Die Kampagne von Kamala Harris hat einen Blitzstart hingelegt – auch in den sozialen Netzwerken. Was Kokosnusspalmen, grellgrüne Farbe und eine Pop-Sängerin damit zu tun haben.
Kamala Harris brauchte am Sonntag nur wenige Stunden, um ihre Präsidentschaftskandidatur zu lancieren. Nachdem Joe Biden angekündigt hatte, dass er sich aus dem Präsidentschaftsrennen zurückziehe, sprach der Grossteil der Demokraten Harris seine Unterstützung aus.
Rückenwind erhielt Harris auch ausserhalb der politischen Kanäle. In den sozialen Netzwerken explodierte die Unterstützung durch die Pop-Kultur. Sinnbildlich dafür steht ein Beitrag auf X (vormals Twitter) von der britischen Sängerin Charli XCX: «kamala IS brat».
Ein Album wird zum Sound der Politik
Charli XCX erklärt in einem Tiktok-Video gleich selbst, wie «brat», auf Deutsch Göre, zu verstehen ist: «Ein typisches ‹Brat›-Girl ist manchmal etwas chaotisch und macht gerne Party und sagt vielleicht manchmal dumme Sachen. Sie fühlt sich selbst, aber hat dann vielleicht einen Zusammenbruch, feiert durch diesen aber durch. Sie ist sehr ehrlich, unverblümt, ein wenig volatil, und sie macht dumme Sachen. Das ist ‹brat›.» Der Begriff steht für einen selbstbestimmten, nicht ganz perfekten Lebensstil.
«Brat» ist auch der Name des neuen, im Juni erschienenen Albums von Charli XCX, die eigentlich Charlotte Emma Aitchison heisst. Das Album ist ein Erfolg. Und in den sozialen Netzwerken ist der «brat summer» ausgebrochen.
Zum Erfolg hat auch das ausgeklügelte Design des Albums beigetragen. Das Cover besteht aus einem hellgrünen Hintergrund, vor dem, leicht verpixelt, in Schwarz das Wort «Brat» prangt. Das simple Design lässt sich einfach mit eigenem Text anpassen und in den sozialen Netzwerken teilen. Das knallige Grün wurde zum Merkmal des «Brat»-Lebensgefühls und hat Pink, das nach dem Erfolg des «Barbie»-Films letztes Jahr beliebt war, als Trendfarbe abgelöst.
In den sozialen Netzwerken werden jetzt eine Reihe von Videos geteilt, die Harris beim Tanzen und Lachen zeigen. Sie sind unterlegt mit Musik von Charli XCX oder anderen Künstlerinnen und wurden mit einem grünen Filter bearbeitet.
Harris wird zum Meme-Kult
Die Fan-Memes, wie die digitalen Medieninhalte heissen, begannen sich sofort nach der Lancierung von Kamala Harris im Internet zu verbreiten. Besonders beliebt ist ein Ausschnitt aus einer Rede im Juni 2023 im Weissen Haus. Dabei sagte sie: «Meine Mutter sagte zu uns: ‹Ich weiss nicht, was mit euch jungen Leuten los ist. Glaubt ihr, ihr seid gerade aus einer Kokospalme gefallen?›»
Das schräge Bild von Leuten, die aus einer Kokospalme fallen, gepaart mit dem charakteristischen Lachen Harris’, traf einen Nerv. Der Ausschnitt aus der Rede erfreut sich nun neuer Beliebtheit. Zuvor hatten sich Satiresendungen und konservative Medien noch über ihn lustig gemacht und ihn als «Wortsalat» bezeichnet. Leute nutzen Palmen- und Kokosnuss-Emojis, um ihre Unterstützung für Harris zu signalisieren.
why did I stay up till 3am making a von dutch brat coconut tree edit featuring kamala harris and why can’t I stop watching it on repeat pic.twitter.com/hqcmerD1Pb
— ryan (@ryanlong03) July 3, 2024
Der plötzliche Internetruhm ist ein Geschenk für das Kampagnenteam von Harris, das sofort auf den Trend aufsprang. Die «Brat»-Ästhetik ist seit Sonntag auf dem X-Profil der Harris-Kampagne zu sehen. Dort steht, leicht verschwommen, «Kamala HQ». Schwarz vor hellgrünem Hintergrund.
Harris und ihr Team verleihen der Kampagne so einen frischen, jungen Anstrich. Das spiegelt sich auch in der Wahl der Musik an Harris’ Auftritten. Ihr erster Auftritt als Präsidentschaftskandidatin wurde vom Lied «Freedom» von Beyoncé untermalt. Die Botschaft: Hier ist eine dunkelhäutige hippe Frau am Steuer, nicht ein alter weisser Mann.
Virale Kampagne allein reicht nicht
Die viralen Inhalte sind wie unverhoffte Wahlwerbung für eine junge, progressive und digitale Zielgruppe, die schwierig für Politik zu begeistern ist. Vor allem auf Tiktok spielt das Kampagnenteam mit dem Bild von Harris als «Brat». Auftritte und Bilder von ihr werden mit derzeit angesagten Pop-Songs unterlegt. Dabei den richtigen Ton zu treffen, ist nicht einfach. Die Spanne zwischen kultig und peinlich ist klein. Gegenwärtig scheint die Gratwanderung zu gelingen.
Damit allein lässt sich jedoch keine Präsidentschaftswahl gewinnen. Um junge, progressive Wähler zu motivieren, an die Urne zu gehen, braucht es Inhalte. Sie verlangen ein Ende des Krieges im Gazastreifen, ein nationales Recht auf Abtreibung, und sie machen sich Sorgen um die Zukunft. Darauf liefert ein hellgrünes Design allein keine Antworten.
Zumal auch Trump das Spiel mit viralen Medieninhalten versteht. Die Spitznamen, die er seinen Gegnern verleiht, finden oft Eingang ins Internetvokabular. Und als Joe Biden im TV-Duell einen erschreckenden Auftritt hinlegte, wusste Trump, dass er einfach stillhalten und die viralen Bilder ihre Arbeit tun lassen muss. Im Moment geniesst aber Kamala Harris die Gunst der Internetgemeinschaft.







