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Die Privatbank steht unter Druck wegen ihrer Kredite an den gescheiterten Immobilieninvestor René Benko. Sie würde die Kritik am Donnerstag am liebsten mit starken Jahreszahlen zum Schweigen bringen. Doch die Insolvenz der KaDeWe-Gruppe wirft neue Fragen auf.
Wie viel Geld wird die Bank Julius Bär mit dem Immobilienunternehmer René Benko verlieren, und welche Konsequenzen wird das Unternehmen daraus ziehen? Diese zwei Fragen stellen sich Anleger seit über zwei Monaten und haben die Aktien der Bank auf Talfahrt geschickt. Julius Bär hatte damals indirekt bestätigt, dass sie Benkos schlingernder Signa-Gruppe über 600 Millionen Franken an Krediten gewährt hat, die nun gefährdet sind.
Am Donnerstag wird die Bank nun ihr Jahresresultat vorstellen und die Öffentlichkeit – so die Erwartung – zu den gefährdeten Krediten aufdatieren. Die Insolvenz der KaDeWe-Gruppe wirft aber schon jetzt die Frage auf, ob Julius Bär sogar mehr als die bis zu 400 Millionen Franken abschreiben muss, mit denen Beobachter gerechnet haben.
Julius Bär zwischen den Fronten
Das Signa-Engagement von Julius Bär besteht, wie die Bank selbst bekanntgab, aus drei Tranchen. Zwei dieser Tranchen, die zusammen rund 400 Millionen Franken ausmachen, weisen ein sehr hohes Ausfallrisiko aus.
Beispielsweise stecken 150 Millionen Euro an Forderungen bei der insolventen Signa Prime Selection fest, genauer beim Münchner Kaufhaus Oberpollinger. Dort steht Julius Bär in der Gläubigerhierarchie aber weit unten; nach Einschätzung von Kennern des Falls zu weit unten, um noch mit einer Rückzahlung rechnen zu können. Diese Einschätzung deckt sich mit Angaben aus dem Insolvenzantrag der Signa Prime Selection.
Die dritte Tranche galt dagegen als ziemlich gut abgesichert. Dieser Kredit von 200 Millionen Euro wurde der European Invest Holding (EIH) gewährt, in welcher Signa das Luxushandelsgeschäft gebündelt hatte: Anteile an Selfridges in Grossbritannien, Globus in der Schweiz, De Bijenkorf in den Niederlanden sowie der KaDeWe-Gruppe in Deutschland.
Für dieses Paket wird seit einiger Zeit ein Käufer gesucht; Julius Bär soll bei den Verhandlungen eine sehr aktive Rolle spielen. Die Bank könnte von einem Verhandlungserfolg am meisten profitieren, weil sie in der Gläubigerhierarchie bei der EIH an oberster Stelle steht, in erster Linie vor anderen Signa-Gesellschaften. Sprich: Sollte ein Käufer mehr als 200 Millionen Euro für Signas Anteil an den Luxuswarenhäusern zahlen, wäre Julius Bär fein raus.
Die für Bär entscheidende Frage ist, ob die Insolvenz von KaDeWe diesen Verkaufsprozess ins Schlingern bringt – ob also die Werthaltigkeit des Gesamtportfolios wegen der sehr hart geführten Verhandlungen zwischen den Thailändern von Central Group und den Österreichern um Benko infrage gestellt wird.
Das Risiko zahlte sich nicht mehr aus
Im November hat Julius Bär erst Rückstellungen für 70 von insgesamt 606 Millionen Franken an Benko-Krediten gebildet. Eine Aufdatierung ist an der Zeit. Interesse an mehr Klarheit hat auch die Bankspitze: Je früher sie den Gesamtschaden benennen und die Causa abschliessen kann, desto eher richtet sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wieder auf ihr Kerngeschäft.
Erwartet wird zudem, dass Julius Bär genauer erklärt, wie das Kreditengagement zustande gekommen ist. Vieles davon ist nur in Ansätzen bekannt: Die Bank soll 2020 mit der Finanzierung von Benkos Globus-Deals – Signa und die Central Group kauften den Globus der Migros-Gruppe ab – viel Geld verdient haben, gemäss einer gut unterrichteten Quelle einen zweistelligen Millionenbetrag.
Das Risiko für Julius Bär war beträchtlich, etwa weil Benko nur wenig Eigenkapital bereitstellte. Doch alles ging auf. Die Bank gab die Finanzierung dieses Kredits später ab; und ging in der Folge mit Benko weitere Geschäfte ein, unter anderem zur Finanzierung der Beteiligung an Selfridges.
