eigentlich unkomplizierter gebaut werden sollte. Es besteht Handlungsbedarf.
Gefragt ist eine Entschlackungskur, ein Frühjahrsputz auf kantonaler Ebene: Welche Bauvorschriften sind zwingend nötig, welche können sorglos gestrichen werden? Der Zürcher Baudirektor Martin Neukom sollte eine solche umfassende Analyse in Angriff nehmen.
Der Grüne scheint jedoch andere Prioritäten zu haben. Vor einem Jahr hat er erfolgreich ein Paket zur «klimaangepassten Siedlungsentwicklung» durch das Kantonsparlament gebracht. Die Folge: Im Namen des Klimaschutzes gibt es mehr statt weniger Vorschriften.
Umso wichtiger ist es jetzt, andere unsinnige Vorgaben zu streichen. Die Bewilligungspflicht für Treppenlifte gehört dazu, jene für Gartenmöbel wie Spielgeräte oder Pergolen ebenfalls. Entsprechende Vorstösse wurden im Kantonsrat lanciert – oft mit breiter Unterstützung quer durch alle Parteien. Man wird viele weitere Beispiele finden.
Andere Kantone sind bei den Bauvorschriften weniger rigide als Zürich. Mit gutem Grund: Niemand hat ein Interesse an unnötiger Bürokratie.