Masud Pezeshkian stellt ein Kabinett vor, dem nur eine Frau und ein Reformer angehören. Der frühere Aussenminister Zarif reicht daraufhin nach nur zehn Tagen frustriert seinen Rücktritt ein. Auch sonst lässt der Wandel auf sich warten.
Auf die Hoffnung folgt die Ernüchterung. Nur fünf Wochen nach seinem Sieg bei der Präsidentschaftswahl in Iran hat Masud Pezeshkian viele seiner Unterstützer enttäuscht. Statt mit der Auswahl seiner Minister ein Signal des Aufbruchs und der Erneuerung zu setzen, präsentierte der 69-Jährige am Sonntag eine Kabinettsliste, die vor allem ältere Konservative enthält. Entgegen seinen Versprechen berief er nur einen Reformer und eine Frau in sein Kabinett. Vertreter der Sunniten oder der ethnischen Minderheiten sucht man völlig vergebens.
Aus Protest reichte mit Mohammed Javad Zarif ein wichtiger Partner seinen Rücktritt ein. Der frühere Aussenminister war erst Anfang August von Pezeshkian zu dessen Stellvertreter für strategische Fragen berufen worden. Der 64-Jährige, der 2015 eine zentrale Rolle bei der Aushandlung des Atomabkommens gespielt hatte, setzte sich im Wahlkampf für Pezeshkian ein. Für viele Wähler verkörperte der erfahrene Diplomat die Hoffnung auf einen Ausgleich mit dem Westen.
Zarif begründete seinen Rücktritt damit, dass seine Empfehlungen für die Besetzung der Ministerposten weitgehend ignoriert worden seien. Nach seinem Wahlsieg Anfang Juli hatte Pezeshkian Zarif mit der Leitung einer Kommission beauftragt, die ihm nach der Prüfung ihrer politischen Positionen und Kompetenzen Kandidaten für das Kabinett empfehlen sollte. Offenbar wurden aber nur wenige dieser Kandidaten bei der Vergabe der Ministerposten berücksichtigt.
Die Welle der Hinrichtungen hält ungebrochen an
Obwohl Pezeshkian als Kandidat der Reformer zur Wahl angetreten war, ist Vizepräsident Mohammed Reza Aref der einzige Reformer in seinem Kabinett. Stattdessen finden sich drei Minister seines im Mai bei einem Helikopterabsturz verunglückten Vorgängers Ebrahim Raisi auf der Liste. Besonders umstritten ist die erneute Ernennung von Ismail Khatib zum Geheimdienstminister. Kritiker werfen ihm Versagen vor, nachdem in der Nacht nach Pezeshkians Vereidigung der Hamas-Führer Ismail Haniya in Teheran bei einem Anschlag getötet worden ist.
Ebenfalls umstritten ist die Ernennung von Iskander Momeni zum Innenminister. Momeni war bisher mit dem Kampf gegen den Drogenhandel beauftragt. Das Regime setzt dabei stark auf Repression. Unter Präsident Raisi war die Zahl der Hinrichtungen wegen Drogendelikten nach einem vorübergehenden Rückgang wieder stark gestiegen. So wurden nach Zählung der NGO Iran Human Rights im vergangenen Jahr 471 Personen wegen Drogendelikten exekutiert.
Diese Hinrichtungswelle hält dieses Jahr ungebrochen an und hat sich nach der Präsidentenwahl sogar noch beschleunigt. Allein in dem Monat nach Pezeshkians Wahlsieg wurden 87 Häftlinge gehängt, wie Iran Human Rights mitteilte. Besonderes Aufsehen erregte die Hinrichtung von 29 Männern an einem einzigen Morgen. Sie wurden in der Nacht zum 7. August in den Gefängnissen Karaj und Ghezelhisar wegen Mordes, Vergewaltigung und Drogenhandels hingerichtet.
Zwar erfolgen nur die wenigsten Hinrichtungen ausdrücklich wegen politischen Delikten. Nach Einschätzung von Menschenrechtlern soll die Welle der Exekutionen aber die Bevölkerung einschüchtern. Mit Reza Rasayi wurde am 6. August zudem ein Teilnehmer der «Frauen, Leben, Freiheit»-Proteste im Herbst 2022 hingerichtet. Der 36-jährige Kurde war nach einem offenbar unter Folter erzwungenen Geständnis zum Tode verurteilt worden. Er wurde in Kermanshah gehängt, ohne dass seine Familie vorab darüber informiert worden war.
Die Zweifel am Reformwillen Pezeshkians wachsen
Zwar trägt Pezeshkian als Präsident keine direkte Verantwortung für die Hinrichtungen. Kritiker sehen trotzdem ihre Sorge bestätigt, dass sich unter seiner Regierung nichts am repressiven Charakter des Regimes ändert. Der 69-Jährige hat sich zwar im Wahlkampf gegen die gewaltsame Durchsetzung der Kleider- und Moralvorschriften ausgesprochen. Es bestehen aber Zweifel, dass er fähig und willens ist, sich gegen die konservativen Machtzentren durchzusetzen.
Offen ist auch, ob Pezeshkian sein Versprechen einlösen kann, das Verhältnis zum Westen zu verbessern und eine Lockerung der schmerzhaften Finanz- und Handelsbeschränkungen zu erreichen. Der Schlüssel dazu ist es, den Atomstreit zu entschärfen. Einen ersten Schritt in diese Richtung machte Pezeshkian mit der Nominierung des langjährigen Atomunterhändlers Abbas Araghchi als Aussenminister. Wie alle Minister muss Araghchi noch vom Parlament bestätigt werden, das von den Konservativen und Hardlinern dominiert wird.
Zwar gibt es bereits seit einigen Jahren indirekte Gespräche mit den USA in Oman. Ob es auch zu einer formellen Wiederaufnahme der Atomverhandlungen kommt, wird aber davon abhängen, ob Ayatollah Ali Khamenei grünes Licht dazu gibt. Der Revolutionsführer hat bei allen wichtigen Fragen der Aussenpolitik das letzte Wort. Entscheidend für das Verhältnis zum Westen wird allerdings auch sein, wie Teheran auf das Attentat auf Haniya reagiert. Sollte das Regime wie erwartet für die Tötung des Hamas-Chefs Vergeltung an Israel üben, dürfte dies eine diplomatische Initiative Pezeshkians deutlich erschweren.







