Nach einer weiteren Wertberichtigung steht die Privatbank Julius Bär unter Druck. Kleinere, erfolgreichere Konkurrenten machen sich breit.
Kernaufgabe einer Bank ist es, das richtige Verhältnis zwischen Risiko und Rendite zu finden. Den Zürcher Banken gelingt das unterschiedlich gut. Während die Privatbank EFG am Mittwoch für die ersten vier Monate des Jahres ein starkes Ergebnis mit einem Gewinn von 130 Millionen Franken präsentierte, musste Julius Bär erneut eine Abschreibung auf ihrem Kreditbuch vornehmen – auch in Höhe von 130 Millionen. Nicht nur Private-Debt-Kredite machten wieder Probleme, nun waren es auch Positionen in Bärs Hypotheken-Portfolio.
Der vom neuen Julius-Bär-CEO Stefan Bollinger angekündigte Neustart nach dem Kredit-Skandal mit dem Immobilien Pleitier René Benko hat aber nicht nur finanziellen sondern auch einen neuen Reputations-Schaden zur Folge. Der Geschäftsgang blieb ebenfalls hinter den Markterwartungen zurück. Hinzu kommt ein laufendes Verfahren der Finanzmarktaufsicht. Der Ruf der Traditionsbank ist ramponiert.
An der Börse kam das schlecht an. Die Bär-Aktien verloren am Mittwoch zeitweise mehr als sechs Prozent.
Julius Bär: Letzte Chance für Kitchen Sinking
Laut Bär-Führung soll es bei dieser Wertberichtigung bleiben, und sie unterstreicht, dass diese nicht mit den faulen Benko-Krediten in Verbindung steht. «Wir erwarten keine weiteren Risiken, die zu Kreditausfällen führen könnten», sagte Bollinger vor Analysten. Man sei fest entschlossen, die Altlasten zu beseitigen. Gleichzeitig ist die Bank aber noch damit beschäftigt, die Qualität ihres Kreditbuchs zu prüfen.
Bei der Kreditvergabe will Bär «vorsichtigere Kriterien» anwenden und so das Risiko bei Kunden reduzieren. Die Übung soll bis Ende Jahr dauern. Es ist für die Bank zu hoffen, dass das «Kitchen Sinking» – also alle schlechten Nachrichten auf einmal zu veröffentlichen – fertig ist. Weitere solche «Überraschungen» würden die Glaubwürdigkeit der neuen Bär-Führung beschädigen und das Vertrauen erodieren.
Während Julius Bär unter Druck steht, gedeiht der Konkurrent EFG. Der Vermögensverwalter der griechischen Reeder-Familie Latsis hat sich in den letzten Jahren als Alternative zu den alteingesessenen Zürcher und Genfer Privatbanken etabliert. Bär zieht derzeit nur mit Mühe frische Gelder an, EFG wächst hingegen munter und vergrösserte in den ersten vier Monaten des Jahres die Kundenvermögen um fast 6 Prozent auf 159 Milliarden Franken.
Das ist immer noch bedeutend weniger als bei Bär. Mit 467 Milliarden Franken an verwalteten Kundenvermögen ist Julius Bär hinter Pictet und UBS noch immer die drittgrösste Schweizer Privatbank. Doch sowohl Bär wie auch EFG verwalten weniger Kundenvermögen als im letzten Jahr. Grund ist die srtarke Abschwächung des Dollars gegenüber dem Franken.
EFG: Kreditqualität und Kunden «sehr gut»
Gemäss EFG-Chef Giorgio Pradelli wächst die Bank derzeit vor allem im asiatischen Raum, aber auch in Grossbritannien und Lateinamerika. «Die Kunden diversifizieren ihre Risiken nicht mehr nur nach Vermögensklassen, sondern immer mehr auch nach Banken und Buchungsort», sagt er.
Auch EFG ist damit beschäftigt, Risiken zu reduzieren. Dies erfolgt aber durch den Abbau von Altlasten und soll der Bank dank einer Versicherungsentschädigung im Zusammenhang mit einem abgeschlossenen Rechtsfall sogar einen ausserordentlichen Gewinn von 45 Millionen einbringen.
Bei den Krediten, die EFG an ihre wohlhabenden Kunden vergibt, sieht Pradelli keinen Bedarf, diese ausserhalb des üblichen Geschäftsverlaufs zusätzlich zu überprüfen: «Die Qualität des Kreditbuchs und unserer Kunden ist sehr gut», sagt er. Die Bank hatte nach der Übernahme der Tessiner Bank BSI im Jahre 2016 Gelegenheit, schlechte Risiken zu beseitigen und heikle Kunden auszusortieren.
Keine Verkaufsziele für Kundenberater
Das scheint sich für die Bank gelohnt zu haben. In den volatilen Börsentagen nach dem «Liberation Day» am 2. April seien die Risiken der Anlagepositionen der Kunden stets unter Kontrolle gewesen, sagt Pradelli.
Auch die finanziellen Anreize der Bankmitarbeiter sollen den Risiko-Appetit zügeln. So sollen die Kundenberater von EFG keine Verkaufsziele haben. Aus diesen Grund gebe es keine konzentrierten Produktrisiken in den aggregierten Kundenportfolios, glaubt Pradelli.
Das robuste Wachstum und der Aufstieg zur etablierten Privatbank honorieren die Investoren: Die EFG-Aktien haben in den letzten zwölf Monaten rund 16 Prozent gewonnen, bei Julius Bär gab es keinen Wertzuwachs. Bär-Chef Bollinger sollte dringend darum bemüht sein, dass die Bank weitere schlechte Überraschungen vermeidet. Vertrauen ist bei Banken besonders zerbrechlich.