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Am Freitag drängten die USA in einer Uno-Resolution erstmals auf eine «sofortige» Waffenruhe in Gaza. Doch Moskau und Peking ging der Text zu wenig weit. Viel stärker kann Biden den Druck auf Israel aber kaum erhöhen: Die Republikaner wetzen bereits ihre Messer.
Der Druck der linken Demokraten auf Joe Biden und die eigene Parteiführung zeigt Wirkung. Der amerikanische Präsident verschärfte seinen Ton gegenüber Israel in den vergangenen Wochen deutlich. Unter anderem bezeichnete Biden eine Offensive auf Rafah ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung als «rote Linie» und warf dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu vor, seinem Land zu schaden. Chuck Schumer, der demokratische Mehrheitsführer im Senat, rief kürzlich gar zu Neuwahlen in Israel auf. Netanyahus Regierungskoalition habe keine geeignete Vision für die Zukunft des Landes. Schumer habe eine «gute Rede» gehalten, meinte Biden hinterher.
Am Freitag nun legte die amerikanische Regierung dem Uno-Sicherheitsrat eine Resolution vor, in der erstmals die Rede von «der Notwendigkeit eines sofortigen und nachhaltigen Waffenstillstands» ist, um die Not der Zivilbevölkerung zu lindern. Bisher drängte Washington lediglich auf eine temporäre Kampfpause und machte die Freilassung der Geiseln durch die Hamas zu einer klaren Bedingung. Nun hiess es in dem Text etwas abgeschwächt, dass der Sicherheitsrat die diplomatischen Bemühungen unterstütze, um «einen solchen Waffenstillstand in Verbindung mit der Freilassung aller verbleibenden Geiseln zu erreichen».
Offensive findet statt – «mit oder ohne die USA»
Die Mehrheit der fünfzehn Mitglieder im Uno-Sicherheitsrat stimmte für die Resolution. Doch China und Russland legten ihr Veto ein, während auch Algerien dagegen votierte und Guyana sich enthielt. Trotz der verschärften Formulierung war ihnen die Sprache der Resolution immer noch zu vage. Der Text forderte keine Waffenruhe, sondern betonte lediglich ihre «Notwendigkeit». Der chinesische und der russische Uno-Botschafter hätten sich zudem deutlichere Worte gegen eine israelische Offensive auf Rafah gewünscht.
Am Donnerstag bezeichnete der amerikanische Aussenminister Antony Blinken eine grosse Militäroperation in Rafah als «Fehler». Sie sei nicht notwendig, um die Hamas zu besiegen. Die Stadt Rafah liegt ganz im Süden des Gazastreifens und ist für über eine Million geflüchtete Palästinenser zum letzten Zufluchtsort geworden. Der israelische Uno-Botschafter Gilad Erdan betonte am Freitag jedoch, dass sich dort auch noch 8000 Hamas-Kämpfer verschanzten. Der Weg zu einem Ende des Krieges führe deshalb durch Rafah. «Man kann kein Feuer löschen, wenn man es nicht ganz auslöscht.»
Blinken befindet sich derzeit erneut auf einer Reise im Nahen Osten. Am Freitag war er in Israel zu Besuch. Dabei traf er sich auch mit Netanyahu. Dieser sagte dem amerikanischen Aussenminister jedoch, dass Israel unter allen Umständen eine Operation in Rafah durchführen werde. Er habe zu Blinken gesagt: «Ich hoffe, wir machen dies mit der Unterstützung der USA. Aber wenn wir müssen, tun wir es allein.»
Noch hofft Präsident Biden, dass er Netanyahu und dessen Regierung umstimmen kann. In den nächsten Tagen werden der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant sowie eine hochrangige Regierungsdelegation in Washington erwartet. Einerseits soll es dabei um weitere Waffenlieferungen gehen, die sich Israel wünscht. Andrerseits will das Weisse Haus den Israeli aber auch Alternativen für eine Offensive auf Rafah präsentieren.
Gemäss amerikanischen Regierungskreisen könnte eine solche Militäroperation zu einem Bruch in den bilateralen Beziehungen mit Israel führen. Biden muss fürchten, dass neue Bilder ziviler Kriegsopfer und hungernder Menschen aus dem Gazastreifen den linken Protest in seiner Partei gegen ihn weiter schüren. Letztlich könnte dies auch seine Chancen auf eine Wiederwahl gefährden.
Republikaner stellen sich hinter Netanyahu
Gehen der amerikanische Präsident und die demokratische Parteiführung aber zu sehr auf Distanz zu Israel, werden sie damit womöglich andere Wählergruppen enttäuschen. Biden und Schumer versuchen derzeit vor allem Netanyahu zu einem Sündenbock zu machen, der mit seiner Politik nicht im Interesse seines Landes handle. Doch die Republikaner eilen dem israelischen Ministerpräsidenten bereits zu Hilfe und üben Kritik an den Demokraten.
Man könne verbündeten Demokratien nicht vorschreiben, wer ihre Führer sein sollten oder wie sie sich zu verteidigen hätten, erklärte der republikanische Senatsführer Mitch McConnell nach Schumers Rede. Gleichzeitig warf er Biden vor, in dem Krieg zu viel «Mikromanagement» zu betreiben. Die USA sollten den Israeli einfach die notwendigen Mittel zukommen lassen und ihnen die Taktik selbst überlassen.
Am Mittwoch bat Netanyahu darum, über eine Videoschaltung zu den demokratischen Senatoren sprechen zu können. Doch während Schumer dies ablehnte, stimmten die republikanischen Senatoren einer solchen Konferenzschaltung zu. Nun teilte Mike Johnson, der republikanische Vorsitzende im Repräsentantenhaus, mit, dass er Netanyahu zu einer Rede vor den versammelten Kongresskammern einladen wolle. Wenn Schumer dem nicht stattgebe, werde er den israelischen Ministerpräsidenten eben allein ins Repräsentantenhaus einladen. «Aber eine grosse Mehrheit des Senats würde sicher kommen, um Netanyahu und Israel zu unterstützen.»
Am Donnerstag signalisierte Schumer, dass er einer solchen Einladung für Netanyahu nicht im Weg stehe. Es blieb ihm fast nichts anderes übrig. Er begrüsse es immer, wenn ein israelischer Ministerpräsident «auf parteiübergreifende Weise» vor dem Kongress reden könne, meinte Schumer.
Die Episode erinnert an 2015. Damals trat Netanyahu gegen Präsident Barack Obamas Willen vor dem Kongress auf, um das Atomabkommen mit Iran zu kritisieren. Rund sechzig demokratische Abgeordnete boykottierten die Rede. Nun könnte Netanyahu die Demokraten erneut blossstellen.