Der wegen vorsätzlicher Tötung verurteilte Jeton G. und zwei Mitbeschuldigte stehen vor Bezirksgericht Dielsdorf. Sie sollen in der Strafanstalt Pöschwies einen Mithäftling und dessen Ehefrau bedroht haben.
Hinter den Gefängnismauern der Strafanstalt Pöschwies soll es zu kriminellen Machenschaften gekommen sein. Im Mittelpunkt: Jeton G. Der inzwischen 30-jährige, in Kosovo geborene Schweizer war im Dezember 2021 vom Zürcher Obergericht zu einer Freiheitsstrafe von 16,5 Jahren wegen mehrfacher teilweiser versuchter vorsätzlicher Tötung verurteilt worden.
Seine Reputation als kaltblütiger Gewalttäter soll Jeton G. ausgenutzt haben, um im Herbst 2021 in der Pöschwies zusammen mit zwei Komplizen von einem Mithäftling – den wir hier Tarik nennen, der aber anders heisst – Bargeld zu erpressen und ihn und seine Ehefrau mit dem Tod zu bedrohen.
Eine Bluttat am frühen Morgen des 1. März 2015 hatte Jeton G. ins Gefängnis gebracht: Acht junge Männer zweier verfeindeter Gruppen hatten sich in Zürich Affoltern zu einem Showdown getroffen.
Danach war ein 30-jähriger Türsteher und Kampfsportler tot auf der Strasse liegen geblieben. Zwei Schüsse hatten ihn in den Rücken getroffen. Das Obergericht war zu dem Schluss gekommen, dass Jeton G. es gewesen war, der die Schüsse von hinten auf zwei Flüchtende abgegeben hatte.
Jeton G. vom Prozess dispensiert
Zum gegenwärtigen Prozess wegen räuberischer Erpressung vor Bezirksgericht Dielsdorf erscheint Jeton G., der inzwischen ins Gefängnis Lenzburg versetzt worden ist, allerdings nicht. Da er angekündigt hat, sowieso nichts zu sagen, ist er von der Verhandlung dispensiert worden.
Zwei Mitbeschuldigte sind aber im Gerichtssaal anwesend. Es handelt sich einerseits um einen 31-jährigen Afghanen, der in der Pöschwies einsitzt, weil er wegen versuchter vorsätzlicher Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren (und 10 Jahren Landesverweis) verurteilt worden ist. Der dritte Beschuldigte, ein 30-jähriger Schweizer, befindet sich in Freiheit.
Gemäss der Anklageschrift sollen Jeton G. und der Afghane ab September 2021 wiederholt dem Mithäftling Tarik gedroht haben, er müsse Geld bezahlen, damit ihm und seiner Familie nichts passiere; es sei besser für seine Gesundheit. Gefordert wurden Beträge in der Höhe von 2000 bis 5000 Franken.
Auch mit Tariks Ehefrau sollen sie mehrfach telefonisch oder per Whatsapp Kontakt aufgenommen haben. Sie soll zur Bezahlung aufgefordert worden sein. Ein Anrufer soll der 30-jährige mitangeklagte Schweizer gewesen sein.
Tarik und seine Frau hätten um ihr Leben gefürchtet. Das Motiv für die behauptete Erpressung bleibt im Prozess unklar. Einerseits ist von Pokerschulden die Rede, andererseits von Gerüchten um pädophile Neigungen von Tarik.
Im November 2021 soll Tarik dann in der Strafanstalt vom Afghanen mit einem unbekannten Gegenstand tätlich angegriffen worden sein. Dabei erlitt der Häftling – laut Anklage – zwei kleinere Einstichstellen im Bauchbereich und ein Hämatom an der Schulter.
Dem Afghanen wird zudem vorgeworfen, im Juni 2023 einen Aufseher in der Strafanstalt mit dem Tod bedroht zu haben. Der Häftling weigerte sich, in seine Zelle zurückzukehren, hielt sich eine Schere an den Hals und erklärte: «Alle, die jetzt näher kommen, werde ich abstechen!» Mit einem Taser-Einsatz konnte die Konfrontation beendet werden.
Wie der betroffene Aufseher am Rande des Prozesses präzisiert, handelte es sich um den ersten und bisher einzigen Taser-Einsatz in der Pöschwies. Dieser sei als «absolut verhältnismässig» beurteilt worden.
Der Afghane soll daraufhin dem Aufseher gedroht haben: «Merk dir das Datum 26. Juni 2023. Du wirst es mit Blut bezahlen!» Zudem soll er den anderen Insassen mitgeteilt haben, er zahle jedem, der den Aufseher umbringe, 100 000 Franken.
Freiheitsstrafen zwischen 6 und 12 Monaten gefordert
Die am Prozess vor einem Einzelrichter nicht anwesende Staatsanwältin beantragt eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten für den Afghanen wegen räuberischer Erpressung, einfacher Körperverletzung sowie Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. Jeton G. soll mit zusätzlichen 10 Monaten Freiheitsstrafe bestraft werden. Für den dritten Beschuldigten sind eine bedingte Freiheitsstrafe von 6 Monaten und 1000 Franken Busse beantragt.
Tarik verlangt eine Genugtuung von 6000 Franken, seine Ehefrau 1500 Franken und der bedrohte Gefängnisaufseher 2500 Franken.
Die beiden anwesenden Beschuldigten verweigern jegliche Aussage zur Sache. Alle drei Verteidiger verlangen vollumfängliche Freisprüche. Es gebe keinerlei Beweise. Die Anklage sei «Wischiwaschi», lausig und viel zu wenig konkret abgefasst.
Dass Jeton G. involviert gewesen sei, basiere lediglich auf Vermutungen von Tarik und dessen Ehefrau. Diese sei es gewesen, die während der Untersuchung erklärt habe: «Es ist allgemein bekannt, dass im Gefängnis passiert, was Jeton G. sagt.» Solche Äusserungen hätten keinerlei Beweiskraft.
Tarik gehe es nur darum, finanziell zu profitieren. Er habe «ein Anschuldigungskonstrukt aufgebaut». Zudem habe er mit den Behauptungen wohl seine Versetzung in ein anderes Gefängnis erreichen wollen. Es habe ja Gerüchte gegeben, dass er pädophil sei. Und pädophile Häftlinge befänden sich im Gefängnis auf der untersten Hierarchiestufe.
Der Anwalt des Privatklägers Tarik übernimmt im Gerichtssaal ein bisschen die Rolle der nicht anwesenden Staatsanwältin. Aufgrund des strafrechtlichen Vorlebens der Beschuldigten hätten die Eheleute grosse Angst um ihr Leben gehabt, und der Tatbestand der Erpressung sei deshalb auch ohne viele konkrete Worte erfüllt.
Die Urteilseröffnung ist auf nächsten Freitag angesetzt.