Der neue kanadische Premierminister hat am Sonntag vorgezogene Wahlen ausrufen lassen, und zwar bereits für den 28. April. Wegen der Angriffe von Donald Trump ist seine Liberale Partei im Aufwind.
Erst seit zehn Tagen ist Mark Carney als Premierminister im Amt, und schon lässt er Neuwahlen ausrufen. Am Sonntag hat er die Generalgouverneurin Mary Simon gebeten, das Parlament aufzulösen und die Wahl für den 28. April anzusetzen. Simon hat die konstitutionelle und zeremonielle Rolle einer Repräsentantin von Kanadas offiziellem Staatsoberhaupt, König Charles III.
Aufschwung der Liberalen
Carney wurde am 9. März zum neuen Vorsitzenden der Liberalen Partei gewählt, nachdem Justin Trudeau im Januar nach neun Jahren als Regierungschef zurückgetreten war. Damit rückte Carney zugleich als Trudeaus Nachfolger als Premierminister nach. Aber es war schon bei seinem Amtsantritt am 14. März klar, dass dies nur eine Übergangslösung war.
Carneys Gegenspieler Pierre Poilievre, Vorsitzender der Konservativen, kündigte einen Misstrauensantrag im Parlament an, ebenso Jagmeet Singh, Vorsitzender der New Democratic Party. Auch Carney selbst braucht Rückendeckung und klare Verhältnisse, denn ihm stehen harte Kämpfe bevor. Der amerikanische Präsident Donald Trump droht dem Land mit immer neuen Zöllen, phantasiert davon, es zum 51. Gliedstaat der USA zu machen, und beleidigt es unaufhörlich. Gerade am Donnerstag wieder nannte er Kanada «das schlimmste Land».
Carney verspricht sich einen Vorteil, wenn die Wahlen so bald als möglich angesetzt werden. Denn seine Liberale Partei befindet sich gegenwärtig auf einem Höhenflug, nachdem ihre Umfragewerte in den letzten Jahren permanent gesunken sind, vor allem wegen Trudeaus zunehmender Unpopularität. Aber nun profitiert die Mitte-links-Partei ausgerechnet von Trumps Attacken. Das Land rückt in einer Welle von trotzigem Patriotismus zusammen, und Poilievre, der immer wieder mit Trump verglichen wurde, ist der Verlierer.
Während die Konservativen vor zwei Monaten auf mehr als 40 Prozent und die Liberalen auf weniger als 20 kamen, sind nun die Liberalen mit 42 Prozent in Führung, während sich nur noch 37 Prozent der Kanadier zu den Konservativen bekennen. Einen solch abrupten Meinungsumschwung gab es in Kanada seit Jahrzehnten nicht mehr. Carney will von diesem Momentum profitieren und wird seinen Wahlkampf wohl ganz auf die Auseinandersetzung mit Trump ausrichten. Er hat bereits angekündigt, an Kanadas Gegenzöllen festzuhalten, wenn Trump die Zölle von 25 Prozent für kanadische Güter aufrechterhalte.
Noch kein Gespräch mit Trump
Weil zwischen zwei Wahlen maximal fünf Jahre liegen dürfen, muss der nächste Urnengang bis spätestens am 20. Oktober stattfinden. Aber Carney möchte den Wahlkampf verständlicherweise möglichst rasch hinter sich bringen, um sich dann – sofern die Liberalen gewinnen – ganz auf den Handelsstreit mit den USA konzentrieren zu können.
Der Premierminister wird nicht direkt vom Volk gewählt. Vielmehr wird der Vorsitzende der Partei, die die Parlamentswahlen gewinnt, automatisch Premierminister. Die Liberalen haben gegenwärtig 153 Sitze inne, die Konservativen 120 und die sozialdemokratisch orientierte New Democratic Party (NDP) 24. Der Bloc québécois mit 33 Sitzen tritt nur in der Provinz Quebec an.
Der 60-jährige Carney war Vorsitzender sowohl der kanadischen wie der britischen Zentralbank. Der Ökonom ist ein politischer Quereinsteiger. Vor seiner Wahl positionierte er sich deutlich gegen Trump, hält sich momentan jedoch eher zurück. Für Aufsehen sorgte, dass seine erste Auslandreise nicht, wie sonst üblich, nach Washington ging, sondern nach Paris und London, wo er auch von König Charles III. empfangen wurde. Bisher hat er mit Trump noch nicht einmal telefoniert.