Ein amerikanischer Youtuber muss ins Gefängnis. Er sprang 2021 ohne Not per Fallschirm aus einem kleinen Propellerflugzeug und liess dieses abstürzen. Das alles, um Klicks in den sozialen Netzwerken zu generieren. Die Rechnung ist nicht aufgegangen.
Das hätte richtig schiefgehen können. Der Pilot Trevor Jacob erlebt über bergigem Terrain im amerikanischen Gliedstaat Kalifornien plötzlich einen Motorausfall. Der Propeller des bereits 81 Jahre alten Oldtimerflugzeugs bleibt wenige Sekunden später stehen. Zum Glück reagiert der Pilot in rund 3500 Metern Höhe rasch. Er schnallt sich von den Gurten ab, öffnet die Tür des Zweisitzers und klettert mit einem umgeschnallten Fallschirm aus dem Cockpit. Dann springt er ab.
Während des Fallschirmsprungs ist der 29-Jährige sogar so abgebrüht, die ganze Zeit sein Handy mit Selfiestick in der Hand zu halten. So gelingt es ihm, sich ebenso wie die unter ihm gegen einen Hügel prallende Maschine zu filmen. Nach dem Aufkommen auf der Erde muss er mehrere Stunden bis zu einer Strasse wandern, bis ein Autofahrer den unverletzten Bruchpiloten mitnimmt. Jacob hat Glück im Unglück.
Bestens dokumentiertes Unglück
«Zufälligerweise» ist der Notfall aus gleich drei am Oldie-Hochdecker montierten Videokameras und einer Selfiekamera hervorragend dokumentiert. Und so postet der Privatpilot und Fallschirmspringer Jacob sein Unfallvideo vier Wochen nach dem Vorfall im November 2021 in den sozialen Netzwerken. Der perfekt aus vier Kameraperspektiven geschnittene 12-Minuten-Film des Absprungs geht bei Youtube durch die Decke und beschert seinem Produzenten mehr als vier Millionen Klicks sowie Fliegerheldenstatus als Bonus. Aber hier beginnen auch Trevor Jacobs Probleme.
Denn die Geschichte von der wundersamen Selbstrettung nach einem angeblich höchst gefährlichen Motorausfall wird in der Fliegerszene sofort angezweifelt. Das Verhalten des Unglückspiloten widerspricht nämlich jeglicher Airmanship – also jeglichem fliegerischen Wissen und Können – beim Steuern eines einmotorigen Propellerflugzeugs in bestem Wetter.
Statt zu versuchen, den Motor wieder zu starten oder aus der üppigen Höhe im Segelflug eine Landemöglichkeit in einem der zahlreichen Täler zu erreichen, macht Jacob so ziemlich alles genau anders, als es in einem echten Notfall ratsam wäre. Denn kein Pilot versucht, aus einem intakten Flugzeug auszusteigen, das noch voll steuerbar ist, im Segelflug aus dieser Höhe noch bis etwa 20 Kilometer weit gleiten kann und von seiner Konzeption her ohnehin kurzlandetauglich ist. Abgesehen davon hat in einem Motorflugzeug ausser bei Kunstflug der Pilot niemals einen Fallschirm umgeschnallt.
Diese Aktion allein hätte Jacob wohl nur zum Gespött seiner Fliegerkollegen gemacht. Aber der Youtuber mit dem grossen Ego beging kapitale Fehler und legte eine kriminelle Energie an den Tag, die sowohl die Justizbehörden als auch die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA aufmerksam werden liess. Denn obwohl die Szenen aus allen drei Bordkameras im Youtube-Video zu sehen waren, blieb das dazugehörige Flugzeug vom Typ Taylorcraft BL-65 spurlos verschwunden.
Das Flugzeugwrack verschwand auf wundersame Weise
Woher kamen also die Aufnahmen? Jacob gab gegenüber den Behörden an, nicht zu wissen, wo die Maschine hinuntergegangen sei. Mitten im Los Padres National Forest in Kalifornien stürzt eine Maschine tagsüber bei bestem Wetter ab, das Wrack bleibt aber über Wochen unauffindbar? Das gibt es nicht.
Des Rätsels Lösung ist ebenso ungewöhnlich wie dreist: Jacob engagierte einen Bekannten mit einem Helikopter. Der brachte schon kurz nach dem Crash das zerstörte und mit nur 300 Kilogramm ohnehin leichte Flugzeug heimlich per Lufttransport zu einem Hangar. Dort schredderte der Youtuber den aus Stahlrohr, Aluminiumrippen und Bespannstoff bestehenden Oldtimer in kleinste Teile. Diese liess er in unterschiedlichen Mülltonnen in der näheren Umgebung verschwinden.
Damit wollte Jacob vermeiden, dass die amerikanische Flugunfallbehörde NTSB, vergleichbar mit der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust), das Wrack und vor allem den Motor inspizieren konnte. Denn dann wäre sofort herausgekommen, dass der 65 PS starke Vierzylinder einwandfrei lief, keine Schäden hatte und schlichtweg vom Piloten abgestellt worden war.
Jacob hatte wohl nicht damit gerechnet, dass sein Video nicht nur bei Youtubern, sondern auch bei den Profis der Luftfahrtbehörde FAA viel Aufmerksamkeit erregen würde. Bei Befragungen durch deren Mitarbeiter verwickelte sich der ehemalige Snowboard-Profi in Widersprüche und gab schliesslich vor einigen Monaten zu, dass das komplette Notfallszenario ein Fake war. Er hatte es inszeniert, um mit dem Video Klicks zu gewinnen und dadurch Geld zu machen. Ihm drohten nun gleich mehrere Anklagen, etwa wegen Umweltverschmutzung durch das abgestürzte Flugzeug oder wegen des potenziellen Gefährdens von Menschen. Im schlimmsten Fall hätte ihn eine Gefängnisstrafe von bis zu zwanzig Jahren erwartet.
Angesichts dessen kam er nun fast schon mit einem blauen Auge davon. Er muss laut einem kalifornischen Bezirksgericht ins Gefängnis, aber nur für sechs Monate. Der Grund dafür ist eher ungewöhnlich: In Haft muss er nicht etwa wegen des vorsätzlichen Abstürzenlassens eines Flugzeugs, sondern wegen Behinderung der Justizbehörden. Andere Anklagepunkte wurden fallengelassen. Seine Privatpilotenlizenz hatte ihm die FAA bereits vor mehr als einem Jahr entzogen.
Viele Piloten der Allgemeinen Luftfahrt in den USA hoffen sogar, dass Trevor Jacob die Pilotenlizenz nun lebenslang verwehrt bleibt. Denn in ihren Augen ist er eine echte Schande für die Fliegergemeinschaft.