Während eine Umfrage auf überraschend hohe Zustimmungswerte zum EU-Vertragspaket hindeutet, trifft sich der Alt-Bundesrat mit dem Mitgründer der Partners Group – doch beide Seiten betonen ihre Unabhängigkeit voneinander.
Sie sind zwei der erfolgreichsten Unternehmer des Landes. Und sie gehören einer seltenen Gattung Wirtschaftsführer an, die sich politisch exponieren. Christoph Blocher, Alt-Bundesrat der SVP, hat mit dem Industriekonzern Ems-Chemie ein Milliardenvermögen gemacht. Alfred Gantner hat 1996 mit der Partners Group einen Private-Equity-Konzern mitgegründet, der heute zu den zwanzig wertvollsten Unternehmen an der Schweizer Börse zählt.
Diese Woche kam es laut NZZ-Informationen am Hauptsitz der Partners Group in Baar im Kanton Zug zu einem Treffen der Polit-Milliardäre, die beide verhindern wollen, dass die Schweiz mit einem neuen Vertragspaket enger an die EU rückt. Beide bekämpfen die Pläne des Bundesrates mit Volksinitiativen. Beide verfügen über grosse finanzielle Ressourcen, um ihre Kampagnen zu führen. Bisher wurde aber keine grosse Nähe zwischen den beiden Seiten öffentlich dokumentiert. Eher im Gegenteil.
Als die drei Gründer der Partners Group, Alfred Gantner, Urs Wietlisbach und Marcel Erni, im vergangenen Herbst ihre Volksinitiative «gegen eine EU-Passivmitgliedschaft» lancierten, betonten sie ihre Unabhängigkeit von der wählerstärksten Partei. Man verstehe sich als parteiunabhängige Bewegung, sagte der Private-Equity-Unternehmer Wietlisbach damals: «Wir sind sicher keine SVP, die zu allem Nein sagt.»
Schon einige Jahre davor hatte Alfred Gantner in einem Interview betont: «Wir haben keinen Kontakt zur Familie Blocher. Wir unterscheiden uns deutlich von der SVP, denn wir unterstützen die Bilateralen und repräsentieren eine weltoffene Schweiz, die enge Beziehungen mit der EU pflegen will, aber auf Augenhöhe.»
Das Verhältnis der beiden Seiten darf, aus diesem Blickwinkel betrachtet, als ambivalent bezeichnet werden. Das gemeinsame politische Ziel verbindet, doch von Eintracht kann nicht die Rede sein. Nachfrage bei Alt-Bundesrat Blocher: Wie steht es um sein Verhältnis zu Gantner, Wietlisbach und Erni? Steckt da doch mehr dahinter?
Blocher: «Grosse Sympathien für die Kompass-Initiative»
Blocher bestätigt Kontakte. Man habe sich in Zusammenhang mit der Lancierung der Initiative kennengelernt und sehe sich – bei Gelegenheit – vielleicht alle sechs Monate oder spreche am Telefon. Er habe «grosse Sympathien für die Kompass-Initiative» der Partners-Group-Gründer. Gleichzeitig sagt er: «Sie handeln völlig selbständig. Das ist mir wichtig. Sonst heisst es wieder, das sei ein Blocher-Verein. Das ist es nicht. Aber in dieser Frage denken wir gleich.» Es fliesst laut Blocher kein Geld, und er sei auch nicht Mitglied des Initiativkomitees.
Tatsächlich ist für die Urheber der Kompass-Initiative eine zu grosse Nähe zu Blocher nicht opportun. Erstens haben sie seine Unterstützung finanziell nicht nötig: Sie haben mit ihrer 2006 an die Börse gebrachten Partners Group ein Vermögen gemacht. Zweitens müssen sie auch ausserhalb der SVP Stimmbürger mobilisieren, wenn ihr Volksbegehren dereinst Erfolg an der Urne haben soll. Drittens sehen sie – abgesehen von der EU-Frage – politisch vieles anders als die SVP.
