Unsere neue Reinigungsfrau ist rund zehn Jahre jünger und stellte sich mit Vornamen vor. Ich (60 plus) fühlte mich fast zum Du gezwungen. Nun spreche ich sie mit Vornamen, aber per Sie an. Was wäre üblich? – Melanie P., Basel
Liebe Melanie, es gibt eine tektonische Verschiebung in der Art, wie wir uns ansprechen: Jüngere Menschen würden andere automatisch duzen, ausser die Gesprächspartner sind mehr als zehn Jahre älter als sie (oder eine Respektsperson wie Lehrer, Vorgesetzter, Zahnarzt usw.). Die Altersgrenze dafür ist fliessend, aber im Mittel würde ich diese irgendwo zwischen 50 und 60 ansetzen – also genau da, wo Sie und Ihre Reinigungsfrau liegen.
Nun hat diese, rein formell betrachtet, den Fehler gemacht, Ihnen das Du aufzudrücken, indem sie sich mit ihrem Vornamen vorgestellt hat. Eigentlich wäre es die Aufgabe des «Ranghöheren», das Du anzubieten, doch die Sache mit den Hierarchien ist nicht mehr so eindeutig wie früher, und wenn man in der Klassenfrage am längeren Hebel sitzt, steht es einem auch gut, nicht auf solche Dinge zu pochen. Sie haben das Problem mit der Hamburger Anrede fein gelöst. Seien Sie froh, dass Sie überhaupt eine gute Putzfrau gefunden haben. Diese haben nämlich langsam realisiert, dass sie für das Wohlbefinden ihrer Auftraggeber wesentlich mehr tun, als ihre oft geringe Bezahlung ahnen lässt.
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