Eine Dokumentation des Senders TV 2 zeigt, wie Gangster munter Geschäftsleute bestechen und den Rechtsstaat untergraben. Nun gerät auch der TV-Sender unter Kritik.
Es geht locker und spassig zu, wenn Fasar Abrar Raja vor versteckter Kamera plaudert. Das Mitglied der Motorradgang Bandidos brüstet sich lachend damit, wie er vor Gericht den Dummen spielt, den psychisch Angeschlagenen. Die Strategie ging bisher auf. Obwohl ihm Straftaten zur Last gelegt werden, die Raja bis zu 55 Jahre hinter Gitter bringen könnten, blieb ihm das Gefängnis erspart.
Auf den Aufnahmen, die der dänische Sender TV 2 in einer verwanzten Anwaltskanzlei drehte, wirkt der Bandido mit dem Spitznamen «die Katze» fit und unternehmungslustig. Er diskutiert mit einer Managerin einer führenden Immobilienfirma Dänemarks über die illegale Entsorgung verseuchter Bauabfälle. Raja lässt nicht unerwähnt, dass sein schalldichtes Büro geeignet sei, Folterungen durchzuführen. Einem Guru gleich trägt der Sozialhilfebezüger einen flauschigen Rauschebart, die grauweissen Kopfhaare sind nach hinten gegelt. Eine andere Sequenz zeigt ihn im entspannten Gespräch mit einer Anwältin.
Der Bandido mit pakistanischen Wurzeln ist einer der Hauptprotagonisten der Dokumentation «Schwarzer Schwan». Sie rüttelt gerade kräftig am Selbstverständnis Dänemarks: Man sieht sich als Land mit rechtschaffenen Geschäftsleuten, einem funktionierenden Rechtsstaat und einer blütenweissen Weste, wenn es um Korruptionsbekämpfung geht. Zum fünften Mal in Folge holte sich das Königreich 2023 die Topposition im globalen Ranking von Transparency International.
«Inakzeptabler moralischer Absturz»
Die mehrteilige Doku zeigt jetzt aber, wie Repräsentanten angesehener Kanzleien und Unternehmen Hand boten für Geldwäscherei, Steuerhinterziehung und andere krumme Geschäfte. Ein früherer Stadtrat von Koge mit sozialdemokratischem Parteibuch dient sich in einer Szene Kriminellen an und wirft seine exzellenten politischen Beziehungen in die Waagschale. In einer anderen Geheimaufnahme sichert ein Insolvenzverwalter zu, sich vor Gericht den Wünschen eines kriminellen Auftraggebers zu fügen.
An diesen heiklen Konversationen beteiligten sich nicht bloss subalterne Angestellte – sondern auch Entscheidungsträger von angesehen Unternehmen. Ein Stelldichein von Mitgliedern der Unterwelt mit der Oberschicht. Mehrere der angeschuldigten Personen mussten ihre Ämter nach der Doku abgeben. Bei der Polizei wurde Anzeige erstattet.
Dänemarks sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, die den Kampf gegen die Bandenkriminalität zu einer Priorität erklärt hat, reagierte entsetzt auf die Enthüllungen. Sie diagnostizierte einen «absolut inakzeptablen moralischen Absturz». Die Respektlosigkeit gegenüber Land und Rechtsstaat empfinde sie als zutiefst beleidigend.
Entrüstet äusserte sich auch der Justizminister Peter Hummelgaard. Er kündigte schärfere Gesetze an. Die Führung der Sozialdemokraten hat Hummelgaard und Wirtschaftsminister Morten Bodskov für ein Hearing vorgeladen. Der Präsident der Anwaltskammer redete die Vorkommnisse dagegen als «Einzelfall» klein, was insofern seltsam klingt, als TV 2 ja eben mehrere Fälle zusammengetragen hat.
Heikle Geldzahlungen
Möglich machte die Enthüllungen die Anwältin Amira Smajic. Sie hatte Klienten aus der Unterwelt beraten, wollte aber – gemäss eigenen Aussagen – vor zwei Jahren mit der Vergangenheit brechen und die Praktiken öffentlich machen. Smajic wandte sich an einen Investigativjournalisten und stellte dem Fernsehteam ihre Kanzlei zur Verfügung. Die Journalisten versteckten die Kameralinsen in Steckdosen.
Später stellte sich heraus, dass die Anwältin in einer zweiten Kanzlei weiterhin zwielichtige Deals einfädelte und zudem eine Beziehung zu einem Verbrecher pflegte. Smajic wollte schliesslich aus der Zusammenarbeit mit TV 2 aussteigen und eine Ausstrahlung des Films verhindern. Ein Gericht lehnte ihren Antrag aber ab. Das öffentliche Interesse sei höher zu gewichten als das Schutzbedürfnis der Frau, befand die Justiz. Die Anwältin Smajic ist angeblich aus Angst um ihre Sicherheit untergetaucht.
Inzwischen steht indes auch der öffentlichrechtliche Fernsehsender unter Rechtfertigungszwang. Die Enthüller zahlten der Juristin, die ihre Kanzlei zur Verfügung stellte, laut dänischen Medien nämlich ein Honorar. Die Fernsehmacher hätten sozusagen die Bühne finanziert, auf der potenzielle Straftaten hätten eingefädelt werden können, monieren Kritiker. Der letzte Teil in diesem Gangster-Epos ist vermutlich noch nicht geschrieben.