Auf Anfrage sagt Alfred Gantners Mann für das Politische, Philip Erzinger, die SVP sei nur einer von vielen Akteuren von links bis rechts, mit denen man sich austausche. Seit Gründung der Allianz Kompass Europa im Jahr 2021 habe es zwei Treffen mit Christoph Blocher gegeben, sagt der Geschäftsführer der Organisation. Mit dem Gewerkschaftsführer Pierre-Yves Maillard seien es sogar drei gewesen. Es gebe «in keiner Art und Weise» eine besondere Nähe zu Blocher, betont Erzinger. «Unsere Beweggründe, unsere Analyse und unsere Argumentation unterscheiden sich deutlich von den Standpunkten der SVP. Auch wenn beide Organisationen die institutionelle Anbindung an die EU entschieden bekämpfen.»
Blocher, der 1992 bei einer Abstimmung den Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verhinderte, schätzt das Engagement der Zuger Finanzunternehmer dennoch. Das seien «bäumige Kerle», die mit ihrem Unternehmen Grossartiges geleistet hätten. Sie seien finanziell unabhängig und handelten mit der Kompass-Initiative im Interesse der Schweiz und nicht aus wirtschaftlichem Eigeninteresse. «Ich habe sie natürlich gefragt, warum sie sich engagieren. Sie sind auch der Meinung: Man darf unsere Staatsordnung – gerade heute – nicht kaputtmachen.»
Erstaunlich hohe Zustimmung
Neue Zahlen deuten darauf hin, dass die Argumente der Polit-Milliardäre noch nicht bei einer Mehrheit der Bevölkerung verfangen haben. In einer Umfrage von GfS Bern antworteten 64 Prozent der Teilnehmenden auf die Frage, wie sie das geplante Gesamtpaket beurteilen, sie seien voll oder eher einverstanden.
Der innenpolitische Kampf um die Zukunft des Verhältnisses zwischen der Schweiz und der EU spitzt sich denn auch zu, noch bevor das Vertragspaket unter Dach und Fach ist. Im kommenden Mai sollen die Chefunterhändler das Gesamtpaket gutheissen, danach ist der Startschuss der Vernehmlassung geplant. Anfang 2026 will die Landesregierung das Abkommen mit der EU-Kommission unterzeichnen und an das Parlament überweisen. In einem letzten Schritt soll das Stimmvolk seine Zustimmung zum Vertragspaket abgeben, so der Plan des Bundesrates.
Eine wichtige Rolle spielt dabei die Frage, ob die Vorlage bei einem Urnengang neben dem Volks- auch das Ständemehr erreichen müsste, also dem obligatorischen Referendum unterstellt wird.
Die Gründer der Partners Group wollen mit ihrer Initiative den Bundesrat und die Bundesversammlung genau dazu zwingen. Fünfeinhalb Monate nach der Lancierung der Kompass-Initiative haben sie 65 000 Unterschriften gesammelt.
Die Hürde für die Zustimmung würde mit einem obligatorischen Referendum höher, was vor allem bei einem knappen Abstimmungsausgang entscheidend sein könnte. So scheiterte etwa die Konzernverantwortungsinitaitive im November 2020 am Ständemehr, obwohl eine knappe Mehrheit der Stimmbevölkerung Ja gesagt hatte.
Der Bundesrat hat sich zur Frage des Ständemehrs noch nicht festgelegt. Blocher glaubt aber, dass die Landesregierung auch nach der Wahl des neu gewählten Mitte-Regierungsmitglieds Martin Pfister die EU-Vorlage nur dem fakultativen Referendum mit Volksmehr unterstellen wolle. «Bundesrat Pfister gehört zu jenen Kräften, die sagen, sie könnten damit leben, wenn es kein Kantonsmehr gäbe.»
Der Alt-Bundesrat sieht die Gründer der Partners Group vor diesem Hintergrund als erfrischende Abwechslung zu Unternehmern, die zwar die gleiche Meinung wie er zur EU hätten, aber nicht den Mut, diese öffentlich kundzutun. Er sage solchen Firmenchefs jeweils: «Ich danke Ihnen, jetzt nehmen Sie bitte ein Megafon und stellen sich auf den Paradeplatz – und sagen das noch einmal.» Meistens ohne Erfolg.
Bei aller Sympathie für die Kompass-Initiative aus dem Umfeld der Partners Group betont Blocher aber auch: Wirklich fürchten tue sich der Bundesrat vor allem vor der Volksinitiative der SVP, die die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz auf maximal 10 Millionen Menschen beschränken will und damit auf den Kern des Personenfreizügigkeitsabkommens mit der EU abzielt.