Für unnötige Regulierungen wird jedes Jahr der «rostige Paragraf» verliehen. Zürich ist hoch im Kurs für einen Preis.
Mit dem «rostigen Paragrafen» vergibt die IG Freiheit jedes Jahr eine wenig schmeichelhafte Prämierung: Sie kürt «das dümmste Gesetz, den unnötigsten Vorstoss oder den bürokratischsten Entscheid» aus Politik und Verwaltung in der Schweiz.
Dieses Jahr hat die IG fünf Kandidatinnen und Kandidaten nominiert – und gleich zwei stammen aus Zürich: die Stadträtinnen Simone Brander (SP) und Karin Rykart (Grüne).
Brander hat in Zürich eine amtliche Kompostkontrolle eingeführt. Hintergrund ist die neue Container-Pflicht für Liegenschaften. Dafür stellt die Stadt Grüngut-Container als Leihgabe zur Verfügung, die jährliche Mengengebühr beträgt 113 Franken und 50 Rappen für einen 140-Liter-Container. Wer einen eigenen Kompost besitzt, kann sich von der Gebührenpflicht befreien lassen und muss dafür das «Formular Nachweis Kompostierung» ausfüllen.
Doch damit ist die Sache noch nicht erledigt. Liegenschaftenbesitzer müssen angeben, welche Art von Kompost sie betreiben. Und dann kommt die Kompostkontrolle vorbei. Gegenüber der NZZ schilderte eine Hausbesitzerin, dass ein Mitarbeiter von Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ) ihr tatsächlich einen Besuch abgestattet und sich erkundigt habe, wo und wie genau sie denn nun Salatstrünke und Rüeblischalen entsorge.
Die städtische SVP war derart erzürnt über diese Behördengänge, dass sie Jacken für die Kontrolleure verlangte, die mit «Kompostpolizei» beschriftet werden sollten. Mit einem entsprechenden Budgetantrag hatte sie im Parlament allerdings keine Chance.
Branders Stadtratskollegin Karin Rykart hat die IG Freiheit wegen eines «Bussenwahnsinns» nominiert. Auf einem Teilstück der Langstrasse in Zürichs Ausgehmeile hatte die Stadt per Ende September tagsüber ein Fahrverbot errichtet. Eines, dessen sich unzählige Autofahrerinnen und Autofahrer entweder nicht bewusst waren oder das sie schlicht ignorierten.
Schliesslich installierte Rykarts Sicherheitsdepartement einen automatischen Blitzer, und dieser spülte ordentlich Geld in die Stadtkasse. Im ersten Monat wurden 17 310 Bussen à 100 Franken ausgestellt – macht 1,7 Millionen Franken. Die Stadt nimmt jedes Jahr insgesamt 60 Millionen Franken an Bussgeldern ein. Gut möglich, dass dieser Betrag wegen des Langstrassen-Blitzers dieses Jahr getoppt wird.
Für Karin Rykart wäre es bereits die zweite Auszeichnung. Ihr wurde schon 2021 der «rostige Paragraf» verliehen. Ein Jahr zuvor hatte die Stadt sogenannte Hundezonen definiert. In einem 72-seitigen Dokument mit detaillierten Regeln wurde festgelegt, auf welchen Arealen sich Hunde aufhalten dürfen. Am Seeufer richtete die Stadt ein Hundeverbot ein.
In der Bevölkerung war der Ärger darüber gross: Über 400 Einsprachen von Hundebesitzern gingen bei der Stadt ein. Ein halbes Jahr später machte sie einen Rückzieher und hob das Hundeverbot auf. Zudem begrenzte sie die tagsüber geltende Leinenpflicht in den Seeuferanlagen auf die Sommersaison. Das Reglement gibt es aber immer noch.
«Zürich ist Meister im Erlass bürokratischer Reglemente», hielt die IG dazu fest. Beispiele seien das Obligatorium von Risikoanalysen für Räbeliechtli-Umzüge, der 270 Seiten umfassende Masterplan «Züri-WC» (mit Pissoirverbot aus Gleichstellungsgründen), die Reglementierung von Marronihäuschen oder die Prostitutionsgewerbeverordnung. «Nur eines gibt es in der Stadt Zürich offenbar noch nicht: eine Zone für gesunden Menschenverstand.»
Die Gewinnerin oder der Gewinner des «rostigen Paragrafen» wird mit einem Online-Voting ermittelt. Die Preisverleihung findet am 21. Mai im Zürcher Klub Aura statt.
Die IG Freiheit wurde 2006 von einer Gruppe Unternehmern und Politikern gegründet. Sie will nach eigenen Angaben dazu beitragen, den «Freiheitsgedanken in der Schweiz» zu stärken.