Mal schränkt er das Asylrecht ein, mal erleichtert er die Einbürgerung Papierloser. Das Hin und Her des Präsidenten kann seine Probleme mit den Wählern nicht lösen.
Mal hart, mal weich: Der amerikanische Präsident Joe Biden rennt diesen Monat im Zickzack. Erst Anfang Monat schränkte er das Asylrecht massiv ein, indem er eine tägliche Limite für Asylanträge einführte. Kaum drei Wochen später erleichtert er die Einbürgerung papierloser Ehepartner amerikanischer Bürgerinnen und Bürger. Die migrationspolitischen Signale aus dem Oval Office sind, gelinde gesagt, verwirrlich. Wofür steht Biden im wichtigsten Wahlkampfthema der Saison? Für Härte oder für Toleranz?
Für weder noch, sondern für puren Opportunismus. Denn nicht der Wille, das Richtige für das Land zu tun, scheint Bidens Initiativen anzutreiben, sondern der verzweifelte Wunsch, wiedergewählt zu werden. Die Umfragen sind hartnäckig düster, immer noch liegt der Präsident in wichtigen Swing States hinter seinem Herausforderer. Seine thematischen Hauptschwächen sind die Wirtschaft und die Immigration. Während Biden für die sinkende Inflation nur beten kann, lässt sich in Sachen Einwanderung das eine oder andere tun, und sei es in letzter Minute.
Wie in der Wahlkampfzentrale entworfen
Man darf davon ausgehen, dass Wahlkampfstrategen die neusten Initiativen des Weissen Hauses entworfen haben. Die Logik dahinter ist durchsichtig: Unabhängige Wähler halten die unkontrollierte Migration an der Südgrenze für ein Problem, und sie trauen Trump eher zu, das Problem zu lösen. Was kann man für sie tun? Zeigen, dass ein zupackender Biden die Grenze schliessen kann. Oder: 85 Prozent der demokratischen Wähler wollen, dass Papierlose in den USA einfacher eingebürgert werden. Dann tun man das doch. Voilà!
Auf dem Reissbrett in der Wahlkampfzentrale mögen solche Aktionen schlüssig erscheinen: Mit der erleichterten Einbürgerung illegal eingereister Ehepartner erreicht die Biden-Kampagne Hunderttausende von Wählerinnen und Wählern in den Swing States Nevada, Arizona und Georgia, wo viele Latinos leben und sich offenbar zunehmend Trump zuwenden. Gleichzeitig kann sie den linken Parteiflügel beruhigen, der über die Begrenzung des Asylrechts entgeistert ist.
Schadensminderung statt Charisma
Doch so einfach ist es nicht, wie wiederum ein Blick auf die Umfragen zeigt: Die Begrenzung des Asylrechts Anfang Monat beispielsweise hat überhaupt nichts bewegt. Von der Zielgruppe der unabhängigen Wähler gaben nur 22 Prozent an, sie hätten von der Massnahme überhaupt gehört. Schon länger weisen Politologen darauf hin, dass Klientelpolitik in den USA gute Tradition hat, aber deren Wirksamkeit zu hinterfragen ist. Denn sie untergräbt gleichzeitig das höchste Gut in der Politik: die Glaubwürdigkeit.
Dieses Risiko wächst, weil Präsident Biden das Charisma fehlt, um die disparaten Gruppen in der Demokratischen Partei und darüber hinaus zu faszinieren. Wahlkampfmanöver an der Südgrenze werden es für Biden nicht richten. Auch die jüngste Massnahme zur erleichterten Einbürgerung von Papierlosen wird das Latino-Problem von Biden nicht schmälern. Denn sein Problem liegt tiefer: Er wirkt zu alt, er ist zu unbeliebt. Der Versuch eines unbeliebten Präsidenten, es allen recht zu tun, wirkt wie eine Verzweiflungstat.
Ein Präsident mit Rückhalt im Volk wäre fähig, Initiativen seines Wahlkampfteams als kohärente Politik zu verkaufen. Bei Biden gibt es berechtigte Zweifel, ob er die Zügel der Regierung überhaupt noch in der Hand hält. Seine Massnahmen in der Einwanderungspolitik verkündet er, indem er mit Mühe und Not vom Teleprompter abliest. Worte, die jemand anderes geschrieben hat, um seine Wiederwahl zu retten.









