Nicht nur in Zürich wird zum Frühlingsanfang eine Puppe verbrannt. Der diesjährige Gastkanton Appenzell-Ausserrhoden kennt einen ähnlichen Brauch.
Die Erleichterung ist gross bei Felix Boller, dem Präsidenten des Zentralkomitees der Zünfte Zürichs: «Endlich, endlich sind sie da!» Zum diesjährigen Sechseläuten lädt der Kanton Zürich den bevölkerungsmässig fast 30-mal kleineren Kanton Appenzell Ausserrhoden zum Frühlingsfest ein. Dazu haben die beiden ungleichen Partner am Donnerstagmorgen im Haus Appenzell an der Bahnhofstrasse über das Festprogramm informiert.
Sichtlich erfreut zeigte sich auch der Landammann Yves Noël Balmer, denn ursprünglich war Appenzell Ausserrhoden schon 2021 als Gastkanton vorgesehen. Wegen der Corona-Pandemie wurde das Vorhaben um drei Jahre verschoben. Nun aber soll es «ein pfiffiger Auftritt mit viel Brauchtum» werden, sagte Balmer.
Unter dem Motto «ausserrhodentlich» wird der Kanton vom 12. bis 15. April seine Traditionen auf dem Lindenhof präsentieren. Dort sollen die Appenzeller «Silvesterchläuse» in roten, blauen und grünen Trachten sowie mit verzierten Hauben auf dem Kopf die schweren Glocken schwingen. Und sie werden in der Gruppe die «Zäuerli», wortlose Naturjodel, anstimmen. Ein gelebter Brauch zur Jahreswende. Daneben wird es ausserrhodische Spezialitäten und ein Festzelt mit Musik unterschiedlicher Stilrichtungen geben.
Ein Anlass der Traditionen
Insgesamt nehmen 600 Ausserrhoderinnen und Ausserrhoder am Sechseläuten teil, also fast jede 100. Person aus dem Kanton. Und auch sie bringen eine Puppe mit, die den Frühling einläuten soll. In Herisau ist es nicht der Böögg, sondern die Figur des Gidio Hosestoss, eines Sünders, der den Tod verdient hat. Dies, weil er sich an einem gestohlenen Leckerli bediente. Er erstickte daran.
Die Tradition geht auf das Jahr 1844 zurück. So wird die Puppe, die den nimmersatten Dieb symbolisiert, aufgebahrt auf einem Wagen jeweils am 14. Februar in einem Trauerzug durch Herisau geschoben, bis sie schliesslich auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird.
Diese Tradition wird nun auch in Zürich zu sehen sein: am Kinderumzug am Sonntagnachmittag, dem 14. April. Voraussichtlich 3000 Mädchen und Buben werden daran teilnehmen.
Mit dem Bloch wird ein weiterer typischer Ausserrhoder Brauch am Montagnachmittag Teil des Sechseläutens sein. Der Appenzeller Blochzug findet alle zwei Jahre statt. Die Blochkameraden treffen sich um 2 Uhr nachts in Urnäsch, um zweieinhalb Stunden später einen grossen Fichtenstamm, das Bloch, auf einem Wagen durch die Dörfer im Ausserrhoder Hinterland zu ziehen. Das Bloch ist mit Tannenzweigen und dem Urnäscher Wappen geschmückt. Zurück auf dem Dorfplatz in Urnäsch, wird das Bloch dann versteigert. Nun wird dieser Brauch auch auf der Zürcher Bahnhofstrasse zu sehen sein.
Zehn Politiker aus dem Bundeshaus und einer aus dem Bundestag
Die Liste der Ehrengäste am diesjährigen Sechseläuten liest sich eindrücklich. Die Organisatoren sprechen von «viel Prominenz aus allen Bereichen». Neben zwei Schuppeln – Gruppen von Silvesterkläusen – führen die Zünfte 128 Personen auf. Dort sind Namen aus der Politik aufgeführt wie Bundesrat Albert Rösti, die Alt-Bundesräte Ueli Mauer und Hans-Rudolf Merz. Auch der Armeechef Thomas Süssli und die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch werden zugegen sein. Ein Coup der besonderen Art ist der Zunft Riesbach gelungen. Bei ihr wird der deutsche Linken-Politiker Gregor Gysi mitlaufen.
Ebenfalls eingeladen sind die frühere Spitzentennisspielerin Martina Hingis, der Sportreporter Beni Thurnherr, der Komiker Dominic Deville und die Mundartsängerin Sina.
Die Ehrengäste dürfen am Tag des Sechseläutens am Umzug mitlaufen und am Abend um 18 Uhr zusammen mit Tausenden von Besuchern und Zünftern darauf warten, dass der Kopf des Bööggs explodiert. Am liebsten so schnell wie möglich.
Wer den Böögg aus der Nähe betrachten möchte, bevor es ihm an den Kragen geht, kann dies ab dem 25. März in der Schalterhalle der Zürcher Kantonalbank an der Bahnhofstrasse tun. Dort ist er drei Wochen lang ausgestellt.
Gegen Rassismus und Diskriminierung
Am Donnerstagmorgen berichtete SRF, dass die Zürcher Zünfte dieses Jahr einen Verhaltenskodex gegen Rassismus und Sexismus einführten. Dies wurde als Reaktion auf einen als rassistisch empfundenen Sketch an einem Zunftball im letzten Jahr vermutet.
Wie der Zunftmeister der «Zimmerleuten», Philippe Blangey, an der Medienkonferenz auf Nachfrage der NZZ sagte, stimmt das so nicht ganz. Ein solcher Kodex sei zwar diskutiert worden, ein offizielles Dokument gebe es aber nicht.
Anstand und Toleranz gehörten zu den Grundwerten der Zünfte. Man gehe davon aus, dass alle Mitglieder jegliche Form von Rassismus und Diskriminierung ablehnten. Auch wolle man keine Zensurbehörde spielen, sagte Blangey. Jeder der 26 Zunftmeister sei selbst für seine Zunft verantwortlich.
Das Thema sei im Übrigen unabhängig von dem letztjährigen Vorfall aufgeworfen worden. Der Auftritt damals wurde von der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus kritisiert, rechtlich hatte er aber keine Folgen. Die Zürcher Staatsanwaltschaft kam zum Schluss, dass der Sketch zwar geschmacklos gewesen sei, aber nicht unter den Straftatbestand des Rassismus falle.