Die Jungsozialisten verlangen eine Erbschaftssteuer von 50 Prozent auf Vermögen über 50 Millionen Franken. Im Parlament stellt die Linke Steuersätze von 25 Prozent und 5 Prozent sowie eine jährliche Vermögenssteuer von 1 Prozent zur Diskussion.
Augen zu und möglichst schnell durch. Das ist die Grundhaltung vieler bürgerlicher Parlamentarier im Umgang mit der Volksinitiative der Jungsozialisten für eine Erbschaftssteuer auf Grossvermögen. Der Kerngedanke der Bürgerlichen: Je rascher der Urnengang kommt, desto schneller ist die Unsicherheit weg. Der schnellstmögliche Fahrplan im Normalbetrieb des Parlaments: Beschluss des Nationalrats in der laufenden Märzsession, Beschluss des Ständerats im Juni und Volksabstimmung im November.
Die Linke hat das gegenteilige Interesse: Sie will das Thema «stärkere Besteuerung der Reichsten» möglichst lange bewirtschaften. Die Initiative verlangt eine Erbschaftssteuer von 50 Prozent auf Vermögensteilen über 50 Millionen Franken. Da mögen sich die wenigsten Bürger direkt betroffen fühlen, und dass man die Reichsten so richtig zur Kasse bittet, klingt in manchen Ohren wie Musik. In bester Sozialistenmanier wollen die Initianten das Geld auch gleich wieder verteilen – für die «sozial gerechte Bekämpfung der Klimakrise sowie für den dafür notwendigen Umbau der Gesamtwirtschaft». Frei übersetzt: für ungefähr alles ausser Schuhbändel und die Armee.
Ungewöhnliche Vorwirkung
Das Besondere der Initiative ist ihre Vorwirkung. Der verlangte Steuersatz von 50 Prozent ist so hoch, dass sie Wohlhabende von einem Zuzug in die Schweiz abschreckt. Und potenziell betroffene Inländer – vor allem Familienunternehmer – haben schon weit vor dem Urnengang über Ausweichmanöver nachgedacht.
Der Bundesrat hat im Dezember 2024 die Gemüter mit seiner Interpretation der Initiative ein Stück weit beruhigt. Laut der Initiative soll die geforderte Erbschaftssteuer sofort nach Annahme des Vorstosses greifen. Verlangt sind auch Massnahmen zur «Verhinderung von Steuervermeidung, insbesondere in Bezug auf den Wegzug aus der Schweiz». Der Bundesrat erklärte, dass Massnahmen zur Steuervermeidung erst nach Beschluss der Umsetzungsbestimmungen in Kraft träten – und dass er eine Wegzugssteuer ablehne. Die Botschaft an potenziell Betroffene: Ihr müsst nicht schon vor dem Urnengang davonrennen.
Am Mittwoch ist die Initiative im Nationalrat angekommen. Diskussionen über Volksinitiativen sind im Nationalrat ein Fest: Jeder darf reden, und diese Chance nutzen viele. Man redet nicht für die Anwesenden, sondern für die Medien. Die Liste der Redner zur Juso-Initiative umfasst 63 Namen. Hinzu kommen noch die Sprecher der Fraktionen.
Auch den Befürwortern ist bewusst, dass es die Initiative an der Urne schwer haben dürfte. Aber im Sinne des Trumpschen Prinzips «Fordere die Welt, dann kriegst du vielleicht einen Teil davon» könnte der Vorstoss den Antrieb für einen weniger weitgehenden Gegenvorschlag liefern: Wer zuerst den Steuersatz von 50 Prozent gehört hat, mag 5 oder 25 Prozent moderat finden.
Von 5 bis 35 Prozent
Eine nationale Erbschaftssteuer mit Zweckbindung der Erträge ist ein alter Traum der Linken. So kam von der linken Minderheit aus der Wirtschaftskommission eine Auswahlsendung von gleich vier unterschiedlichen Gegenentwürfen auf Verfassungsebene in den Nationalrat. Der eine schlägt einen Steuersatz von 25 Prozent auf Beträgen über 50 Millionen Franken vor. Ein weiterer redet von 5 Prozent auf Beträgen über 5 Millionen. Ein dritter Antrag verlangt eine jährliche Bundesvermögenssteuer von 1 Prozent auf Beträgen über 50 Millionen Franken – was bei einer Vererbung alle 35 Jahre etwa einer Erbschaftssteuer von 35 Prozent entspräche. Und ein vierter Ansatz schlägt eine Erbschaftssteuer auf Beträgen über mindestens 2 Millionen Franken mit dem regulären Einkommenssteuersatz vor. Alle Gegenvorschläge enthalten eine Zweckbindung der Erträge für den «ökologischen Umbau der Gesamtwirtschaft».
Warum gleich vier Vorschläge statt nur einer? Da die Wirtschaftskommission die Diskussion über Gegenvorschläge verweigert habe, wolle man dem Nationalrat die ganze Auswahlsendung präsentieren, sagte im Vorfeld der Ratsdebatte ein linkes Mitglied der Kommission auf Anfrage. Die Kommission habe es auch abgelehnt, von der Verwaltung Schätzungen zu den finanziellen Folgen der Gegenvorschläge zu verlangen. Die Bürgerlichen sind grundsätzlich gegen eine zusätzliche Steuer; sie haben zudem die Linke im Verdacht, mit Gegenvorschlägen den Urnengang verzögern zu wollen.
Klassenkampf im Fokus
Am Montag reichte die Zeit nicht für alle Redner. Doch schon der Auftakt der Debatte machte die Kernhaltungen klar: Die linken Befürworter setzen auf den Klassenkampf, und die bürgerlichen Gegner warnen vor Abwanderungen der Reichen.
Hier die zentralen Argumente der Befürworter: Das reichste Prozent besitze über 40 Prozent der versteuerten Vermögen; die Vermögensungleichheit nehme laufend zu; die Mehrheit der Reichsten habe ihr Vermögen geerbt; ohne Erbschaftssteuer drohten Zustände wie in den USA mit dem «Kauf» der Politik durch Reiche à la Trump und Musk; die Reichsten seien mit ihren Privatflugzeugen, Jachten und Unternehmen die Hauptverursacher der Klimakrise; Erben sei keine Leistung, weshalb die Erbschaftssteuer liberal sei; die grosse Mehrheit der Bevölkerung sei wegen des Freibetrags von 50 Millionen Franken überhaupt nicht betroffen.
Die Gegner brachten vor allem folgende Argumente vor: Die Initiative werde die Weitergabe von Familienbetrieben massiv erschweren bis verunmöglichen; laut Studien würde der Grossteil der potenziell Betroffenen wegziehen, so dass der Fiskus per saldo sogar Einbussen zu erwarten hätte; für innovative Jungfirmen wäre die Schweiz nicht mehr attraktiv; die Reichsten zahlten jetzt schon via Vermögens- und Einkommenssteuern einen grossen Teil der direkten Steuern; die Erbschaftssteuer könne ein diskutabler Ersatz für andere Steuern sein, aber die Initiative wolle eine zusätzliche Steuer; man müsse nicht extreme Initiativen reflexartig mit weniger weitgehenden Gegenvorschlägen belohnen.
Der Beschluss des Nationalrats ist erst in zwei Wochen zu erwarten. Die bisherige Debatte lässt im Rat eine deutliche Ablehnung der Initiative und der Gegenvorschläge erwarten.