Schrittweise ist die Kreditsumme auf über 600 Millionen Franken angestiegen und Signa zum Klumpenrisiko für die Bank mutiert. Wohl weil sich das Eingehen hoher Risiken beim ersten Deal ausbezahlt hatte, gab sich Julius Bär mit schlechteren Sicherheiten zufrieden, als es andere Banken taten, die Benko Hypothekarkredite gewährten.
Künftig weniger Spezialkredite
Noch wichtiger als die Aufarbeitung der Beziehung zu Benko ist, welche Lehren Julius Bär aus dem Fall zieht. Vermutet wird, dass das Finanzinstitut sein Geschäft mit Spezialkrediten (bei Bär «Private Debt» genannt), denen keine üblichen Sicherheiten gegenüberstehen, entweder einstellt oder zumindest stark umbaut. Julius Bär hat gemäss eigenen Angaben rund 1,5 Milliarden Franken an solchen Krediten vergeben. Das sind bloss zwischen 3 und 4 Prozent des gesamten Kreditengagements, das sich vor allem aus Hypotheken und normalen Lombardkrediten, die mit liquiden Aktien besichert sind, zusammensetzt. Benko war mit 600 Millionen mit Abstand der grösste Kunde dieser Einheit. Die Frage bleibt, ob dieser Umbau bloss kosmetischer Natur sein wird oder ob Kreditbeziehungen zu den jeweiligen Kunden tatsächlich eingestellt werden.
Auch Veränderungen im Risikomanagement sind denkbar. Es ist aber fraglich, ob das spielentscheidend sein wird. Denn bei Bär gab es durchaus eine konsolidierte Sicht auf die Benko-Kredite. Das Problem waren nicht fehlerhafte Prozesse, also dass subalterne Stellen ohne Wissen der Chefetage Risikokredite vergeben hätten. Der CEO und der Risikoausschuss des Verwaltungsrats wussten Bescheid.
Mehrfach wurde daher auch die Frage aufgeworfen, ob entweder der Bankchef Philipp Rickenbacher oder Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher wegen des Fehlers den Hut nehmen müssten. Bisher sind jedoch keine Anzeichen für einen solchen Schritt nach aussen gedrungen. Die Bankspitze dürfte darauf setzen, mit guten Resultaten und einer stabilen Dividende ihr Argument zu unterstreichen, dass es sich bei den fraglichen Krediten um einen einmaligen Ausrutscher handelte und die Bank so gut unterwegs ist, dass sie sich das Vertrauen der Anleger zurückverdient.
Es geht um die Dividende
Zu vernehmen war zuletzt die These, dass die institutionellen Anleger und die Finanzanalysten den Benko-Abschreiber gedanklich abgehakt hätten und sich vor allem für die Zukunft interessierten. Zweifellos werden sie die Ertrags- und Neugeldzahlen des vierten Quartals genau studieren, und beim Management in Bezug auf die Performance im Dezember und Januar nachfragen.
Die Kernfrage ist, ob Bär wegen Benko Kunden verloren hat. Die Bank hat 2023 zahlreiche Berater neu eingestellt, unter anderem von der Credit Suisse. Diese dürften erst 2024 ihre volle Produktivität erreichen, da es nach einem Wechsel des Arbeitgebers Zeit braucht, das alte Netzwerk zu reaktivieren und Kunden zurückzugewinnen. Dennoch hätten sie gegen Ende 2023 langsam in Fahrt kommen sollen.
Ob diese neuen Berater «im Fahrplan» sind, wird für Aussenstehende am Donnerstag Interpretationssache sein. Es gilt, auch die Branchentrends zu beachten. Die Konkurrentin UBP etwa hat vergangene Woche auch keine berauschenden Neugeld-Zahlen ausgewiesen.
Genauer kann man die Erwartungen der Anleger in Bezug auf die Gewinnausschüttung formulieren. Die Dividende soll, obwohl der Jahresgewinn substanziell tiefer ausfallen wird als 2022, zumindest auf dem Vorjahreswert von 2.60 Franken gehalten werden. Mehrere Beobachter rechnen zudem damit, dass Julius Bär ihr Aktienrückkaufprogramm wieder aufnehmen wird und zumindest einen bescheidenen Betrag dafür aufwirft, vielleicht 150 Millionen Franken.