Das EU-Gericht hat zwei prominente russische Magnaten von der Sanktionsliste genommen. Die westlichen Massnahmen werden dadurch geschwächt. Es ist Zeit, das Sanktionsregime zu verbessern.
Es reicht nicht aus, nur Freund des Kreml-Herrschers Wladimir Putin zu sein oder ihm und seinem Umfeld in irgendeiner Form nahezustehen, um dafür mit Sanktionen belegt zu werden. Dies ist Teil der Begründung eines überraschenden Urteils des EU-Gerichts, das kürzlich erfolgt ist. Die Richter in Luxemburg erklärten die Massnahmen der EU für nichtig, die die beiden russischen Magnaten Michail Fridman und Pjotr Awen auf die Sanktionsliste gesetzt und ihr Vermögen eingefroren hatte. Davon ist auch die Schweiz betroffen, die grösstenteils die Sanktionen der EU übernimmt.
Überzogene und falsche Erwartungen
Ist dies nun ein Erfolg des Rechtsstaats in der EU, dass dieser auch für mit Sanktionen belegte Russen funktioniert? Oder ist es eine moralische Bankrotterklärung des Westens, dass nun Geschäftsmänner nicht belangt werden, die jahrzehntelang vom Kreml-Regime profitiert haben – auch wenn ihnen nicht nachgewiesen werden konnte, die «Unversehrtheit und die Souveränität der Ukraine» zu beeinträchtigen oder russische Entscheidungsträger, die für den Krieg gegen die Ukraine zuständig sind, unterstützt zu haben?
Die Antwort lautet: weder noch. Vielmehr macht das Urteil deutlich, dass das derzeitige Regime der Sanktionen gegen einzelne Personen wenig taugt. Der juristische Erfolg der zwei Russen hilft einzig dem Kreml. Fridman und Awen bleiben vorläufig dennoch auf der Sanktionsliste, weil noch Rekurs eingelegt werden kann und die beiden Geschäftsmänner zudem aufgrund weiterer Beschlüsse unter Sanktionen stehen. Gleichzeitig erscheinen die westlichen Massnahmen als willkürlich, weitere Klagen dagegen werden folgen.
Das Problem ist tiefliegender: Erstens waren die Erwartungen zu den Sanktionen gegen die sogenannten Oligarchen immer überzogen. «Wir haben das Geld in unseren Taschen», sagte etwa Josep Borrell, der EU-Aussenbeauftragte, im Frühsommer 2022. Und der amerikanische Präsident Joe Biden meinte im April 2022: «Wir werden ihre Jachten, ihre Luxushäuser und ihre anderen unrechtmässigen Gewinne beschlagnahmen.»
Diese Äusserungen machen klar: Die Sanktionen gegen die russischen Geschäftsmänner, die meistens mit dem Adjektiv kremlnah versehen wurden, waren ein wichtiger Pfeiler der westlichen Reaktion auf den russischen Angriffskrieg. Vor Konfiskationen schreckte man aber aus juristischen Gründen zurück.
Transparenter Weg und klare Bedingungen
Zweitens stellten sich paradoxe Nebenwirkungen ein: Die Massnahmen trieben einige russische Geschäftsleute, die es sich im Westen bequem gemacht hatten, auch, um sich vom Kreml abzuschotten, wieder in die Arme Russlands. So kehrte Fridman nach Moskau zurück, nachdem er London und Israel verlassen hatte.
Sanktionen haben häufig den gegenteiligen Effekt, dass ein Regime unter Embargo den Zugriff auf die Bevölkerung und die Elite noch verstärken kann. Manche in der Führungsschicht verdienen gar gut daran, und das Ausland kann noch mehr für alles Schlechte verantwortlich gemacht werden.
Drittens sollten die Sanktionen keine Strafe, sondern ein Mittel sein, um das Verhalten zu ändern. Die Aussagen vieler westlicher Politiker deuten aber eher darauf hin, dass sie als Strafe gedacht sind. Wenn sie jetzt aufgehoben werden, wie im Fall von Fridman und Awen, verpufft die Wirkung völlig. Die beiden Magnaten hatten sich nie öffentlich gegen Putin gestellt – was aus ihrer Sicht auch ungeschickt gewesen wäre, wenn der Westen keine Perspektive bietet.
Was fehlt, ist ein transparenter und klarer Weg für Personen aus der russischen Elite, wie sie sich aus den Sanktionen winden können. Es sollten eindeutige Bedingungen gestellt werden, die auch eine Busse in Form von Zahlungen enthalten können. Denkbar wäre eine klare Distanzierung vom Regime. Die Ökonomen Reiner Eichenberger und David Stadelmann haben zudem eine Art Kronzeugenregelung vorgeschlagen, die es Abtrünnigen ermöglichen sollte, den Fängen des Regimes zu entkommen. Es ist höchste Zeit, den Sanktionsmechanismus zu verbessern, wenn er wirkungsvoll sein soll.