Nach «Succession» steht dem Autor Will Tracy der Sinn nach Weltpolitik. Seine Mini-Serie weidet sich am Chaos, das entsteht, wenn ein Politiker nicht weiss, was er tut.
«Treffen wir uns in meinen Träumen?» Die Frage klingt erst mal verlockend. Harmlos ist sie nicht. So wie in «The Regime», der neuen Miniserie von HBO (auf Sky), auch sonst nichts ohne Hintergedanken geschieht. Das kleine weisse Kärtchen, auf dem der Satz geschrieben steht, ist der Beginn einer ungewöhnlichen Romanze. Die Kanzlerin Elena Vernham (Kate Winslet) hat die Nachricht ihrem neuen Lakaien, Herbert Zubak (Matthias Schoenaerts), zur Begrüssung aufs Bett gelegt.
Im Palast, einem ehemaligen Grand-Hotel, das Vernham zu ihrem persönlichen Versailles umfunktioniert hat, wird Zubak weniger freundlich empfangen. Beim Personal gilt der abkommandierte Soldat als «Schlächter», weil er bei seinem letzten Einsatz ein Massaker in einer Kobaltmine angerichtet hat. Jetzt soll er mit einem Hygrometer die Luftfeuchtigkeit in Vernhams Umgebung messen. In den Mauern ihres Regierungssitzes ist etwas faul.
Vernham war früher Ärztin, sieht überall Bakterien und Schimmel, hasst Mundgeruch. Mit strenger Hand führt sie seit sieben Jahren ein Land im Herzen von Europa. Wo genau der Staat und das pompöse Anwesen liegen, ist nicht spezifiziert. Der Showrunner Will Tracy hat für seine schwarze Komödie eine eigene Welt erschaffen, anstatt sich an der Historie einer real existierenden Nation abzuarbeiten. Doch klar ist: Die Wirtschaft kränkelt unter Vernhams Führung.
Autokratin mit Vaterkomplex
«Minzpastillen. Kurz atmen. Mund zu.» So hält man es laut der Finanzministerin (Pippa Haywood) am besten mit der paranoiden Autokratin aus. Winslet spielt Vernham als wandelndes Pulverfass mit verzogenem Unterkiefer und lispelndem Akzent. Nach aussen mag sie furchtlos wirken, privat ist sie eine hoffnungslose Romantikerin mit Daddy-Issues – die Leiche ihres toten Vaters hält sie im hauseigenen Mausoleum konserviert.
Tracy, der bei der Erfolgsserie «Succession» als Autor mitgeschrieben hat, geht in «The Regime» über die Vorstandsetagen globaler Medienkonzerne hinaus. Diesmal hat er es auf einige der prominentesten Machthaber abgesehen.
Die Parallelen zur Realität sind zahlreich: Das fängt bei Elena Vernhams Vornamen an, den sie mit der Frau des ehemaligen rumänischen Staatschefs Nicolae Ceausescu teilt. Wie die französische Rechte Marine Le Pen ist sie eine Tochter, die über das Vermächtnis ihres Vaters hinauszuwachsen strebt. Der Wunsch des alten Vernham, eine Nachbarrepublik zu annektieren, erinnert unweigerlich an Putin. Und so wie Trump sieht auch sie sich als Verfechterin des Volkswillens.
Die Serie weidet sich am Chaos, das entsteht, wenn ein Politiker, der für sein Land kämpft, wenig Ahnung davon hat, was er tut. Angesichts der korrupten Maschinerie, in der Vernham agiert, scheint mangelnde Kompetenz jedoch zweitrangig; was zählt, sind ihr erbitterter Ehrgeiz und der Wille, für die eigene Karriere über Leichen zu gehen.
Hysterische Farce
Nach Todd Haynes’ Romanverfilmung «Mildred Pierce» (2011) und der Krimiserie «Mare of Easttown» (2021) ist «The Regime» Kate Winslets dritte Fernseharbeit. Dass sich die Politsatire zu einem ähnlichen TV-Hit wie Letztere entwickelt, ist allerdings nicht zu erwarten. Dafür kippt das Geschehen oft ins allzu Lächerliche, entgleist die Satire zur hysterischen Farce. Neben dem politischen Strang läuft die Handlung auch auf eine seltsame Liebesbeziehung zwischen Vernham und Zubak hinaus. Erst steht er unter ihrem Bann, dann sie unter seinem, während die Welt um sie herum immer mehr aus den Fugen gerät.
Der charismatische Matthias Schoenaerts setzt als Zubak auf Zuckerbrot und Peitsche. Aber wie Vernham mit ihrer Schimmel-Phobie ist er in seiner beängstigenden Präsenz zu überspitzt gezeichnet. Die erratischen Gewaltausbrüche stehen im harschen Kontrast zur angestrebten Komik, wenn Zubak etwa mit einer homöopathischen Therapie aus Kartoffeldampf und Sonnenblumentee den Schimmel-Tick der Kanzlerin kuriert.
Die Einzige, die ihre Figur fest im Griff hat, ist Andrea Riseborough. Sie strahlt im Schatten von Winslets Power-Performance als die gute Seele im bösen Spiel. Die britische Darstellerin verkörperte schon 2017 in Armando Iannuccis Politsatire «The Death of Stalin» die Tochter des verstorbenen russischen Diktators inmitten eines sich zum Slapstick steigernden Machtgerangels der verbleibenden Funktionäre im Politbüro. Jetzt muss sie sich als Palast-Managerin mit allen möglichen Problemen herumschlagen. Aber selbst die Tatsache, dass die Kanzlerin sich ihren kleinen Sohn ausleiht, wann immer es ihr beliebt, trägt die Untergebene mit Würde und Stolz.
«The Regime» steigert sich derweil zu einem Crescendo aus Paranoia und Grössenwahn. Feinsinnige Beobachtungen etwa über geopolitische Entwicklungen oder den amerikanischen und chinesischen Imperialismus kommen dabei zu kurz. Der holprige Ton steuert die Serie stattdessen in eine Identitätskrise, da ist sogar Kate Winslet machtlos.