Die Ermittlungen der Jugendanwaltschaft zeigen, dass an jenem Abend wohl einiges zusammen kam.
Der Plan klingt harmlos: Ein Teenager-Mädchen in einer Zürcher Landgemeinde veranstaltet eine Party und lädt ein paar Freunde dazu ein. Das Resultat: Ein Massenauflauf, ein Überfall, eine Strassenschlacht mit der Polizei, ein gestoppter Zug und 19 Festnahmen. Und die Frage: Wie konnte so etwas passieren?
Bisher war nur klar, dass in jener Nacht Anfang Februar 2024 in der Zürcher Seegemeinde Stäfa etwas gründlich aus dem Ruder gelaufen war. Jetzt, fast ein Jahr danach, lichtet sich der Nebel, denn die Ermittlungen der Jugendanwaltschaft sind abgeschlossen.
Dies ist die Chronologie der Ereignisse, wie sie aufgrund der Ermittlungsergebnisse und der Aussagen von Beteiligten gegenüber verschiedenen Medien am plausibelsten scheint.
Es beginnt damit, dass eine Mutter für das Fest ihrer Tochter einen Partyraum in einer Wohnsiedlung in Stäfa mietet. Es soll ein Anlass in überschaubarem Rahmen werden, bloss eine Handvoll Gäste sei eingeladen. Mit der Mutter vereinbaren die Vermieter, dass sie selbst anwesend sein wird und nach dem Rechten sieht.
Am besagten Abend versammeln sich dann aber gegen hundert Jugendliche, wie Bewohner der Siedlung schätzen. Sie drängen sich nicht nur im Partyraum, sondern auch draussen auf der Strasse. Bei der Polizei gehen Lärmklagen aus der Nachbarschaft ein.
Die Mutter des Mädchens nimmt zwar das Telefon ab, als sie kontaktiert wird, sie ist aber offenbar nicht vor Ort. Als sie später die Überbleibsel der aus dem Ruder gelaufenen Party wegräumt, ärgert sie sich über ihre Tochter. Diese habe mehr Gäste eingeladen als abgemacht.
Ein Polizist weist darauf hin, dass ein Hinweis auf die Party wohl in den sozialen Netzwerken kursiert sei. Wenn das passiere, komme es immer wieder mal vor, dass auch Besucher aufkreuzten, die nicht eingeladen seien – mit unberechenbaren Folgen.
Ein ungewöhnlicher Vorfall für eine Landgemeinde
Gegen zehn Uhr abends kommt es zum Überfall auf die Party. Eine Gruppe berauschter Jugendlicher stürmt den Raum. Sie greifen sich Markenkleider, Geld und Musikboxen. Es kommt zu Handgreiflichkeiten. Als die Polizei kurz darauf wegen der Lärmklagen vorfährt, sind die Täter bereits wieder verschwunden.
So haben es Augenzeuginnen später gegenüber der «Zürichsee-Zeitung» und «20 Minuten» geschildert. Die Tatsache, dass eine der Zeuginnen die Angreifer als Stadtzürcher identifizierte, deutet darauf hin, dass die Täter zumindest einigen der Partygäste bekannt waren.
Ein solcher Überfall auf eine Party ist im ländlichen Raum ungewöhnlich, sagt Marco Bezjak von der mobilen Jugendarbeit Mojuga. Hingegen ist ihm aus anderen Zürcher Seegemeinden das Phänomen vertraut, dass Partys von Jugendlichen ausarten, weil sie spasseshalber von einer grossen Zahl nicht geladener Gäste heimgesucht werden.
In der Stadt Zürich sorgte ein ähnlicher Vorfall vor sechs Jahren für Schlagzeilen. Ein privates Fest in Altstetten musste abgebrochen werden, nachdem die Einladung auf der bei Jugendlichen beliebten Plattform Snapchat die Runde gemacht hatte. Anschliessend kam es zu Prügeleien auf der Strasse und zu Angriffen auf die Polizei.
Es waren wohl zwei verschiedene Gruppen, die Ärger machten
In Stäfa trifft gegen halb zwölf, also eineinhalb Stunden nach dem Überfall, eine zweite Gruppe aus der Stadt Zürich am Bahnhof ein. Es sind rund zwanzig Jugendliche aus dem Seefeldquartier und vom Zürichberg, die offiziell eingeladen worden sind. Als sie ankommen, ist die Party laut Angaben der Oberjugendanwaltschaft bereits so gut wie zu Ende. Die Feierlaune ist den meisten vergangen.
Kurz nach Mitternacht wird die Polizei erneut alarmiert, weil mehrere Jugendliche in einem Bus am Bahnhof randalieren. Die Mitglieder der zweiten Gruppe bestreiten, dass sie für diese Ausschreitungen verantwortlich sind. Auch eine Partybesucherin, die im Bus war, schreibt diesen Vorfall der ersten Gruppe zu. Deren Überfall liegt da allerdings bereits zwei Stunden zurück.
Als die Polizei kurz darauf am Bahnhof auftaucht, trifft sie dort mutmasslich nur auf Mitglieder der zweiten Gruppe. Womöglich glauben die Einsatzkräfte, dass sie auch die Verantwortlichen für den Überfall vor sich haben. Laut den Jugendlichen gehen sie unzimperlich vor, als sie ihre Personalien kontrollieren wollen.
Diese springen aufs Gleisbett und beginnen, die Polizisten mit Steinen zu bewerfen. Vier von ihnen werden verhaftet, der Rest entkommt mit der S-Bahn Richtung Zürich. Doch die Polizei lässt den Zug am Stadtrand in Tiefenbrunnen stoppen und verhaftet 15 weitere Jugendliche. Sie sind zwischen 15 und 17 Jahre alt und stammen aus der Schweiz, aus Italien, Somalia und Tschechien.
Die Mehrheit kommt ungestraft davon, weil man ihnen nichts nachweisen kann. Fünf aber sind laut der Oberjugendanwaltschaft inzwischen verurteilt worden, unter anderem wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte und versuchter schwerer Körperverletzung.
Der Überfall auf die Party war in diesen Verfahren offenbar nie Thema – die gestohlene Ware kann bei diesen Jugendlichen also nicht sichergestellt worden sein. Die Oberjugendanwaltschaft stützt die Darstellung verschiedener Zeugen, wonach die beiden Gruppen nichts miteinander zu tun hatten. Zumindest sei dies «nicht auszuschliessen», teilt sie mit.
Die Verurteilten kassieren einen Verweis und diverse persönliche Leistungen. Das bedeutet, dass sie zum Beispiel bei einer sozialen Einrichtung unentgeltlich einen Einsatz leisten müssen. Dabei handelt es sich um eine der milderen Sanktionen im Jugendstrafrecht.
Die Vermieter des Partyraums in der Stäfner Siedlung haben aus dem Vorfall ebenfalls Konsequenzen gezogen: Sie vermieten ihn nur noch an Leute, die selbst dort wohnen.